Die Deutschen lieben Schokolade, pro Kopf werden hier im Jahr sechs Kilo verbraucht. Dass der Kakaoanbau oft mit unwürdigen Lebensbedingungen verbunden ist, wissen viele. Aber ist Fairtrade die Lösung?
Weihnachtsmänner, Schokoplätzchen, Pralinen: In der Adventszeit werden jede Menge Produkte aus Kakao gegessen und verschenkt. Und gerade vor Weihnachten wollen viele Menschen etwas Gutes tun – und greifen deshalb zu Fairtrade-Produkten. Doch ist das wirklich besser?
Was heißt fair gehandelt? In vielen Ländern bekommen die Menschen für ihre Arbeit so wenig Geld, dass es nicht zum Leben reicht. Das gilt vor allem für den Globalen Süden, darunter auch Ghana oder die Elfenbeinküste, wo der meiste Kakao herkommt. Die Organisation Fairtrade International hat sich verpflichtet, „stabile Mindestpreise“ an den Erzeuger oder die Kooperative zu bezahlen– unabhängig vom momentanen Weltpreis.
Warum gibt es Kritik an Fairtrade? Viele Experten halten die Kriterien von Fairtrade für zu lasch. Friedel Hütz-Adams ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Südwind; einem Institut für Ökonomie und Ökumene. Er beschäftigt sich mit Armut und Missständen im Globalen Süden sowie dem Verhalten von Wirtschaft, Politik und Verbrauchern in Deutschland. Er sagt: „Die Firmen, die das Label nutzen, zahlen zwar die von Fairtrade festgelegten Mindestpreise an die Bäuerinnen und Bauern, aber garantieren ihnen keine existenzsichernden Einkommen.“ So lebe knapp die Hälfte der Kakaobauern unter der absoluten Armutsgrenze.
Bei Fairtrade Deutschland spricht man von einem „Spannungsfeld“, in dem sich der gemeinnützige Verein bewege. „Die Fairtrade-Standards verlangen, dass den Landwirten und Arbeitern vor Ort gesetzliche Mindestlöhne bezahlt werden. Außerdem gibt es die Verpflichtung, die Löhne schrittweise anzuheben, um mittel- bis langfristig existenzsichernde Löhne zu erreichen“, sagt die Sprecherin Edith Gmeiner. Allerdings reiche der Mindestlohn oft nicht aus, um etwa finanzielle Rücklagen für Notfälle zu bilden oder Reparaturen bezahlen zu können. „Aber wenn wir von zertifizierten Erzeugerorganisationen verlangen, dass sie sofort deutlich höhere Löhne zahlen, besteht die Gefahr, dass sie nicht konkurrenzfähig sind und aus dem Markt gepreist werden.“
Dazu ein Beispiel: Eine Tafel Vollmilchschokolade müsste laut Experten um rund fünf Cent teurer werden, damit den Kakaobauern doppelt so viel gezahlt werden könnte wie derzeit. Momentan bekommt man Schokolade von den Supermarkteigenmarken für unter 60 Cent. Würde nun eine Firma den Preis auf etwa 65 Cent erhöhen, wäre sie teurer als die Konkurrenz. Dieses Risiko wollen die meisten Firmen nicht eingehen.
Ist also alles schlecht bei Fairtrade?
Nein. Für Friedel Hütz-Adams ist der größte Effekt, den Fairtrade erreicht hat, das Vermitteln von Wissen in der Bevölkerung: „Fairtrade hat transparentere Strukturen aufgebaut und gezeigt, wo Produkte wie Kakao oder Kaffee eigentlich herkommen.“ Edith Gmeiner von Fairtrade sagt, dass ihnen völlig klar sei, dass sie noch nicht am Ziel seien: „Aber es geht um Verantwortung entlang der ganzen Lieferkette.“ Beide setzen Hoffnung in das EU-Lieferkettengesetz, in dessen Rahmen Firmen Menschenrechte und Umweltnormen in ihrer Wertschöpfungskette besser kontrollieren müssen.
Was bedeutet „nachhaltig“ oder „fair“? Beide Begriffe sind rechtlich nicht geschützt, anders als die „Bio“-Kennzeichnung. Steht auf einer Schokolade „aus nachhaltigem Kakao“, ist dies juristisch schwer zu fassen. Zwar ist der Anteil von als „nachhaltig“ zertifiziertem Kakao laut dem Bundesverband der Süßwarenindustrie von 3 Prozent im Jahr 2011 auf 81 Prozent im Jahr 2022 in Deutschland gestiegen, „aber den meisten Erzeugern geht es nicht besser“, sagt Friedel Hütz-Adams. Fairtrade Deutschland wirbt in dem Zuge dafür, dass es bei ihnen transparente Kriterien sowie externe, unabhängige Kontrollen gebe – anders als bei Siegeln, die etwa von Firmen entwickelt wurden.
Welche Rolle spielt Fairtrade hier? Die Deutschen gaben 2022 im Schnitt 25,83 Euro für fair gehandelte Produkte aus. Der Marktanteil von fair gehandeltem Kaffee lag 2022 bei 5,6 Prozent. Bei Kakaoprodukten waren es gut 16 Prozent, bei Schokolade 3,2 Prozent.
Welche Firmen sind vorbildlich? Nur wenige Hersteller haben sich strengere Regeln auferlegt als jene, die für Fairtrade gelten. Dazu gehört der niederländische Schokoladenhersteller Tony’s. Die 2005 gegründete Firma war von Beginn an Fairtrade-zertifiziert, will aber „mehr als Mindeststandards erfüllen“. Tony’s bezahlt den Kakaobauern den staatlich geregelten Kakaopreis, die Fairtrade-Prämie plus eigene Prämien.
Was würde die Situation verbessern? Letztlich müsste man das ganze System umdrehen, findet Friedel Hütz-Adams. Dass also all jene Produkte gekennzeichnet werden müssten, in deren Herstellungsprozess Menschenrechte verletzt wurden. Dies erscheint derzeit aber unrealistisch.
Eine Sache könne jeder Einzelne tun, findet er: eine Nachricht an den Hersteller der Lieblingsschokolade schreiben und fragen, ob dort den Bäuerinnen und Bauern existenzsichernde Löhne bezahlt würden, „einfach nur, um zu zeigen, dass den Verbraucherinnen und Verbrauchern das wichtig ist“.
Verschiedene Fairtrade-Siegel, verschiedene Bedeutung
Schwarzer Hintergrund
Kauft man ein Fairtrade-Produkt, das nur aus einem Rohstoff besteht, wie etwa Kaffee, hat dieses das blau-grüne Siegel auf einem schwarzen Hintergrund. Das bedeutet, dass alle Bestandteile Fairtrade-Regeln entsprechen.
Mit Pfeil
Für ein Fairtrade-Siegel reicht es, wenn 20 Prozent der Rohstoffe fair gehandelt wurden. Bei sogenannten Mischprodukten wie Müsli, Schokolade oder Kekse kann also ein hoher Anteil der Rohstoffe auch nicht-fair sein. Manche Rohstoffe kommen aus Europa und können daher gar nicht fair gehandelt worden sein. Man erkennt Mischprodukte an dem kleinen Pfeil neben dem Fairtrade-Siegel.
Weißer Hintergrund
Das Fairtrade-Siegel mit weißem Hintergrund zeigt, dass nur eine Zutat des Produkts fair gehandelt wurde. Oft ist das der Kakao bei Süßwaren. (jub)