Eines der Lieblingsgetränke der Deutschen wird immer teurer. Wegen der Klimaerwärmung wird der Kaffeeanbau schwierig. Zwei Experten äußern sich zur Zukunft des Kaffees – und was jeder Einzelne tun kann.
Der Geruch nach dem Aufwachen. Der schnelle Energiekick bei der Arbeit. Und der leichteste Grund dafür, sich mit anderen zu treffen oder eine Pause einzulegen: Das alles bietet Kaffee. Der durchschnittliche Deutsche trinkt dreieinhalb Tassen pro Tag. Laut einer Erhebung des Instituts für Demoskopie Allensbach liegt Kaffee damit auf dem dritten Platz der Getränke, die in Deutschland am meisten gekauft und konsumiert werden, direkt hinter Mineralwasser und Saft.
Doch in Zukunft könnte Kaffee zunehmend zum Luxusprodukt werden. Aufgrund der Klimaerwärmung wird der Anbau in Ländern wie Brasilien oder Vietnam immer schwieriger und schlechter planbar – und dadurch werden der Espresso und Cappuccino bei uns teurer. Bereits 2022 kosteten geröstete Kaffeebohnen 14 Prozent mehr als noch 2021. Ein Ende dieser Preissteigerung ist nicht in Sicht.
Erst Dürre, dann Frost – große Ernteausfälle bei den Kaffeebauern
„Wir haben unter anderem in Brasilien – dem Anbauland Nummer eins – plötzlich Wetterbedingungen, die wären früher völlig undenkbar gewesen“, sagt Michael Gliss. Er ist Deutschlands erster Diplom-Kaffee-Sommelier und verkauft in Köln Bioröstungen. Vor allem in den vergangenen vier Jahren habe es immer wieder große Ernteausfälle bei „seinen“ Kaffeebauern gegeben: etwa durch eine Dürre Anfang 2021, kurz darauf durch einen Frost, dessen Ausmaß völlig unerwartbar war, wie er sagt.
Der Weltklimarat IPCC hatte bereits im Jahr 2014 in seinem Bericht darauf hingewiesen, dass die Anbauflächen bis 2050 in einem Bereich zwischen 38 und 89 Prozent sinken werden. Für die lokalen Kaffeebauern und die Regionen, die auf den Kaffeeanbau angewiesen sind, bedeute die Klimakrise eine „wirtschaftliche Katastrophe“.
Kaffee ist ein „Sensibelchen“
Am härtesten wird es wohl Brasilien treffen. Dort könnten laut IPCC bis zu 97 Prozent der Anbauflächen für die Arabica-Pflanze – derzeit noch die beliebteste Kaffeesorte – bis 2050 nicht mehr geeignet sein. Selbst wenn die globalen Treibhausgasemissionen sofort erheblich sänken, würde das Anbaugebiet noch um 76 Prozent schrumpfen, heißt es.
Forscher der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Zürich haben herausgefunden, dass Kaffee weit mehr als andere ebenfalls anspruchsvolle Exportfrüchte wie etwa Avocados oder Cashewnüsse unter dem Klimawandel leidet. Die sensible Pflanze wuchs bisher nur rund um den Äquator. Wird es dort zu heiß, reift die Kaffeefrucht schneller, als die Bohne sich darin entwickeln kann. Zudem haben die geläufigen Sortenpflanzen einen hohen Anspruch an Boden, Luftfeuchtigkeit und Niederschlag.
Arabica ist vielfältiger als Robusta
„Arabica wächst auf teils über 2000 Meter Höhe“, erklärt Michael Gliss. Sie gedeiht am besten, wenn es weder kälter als 18 Grad Celsius noch wärmer als 22 Grad wird, auch darf es weder zu selten noch zu oft regnen. Wenn es dort nun plötzlich lange Trockenzeiten gebe sowie unerwarteten Frost oder eben insgesamt die Temperaturen anstiegen, wie es früher auf maximal 600 Meter Höhe möglich war, sei dies ein echtes Problem.
