Serbiens Präsident Aleksandar Vucic wird von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ermahnt, die Beziehungen seines Landes zum Kosovo zu normalisieren. Foto: dpa/Darko Vojinovic

Die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen verspricht bei einem Besuch einen Wachstumsplan in Milliardenhöhe.

Die Balkan-Länder hören die EU-Forderungen seit vielen Jahren. Geld gegen Reformen, lautet das Mantra aus Brüssel. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geht in diesen Tagen bei ihrer Reise durch die Region damit hausieren. Im Gepäck hat sie einen Wachstumsplan im Umfang von sechs Milliarden Euro. Er soll nach ihren Worten dazu beitragen, die Wirtschaftsleistung der Westbalkanstaaten binnen eines Jahrzehnts zu verdoppeln.

Der Balkan ist im Moment schwieriges Terrain

Doch Ursula von der Leyen bewegt sich auf schwierigem Terrain. Seit Jahren war die Lage in der Region nicht mehr so angespannt wie derzeit. Geht es nach Aussage der Regierung im Kosovo, bereitet Serbien gar einen neuen Krieg in Europa vor. Erst auf Druck der USA und der EU hat die Belgrader Regierung von Präsident Aleksandar Vucic Teile der kurzfristig an der gemeinsamen Grenze stationierten Armee wieder abgezogen, doch das Säbelrasseln geht weiter. Deutschland, England und Rumänien stocken angesichts der jüngsten Eskalation ihre Nato-Truppen im Kosovo auf. „Serbien und Kosovo müssen ihre Beziehungen normalisieren“, betonte denn auch Ursula von der Leyen am Dienstag in Belgrad gegenüber Vucic. Nur so könnten beide Seiten von dem Wachstumsplan profitieren. Und es sei auch die einzige Möglichkeit den Weg Serbiens in die EU zu ebnen.

Schleppende Gespräche mit der EU

Die Haltung des serbischen Präsidenten in dieser Frage ist allerdings eindeutig und er machte das auch auf der abschließenden Pressekonferenz mit Ursula von der Leyen deutlich. Aleksandar Vucic betonte, dass er den Kosovo weder direkt noch indirekt anerkennen werde. Die neben ihm stehende EU-Kommissionschefin nahm diese Aussage wenig überrascht und mit eisigem Lächeln zur Kenntnis.

Die EU-Kommissionschefin versucht auf ihrer dreitägigen Mission immer wieder die Regierungen mit Zuckerbrot und Peitsche zu demokratischen Reformen zu motivieren. Auf ihrer ersten Station in Nordmazedonien lobte sie den erstaunlichen Fortschritt des Landes und versprach eine Ausweitung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Zugleich rief sie alle Parteien zur Billigung einer Verfassungsreform auf, die den Weg für die Aufnahme der EU-Beitrittsgespräche ebnen soll.

Die Gespräche mit der EU verlaufen nur schleppend

Doch Nordmazedoniens Ministerpräsident Dimitar Kovacevski rief dem Besuch aus Brüssel ins Gedächtnis, dass sein Land 17 Jahre nach Erhalt des EU-Kandidatenstatus zu Verhandlungen bereit sei. Eines der letzten Probleme befindet sich allerdings in der EU selbst, denn das Nachbarland Bulgarien blockiert den Start der Beitrittsgespräche mit Skopje. Der Grund: die bulgarische Minderheit in Nordmazedonien müsse in der Verfassung anerkannt werden. Ministerpräsident Dimitar Kovacevski erklärte, seine Regierung habe die Verfassungsänderung vorbereitet, bisher fehlt aber die nötige Zustimmung der Opposition.

Nach ihrem Besuch in Montenegro und Serbien reiste Ursula von der Leyen am Mittwoch nach Bosnien-Herzegowina. Auch dort bedrohen ethnischer Nationalismus und Propaganda den Frieden in der Region. Seit dem Abkommen von Dayton 1995 ist das Land in eine bosniakisch-kroatische und eine serbische Entität geteilt. Doch seit Monaten erweist sich Milorad Dodik, Präsident der serbischen Republika Srpska, als Widersacher der Regierung in Sarajevo, die verzweifelt versucht, den Vielvölkerstaat zusammenzuhalten – während die Regierung im serbische Belgrad sukzessive daran arbeitet, die Eigenständigkeit Bosnien-Herzegowinas zu untergraben.

Autokraten nutzen Spannungen

Das durchsichtige Spiel der Autokraten

Auch in diesem Fall wirkt sich die Uneinigkeit der EU nachteilig auf die Lage in der Region aus. Anfang Oktober teilte der Serbenrepublik-Führer Dodik mit, dass Ungarns Regierung unter Viktor Orbán mehrere Infrastrukturprojekte fortführen wolle, nachdem Deutschland die Finanzierung wegen Dodiks separatistischer Politik eingefroren hatte. In Ungarn habe man einen Freund gefunden, so Dodik. Aber auch andere Autokraten, etwa aus Russland und der Türkei, versuchen, die Spannungen zu nutzen und ihren Einfluss auf dem Balkan auszudehnen. Der langjährige Nato-Diplomat Jamie Shea betont, dass die EU den vielen Versprechungen endlich auch konkrete Taten folgen lassen müsse. So könnte etwa jungen Menschen aus dem Kosovo mehr Reisefreiheit gewährt werden. Möglich wäre auch die Aufnahme in Wissenschafts-, Technologie- und Ausbildungsprogramme.