Familien wandern bei Riedlingen gemeinsam im Sonnenschein. Der Wandersport gehört heute zu den Tätigkeiten, die das individuelle Wohlergehen im Blick haben, allerdings mit einer starken sozialen Komponente. Foto: dpa/Thomas Warnack

Seit Corona haben viele Menschen das Spazierengehen oder Wandern entdeckt. Unsere Redaktion hat sich auf die Suche nach den schönsten und interessantesten Wegen im Kreis gemacht.

Es ist gesund, es entspannt, es gibt Zeit, die Gedanken schweifen und die Seele baumeln zu lassen. Und es hat noch etwa 100 000 andere Vorzüge: Wandern, spazieren gehen, flanieren, stromern. Es setzt auch einen Kontrapunkt zum Auto- und Bahnfahren, wo die Landschaft vorbeizieht. Es ist Entschleunigung pur: Details werden wahrnehmbar, die einem sonst in der Hatz des Alltags entgehen. Blickwinkel tun sich auf, die man auf seinen gewohnten Wegen zur Arbeit oder zum Supermarkt nicht hat. Unsere Redaktion hat sich mit diesem Thema intensiv beschäftigt. Herausgekommen ist eine Serie über 21 leichte Wanderungen und längere Spazierwege in Esslingen und Umgebung. Der Rahmen dazu bietet die jährliche Stadtteil- und Kreisserie, die in jedem Jahr unter dem Motto steht: Spaziergänge in der Region.

Leichte Routen stehen im Vordergrund

Bewusst entschieden haben wir uns für kleine Wege zwischen vier und acht Kilometern, um auf diese Weise auch Menschen anzusprechen, die größere Strecken nicht gehen können oder wollen. Wenn die Route nicht sowieso schon vor der Haustür liegt, ist sie in der Regel leicht mit dem öffentlichen Nahverkehr, dem Auto oder dem Fahrrad zu erreichen. Zwar gibt es hier und da mal eine kleine Anhöhe zu bewältigen, aber dennoch handelt es sich durchweg um leichte Routen.

Viele Wege führen durch die Natur, aber oft streifen sie auch Wohngegenden, insbesondere in Esslingen. Sie haben oft ihren eigenen Charme für Fußgänger. Für die Esslinger Innenstadt haben wir uns einen besonderen Wanderweg ausgedacht: Hier führen wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, an Orten vorbei, die für eine Schlagzeile in unserer Zeitung gut waren und teilweise noch immer für Stadtgespräche sorgen.

Alle Wege wurden zuvor von den Autorinnen und Autoren abgelaufen. Sie benennen außergewöhnliche Punkte, machen Angaben zur Streckenlänge und weisen auf Besonderheiten hin, etwa auf etwas steilere Auf- oder Abstiege oder sumpfige Wiesen. Unterlegt werden die Beschreibungen mit einer Grafik zur jeweiligen Strecke. Einige Wege sind bereits bekannt wie der Brunnenwanderweg in Esslingen, andere haben die Autoren sich teilweise oder sogar komplett neu erdacht.

Die meisten Wanderungen befinden sich im Schurwald, auf den Fildern und im Neckartal. Aber allein acht Touren führen durch die Große Kreisstadt Esslingen. Hier erleben die Spaziergänger, wie schön oder interessant Esslingen auch in den Vororten sein kann. Und das beschränkt sich keinesfalls nur auf den Norden, der ja unmittelbar an ein großes grünes Naherholungsgebiet grenzt. Selbst Menschen, die seit jeher in der Stadt leben, werden sich womöglich wundern, wie sich etwa in einem Vorort wie Zell Industriecharme und Natur begegnen.

Die Wanderforschung reicht bis nach China

Wer wandert, der weiß, dass das Besondere an diesem Freizeitvergnügen sich nicht darin erschöpft, über die Schönheit der Natur zu schwärmen, wie es sich beispielsweise in der Naturlyrik Raum geschaffen hat. Es ist immer mehr als das. Wie weit gefächert das Thema Wandern ist, zeigt sich daran, dass es eine eigene Wanderforschung gibt und sogar eine Heidi-Forschung. Letztere hat zunächst einmal mit der Region sehr wenig zu tun: Heidi ist eine berühmte Romanfigur aus den Schweizer Bergen. Dennoch gibt es einen Berührungspunkt: Die Protagonistin kommt aus einem sehr ländlichen Gebiet, wo die Welt scheinbar noch in Ordnung ist, und verbringt Zeit in Frankfurt, womit die Autorin Johanna Spyri den Kontrast von Stadt und Land thematisiert. Dieser Kontrast – und damit sind wir in der Region – ist auch im Kreis Esslingen deutlich spürbar. Wein und Weltmarktführer, Wald und Wohnungsnot liegen hier nah beieinander und sind auf den vorgestellten Wanderungen erlebbar. Wie international das doch ziemlich deutsche Thema Wandern ist, zeigt die so genannte Heidi-Forschung übrigens auch: Es ist ein Professor Xiaoqiao Wu von der Universität in Peking, der die Rezeption der Heidi-Bücher in China untersucht.

Das Wandern ist allerdings auch mit vielen Vorbehalten besetzt. Lange Zeit galt es irgendwie als rückschrittlich, im Zeitalter großer Mobilität zu Fuß durch die Gegend zu laufen, ohne wirklich groß Strecke machen zu können. Spätestens in den 1990er Jahren schoben sich dann aber andere Ideale in den Vordergrund. Natur erleben – in Verbindung mit dem sich in der Gesellschaft allmählich durchsetzenden Nachhaltigkeitsgedanken – wurde zu einem wiederentdeckten Wert, der inzwischen auch eine beträchtliche Kommerzialisierung erfuhr.

Historisch gesehen erfuhr das Wandern in Deutschland das erste Mal massenhaften Zuspruch im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Damals war es teils ideologisch aufgeladen und als Gegenentwurf zum entfremdenden Prozess der Industrialisierung romantisiert. Heute gehört das Wandern eher zu den Tätigkeiten, die das individuelle Wohlergehen im Blick haben, allerdings mit einer starken sozialen Komponente. So soll es Menschen geben, die vor allem wegen der Rast im Gasthaus das Wandern lieben.

Die Touren im Internet

EZ-Portal
Im Internet finden sich die Texte ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung auf unserer Homepage. Aber auch schon jetzt finden Sie dort eine Reihe von Tipps aus der Serie „Stadtspaziergänge“ aus dem Jahr 2001. Bei diesen Spaziergängen achteten unsere Autorinnen und Autoren auf historische und soziale Besonderheiten. In der diesjährigen Serie ist es aber der Weg, der im Mittelpunkt steht, getreu dem Motto: Der Weg ist das Ziel.

Komoot und Video
Einige Wege werden wir nach und nach auch in das Wanderportal Komoot stellen. Zudem gibt es bereits zwei Videos über die Serie, zwei weitere sind in Planung.

Alle Wanderungen findet man auf der Homepage der Eßlinger Zeitung unter www.esslinger-zeitung.de/spaziergang.