Am Tag nach dem Bierzeltauftritt in Hart: Cem Özdemir (Grüne) mit Markus Söder (CSU) beim Besuch einer Alm in Bayern Foto: dpa/Peter Kneffel

Dem Bundesagrarminister Cem Özdemir und der bayrischen Grünen-Spitzenfrau Katharina Schulze schlägt bei einem Wahlkampf-Auftritt im Chiemgau der blanke Hass entgegen. Vor dem Bierzelt werden Steine verkauft.

Bei den Grünen in Bayern ist man entsetzt darüber, was sich am Dienstagabend vor und in einem Bierzelt im Chiemgau abgespielt hat. Eine Veranstaltung im Landtagswahlkampf mit dem grünen Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und der bayerischen Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulze wurde im Prinzip gesprengt durch massivsten Protest von politischen Gegnern.

So wurden vor dem Festzelt in Hart, einem Ortsteil der Gemeinde Chieming, nicht nur Eier und Tomaten zum Werfen angeboten, sondern auch „große Steine“ und „kleine Steine“. Schulze erklärt dazu am Donnerstag: „Die Verrohung des politischen Diskurses macht mir große Sorgen. In so einem Bayern wollen wir alle nicht leben.“

Laut Süddeutscher Zeitung haben sich die Steine-Verkäufer als „normale Handwerker“ ausgegeben, die mit der Politik der Berliner Ampel-Regierung unzufrieden seien. Die Aktion sei eher „lustig“ gemeint, sagten sie, tatsächlich hätten sie niemandem etwas verkauft. An dem Stand lagen auch CSU-Flugblätter aus.

Vor dem Zelt fuhren Landwirte mit Traktoren umher, eine Menschenmenge skandierte „Haut ab!“ und Ähnliches. Die CSU und die Junge Union waren laut Beobachtern präsent. Im Zelt hatten sich unter anderem AfD-Anhänger Plätze verschafft und störten lautstark und äußerst aggressiv die Veranstaltung.

Polizeikordon vor der Rednerbühne

„Es war beängstigend“, sagt eine Besucherin. Die Pfiffe und der Lärm der Gegner seien „ohrenbetäubend“ gewesen. Die Rednerin Schulze habe man nicht verstehen können. Die Spitzenfrau sei obszön-sexistisch beschimpft worden. Im Gedränge habe sie selbst „diverse Rückenstöße abbekommen“. Besonders habe sie schockiert, dass auch zahlreiche Kinder mit ihren Eltern unter den Besuchern waren und diese Szenen hätten miterleben müssen.

Laut Berichten war die Polizei anfangs mit 50 Beamten vollkommen überfordert und musste Verstärkung rufen. Der Auftritt von Cem Özdemir stand ganz auf der Kippe. Aus Sicherheitsgründen sollte er das Zelt nicht betreten, zwei Stunden verspätet fand sein Auftritt dann erst um 21 Uhr doch noch statt. Auf Videos ist zu sehen, wie die Bühne gesichert wurde von dicht an dicht stehenden Polizisten in schwarzen Uniformen.

Nachdem die CSU nach übereinstimmenden Berichten selbst beim Protest dabei war, distanzierte sich deren Landtagskandidat Konrad Baur von den Auswüchsen. In der Süddeutschen Zeitung sprach er von einer „brachialen Masse“, eine solche Wut habe er noch nie gesehen.

Am Mittwoch war Özdemir weiterhin in Bayern unterwegs. Unter anderem traf er gemeinsam mit dem bayrischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef Markus Söder Bauern auf einer Alm im oberbayerischen Arzmoosgebiet.

Von Verschwörungsgläubigen bis zur CSU

Und wer waren die Gegner und Störer am Dienstag? Anwesende vor Ort haben mehrere Gruppen wahrgenommen: AfD, CSU, Landwirte, aber auch Verschwörungsgläubige. Eine als Coronaleugner bekannte Gruppe aus Rosenheim hatte auch zum Protest gegen die Veranstaltung aufgerufen. Katharina Schulze sagte danach auch, sie wünsche sich den „Wettstreit um die besten Ideen anhand von Fakten“ und „gerne auch Streit in der Sache“. Der Wahlkampf solle „mit Anstand und Respekt“ geführt werden.