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Esslingen (meb)Zwei Projekte, zwei Rätsel: Sowohl bei dem neu gebauten Logistikzentrum in Sirnau als auch im Hinblick auf die neuen Entwicklungen auf dem Danfoss-Areal in der Pliensauvorstadt hat sich die Stadt mit Informationen in den vergangenen Monaten sehr zurückgehalten. Lange war in der Öffentlichkeit unklar, wie die Flächen an den beiden Standorten künftig genutzt werden sollen. Jetzt steht fest: In Sirnau wird die HTL Peter Messner GmbH, ein Dienstleister für die Automobilindustrie, einziehen und auf dem Danfoss-Areal will sich Daimler ansiedeln. Letzteres sorgt allerdings für Unruhe in der Pliensauvorstadt.

Und das hat vor allem mit der Art und Weise zu tun, in der die Bürgerinnen und Bürger von dem Vorhaben erfahren haben. Nämlich zunächst gar nicht. Und dann nur rudimentär. „Wir sind ziemlich verärgert und fühlen uns von der Stadtverwaltung hinters Licht geführt“, bringt Andreas Jacobson vom Bürgerausschuss Pliensauvorstadt (BA) die Stimmung in seinem Stadtteil auf den Punkt. Noch vor der Sommerpause seien Vertreter der Rathausspitze im BA gewesen und hätten versichert, dass es nichts Neues auf dem Danfoss-Areal gebe – und der BA es umgehend erfahre, wenn sich doch etwas tue. Aber bis zur Einwohnerversammlung am vergangenen Donnerstag habe man rein gar nichts erfahren. Und in der Veranstaltung selbst sei die Information sehr dürftig gewesen – nicht einmal der Name Daimler sei seitens der Verwaltung gefallen.

Bürger sind misstrauisch

Diese Informationspolitik verursache große Sorgen in der Pliensauvorstadt, sagt Jacobson. Man fürchte, dass in einer rechtlichen Grauzone agiert werden und dem Investor Greenfield im Hinterzimmer Ausnahmegenehmigungen erteilt werden könnten. Schließlich sei das, was Greenfield auf dem Danfoss-Areal plane, laut aktuell gültigem Bebauungsplan aus den 80-er Jahren gar nicht möglich – und der neue Bebauungsplan sei längst noch nicht in trockenen Tüchern. „Wir fragen uns jetzt, auf welcher Rechtsgrundlage der Bau für Daimler entstehen soll.“

An sich sei das Projekt ja vielleicht gar nicht so schlecht, schließlich passe produzierendes Gewerbe zu dem Standort. Aber man sei misstrauisch: „Wenn die Stadt nichts zu verbergen hat, warum macht sie die Sache dann nicht öffentlich?“, fragt Jacobson. Er fürchte, dass Fakten geschaffen werden sollen, bevor der BA überhaupt die Chance hat, etwas dazu zu sagen. Das Gremium wurde erst vergangenen Donnerstag neu gewählt und hat Anfang November seine konstituierende Sitzung. Aber man plane bereits eine Sondersitzung wegen des Danfoss-Areals, sagt Jacobson. In der Pliensauvorstadt ist man auch wegen der Erfahrungen vor rund fünf Jahren misstrauisch. Damals sollte ein großes Logistikzentrum von Daimler auf das Danfoss-Areal ziehen. Das verhinderten die Bürger mit massiven Protesten. Die jetzigen Pläne seien zwar weit kleinteiliger, gingen aber in eine ähnliche Richtung, so Jacobson. Und die anvisierten Dimensionen im Hinblick auf Gebäudegröße und Verkehr gingen über das hinaus, was die Stadt den Bürgern als Maximum angekündigt habe.

Im Rathaus sieht man das Projekt laut Pressesprecher Roland Karpentier hingegen rundum positiv: „Wir sehen darin einen großen Beitrag zur Wertschöpfung am Industriestandort Esslingen.“ Man sei froh, dieses Areal bieten zu können, schließlich suchten viele Firmen händeringend nach Flächen in der Stadt. Und die geplante Produktion auf zwei Geschossen als neue Art der industriellen Nutzung halte man angesichts des Flächenmangels für sehr gelungen.

Räte sehen Vorhaben positiv

Diese Punkte sowie die Tatsache, dass 330 Arbeitsplätze entstehen sollen, begrüßt man auch im Gemeinderat: Grundsätzlich stehen die Fraktionen und Gruppen dem Vorhaben positiv gegenüber. Es sei weit besser als das vor fünf Jahren geplante Projekt, heißt es unisono. Allerdings gibt es auch aus dem Gremium deutliche Kritik an der Informationspolitik der Stadt. Zudem wünschen sich die Räte mehr Informationen über den zu erwartenden Verkehr und wie mit diesem umgegangen werden soll. Hintergrund dafür ist unter anderem die Option auf eine neue Straße durch die angrenzenden Felder eines Gemüsebauern, die sich die Stadt offen halten will, falls die bestehende Erschließung für den zusätzlichen Verkehr nicht ausreicht. Doch diese Straße hat schon vor fünf Jahren für Unmut im Stadtteil gesorgt. Auch die meisten Räte sehen sie kritisch – Grüne, Linke und Freie Wähler lehnen sie ganz ab. Denn wenn überhaupt, so die Argumentation, dann müsse eine neue Straße an der B 10 entlang führen, was wegen des hier weiterhin geplanten sechsspurigen Ausbaus aber nicht genehmigt wird. Die Stadt will über die Auswirkungen der Aufsiedlung des Danfoss-Areals auf den Verkehr im Zuge der Beratungen über den Bebauungsplan um den Jahreswechsel herum berichten. Im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens soll dann auch die Bürgerbeteiligung zu dem Projekt stattfinden.

Derweil hat die Stadt nach langem Hin und Her am Dienstag den Namen des künftigen Mieters im neuen Logistikzentrum im Industriegebiet Sirnau bekannt gegeben. Die Firma HTL Peter Messner GmbH wird in den Neubau ziehen, der in den vergangenen Monaten auf dem Grundstück zwischen Wolf-Hirth-, Dornier- und Eckenerstraße rasant in die Höhe gewachsen ist. Die Firma aus Murr im Landkreis Ludwigsburg ist als Dienstleister für die Automobilindustrie tätig. Unter anderem bietet das Unternehmen mit rund 40 Jahren Erfahrung die Lagerung, Nachbehandlung, Prüfung und Verpackung von Fahrzeugteilen an. Voraussichtlich werden 40 bis 60 Mitarbeiter in zwei bis drei Schichten hier arbeiten, man rechnet mit rund 210 Lastwagenfahrten pro Tag.

Es kommentiert Christian Dörmann.