Dazu muss man wissen: Derzeit gibt es zwei verbreitete Kaffeesorten – Arabica mit rund 1,5 Prozent Koffein und Canephora (umgangssprachlich Robusta) mit bis zu 4,5 Prozent Koffein. Arabica bezeichnet Michael Gliss als „vielfältig, frisch, fruchtig“, mehr als 1000 Aromen seien in dieser Kaffeesorte vertreten. Robusta sei „erdiger, holziger, schokoladiger, derber“, nicht schlechter als Arabica, aber weniger vielfältig. Früher habe Arabica rund 70 Prozent des Weltmarkts ausgemacht, inzwischen noch 60 Prozent.
Kaffee dürfe nicht als „Wachmacher“ betrachtet werden
Forschern zufolge gibt es in der Natur sogar mehr als 100 wilde Kaffee-Arten, davon sollen einige resistenter gegen Hitze oder Schädlinge als Arabica sein. Eine schnelle Lösung ist dies aber wohl nicht, weil Kaffeepflanzen drei bis fünf Jahre bis zur Ernte brauchen. Zudem gibt es das große Problem des Geschmacks, der stimmen muss.
Einer, der trotz Klimaerwärmung optimistisch bleibt, ist Steffen Schwarz. Er betreibt in Mannheim das sogenannte Coffee Consulate und unterrichtet an Hochschulen zu Kaffee. Er rechnet zwar durchaus auch mit einer „massiven Reduktion“ von Kaffee. Doch was ihn optimistisch bleiben lässt, ist das wachsende Wissen zur Klimakrise und dem Umgang damit: „Kaffee muss als bewusster Genuss betrachtet werden, nicht als reiner Wachmacher.“ Also: weg von Massenproduktion, hin zu lokalen Varietäten.
Avocados zwischen Kaffee kann Elefanten anlocken
Und letztlich müsse jeder Landwirt selbst eine Lösung finden, wie er mit der Klimaerwärmung umgehe und mit der Natur arbeite – nur bitte ohne Glyphosat, mahnt Schwarz. In manchen Ländern könne es etwa sinnvoll sein, Avocados zwischen dem Kaffee anzubauen; als Schattenspender und weil die auf den Boden gefallenen Avocadoblätter Mineralien an den Kaffee abgeben. In anderen Gegenden ist das keine gute Idee: „Anderswo lockt man mit Avocados Elefanten an, die dann ein ganzes Feld niedertrampeln.“
Klar ist: Leidtragende sind vor allem die Bauern im Globalen Süden. In Europa oder Nordamerika sei es für die meisten Menschen „total egal“, ob sie für einen Cappuccino 2,30 oder 2,80 Euro bezahlten, sagt Michael Gliss. „Aber für die Landwirte bedeutet dieser Preisunterschied im Zweifel die Frage, ob sie ihre Kinder zur Schule schicken können oder nicht.“ Sein Leitsatz ist: „Was ich nicht bezahle, hat jemand anderes bezahlt.“
Biokaffee ist für die Umwelt besser als konventioneller
Anbau
Aus Nachhaltigkeitssicht lohnt es sich, biologisch angebauten Kaffee zu kaufen – und das Ganze als Luxusprodukt zu verstehen. Denn vor allem der konventionelle Anbau belastet die Umwelt. Kaffee wird meist in Monokulturen angebaut, wofür Flächen gerodet werden. Dazu kommen im konventionellen Anbau Pestizide und Herbizide, welche die Biodiversität in den Ländern rund um den Äquator einschränken. Zudem setzt der Anbau von Kaffee Stickstoff frei.
Bürokratie
Dirk Lachenmeier, Lebensmittelchemiker und Toxikologe am Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe, weist auf ein weiteres Nachhaltigkeitsproblem hin, das über die Bohne hinausgeht: Soll die Kaffeefrucht – die bisher meist als Abfall entsorgt wird – verwertet werden, müssen diese Produkte in der Europäischen Union zunächst einen Jahre dauernden Zertifizierungsprozess durchlaufen. Gerade Kleinbauern von einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise zu überzeugen sei vor diesem Hintergrund sehr schwierig, sagt er. (dpa/jub)