Halbleiter werden für Computer aller Art benötigt. Foto: dpa/Ritchie B. Tongo

Die Halbleiterproduktion ist Taiwans stärkster Wirtschaftszweig. Nun will der Inselstaat durch eine sektorübergreifende Integration in den Welthandel weiter punkten.

Ein „Meilenstein“ sei das, was Hsiao Bi-khim unterschrieben hat. Die taiwanische Gesandte zu Washington kam ins Schwärmen, als sie in der US-amerikanischen Hauptstadt ein Dokument abgesegnet hatte, das ihr Land in eine bessere Zukunft führen werde: „Ich freue mich auf eine Vertiefung des Handels“, ließ Hsiao über Twitter wissen. Grundlage für die Prognose: Die USA und Taiwan haben ein erstes bilaterales Handelsabkommen abgeschlossen, dem noch weitere folgen sollen.

Insofern könnte dieser Deal womöglich nicht nur für Taiwan ein Meilenstein sein: Mit den USA hat sich die weltweit größte Volkswirtschaft dazu beschlossen, die Wirtschaftsbeziehungen zu Taiwan, einer hoch industrialisierten, aber permanent in ihrer Existenz bedrohten Insel, auf ein solideres Fundament zu stellen. Der Pakt betrifft zunächst keine Zollbefreiungen, dafür aber Vereinfachungen in der Abwicklung des Handels. Eine zweite Auflage des Handelspakt, über die fortan verhandelt wird, soll weitere Themen beinhalten. In Taiwan hofft man zudem auf weitere Deals mit anderen Ländern.

Der wichtigste Wirtschaftszweig ist die Halbleiterindustrie

Die Rolle Taiwans in der Weltwirtschaft ist eine besondere. Einerseits ist die 24-Millioneninsel südlich des chinesischen Festlands der wichtigste Produktionsstandort im Halbleitergeschäft und hat daher systemische Bedeutung für die Weltwirtschaft. Der wichtigste Handelspartner Taiwans ist nach China die USA, gefolgt von Hongkong, Japan und Singapur. Exporte – insbesondere von Halbleitern und anderen Elektronikprodukten – machen rund 70 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung aus.

Allerdings könnte dieser Wert deutlich höher liegen. Denn von internationalen Handelsinitiativen wird Taiwan meist ausgeschlossen. Als etwa US-Präsident Joe Biden kurz im Frühjahr 2022 sein „Indo-Pacific Economic Framework“ präsentierte, mit dem er diverse Länder im Indopazifik an ein regelbasiertes, multilaterales Handels- und Sicherheitsregime binden wollte, wurde Taiwan davon nicht berücksichtigt. Der Grund hierfür war ganz offensichtlich Politik: Denn wäre Taiwan berücksichtigt worden, hätten die USA für viel Wut in China gesorgt, der zweitgrößten Volkswirtschaft.

Taiwan war bis Ende der 70er-Jahre international weitgehend anerkannt

Ein Meilenstein für Taiwan ist dieser Pakt auch deshalb, weil die autonom regierte Insel damit de facto einen etwas stärkeren Stand auf internationaler Bühne erhält. Seit Ende des Chinesischen Bürgerkriegs im Jahr 1949, als die gegen die Kommunisten unterlegenen Nationalisten auf die Insel Taiwan geflohen und dort ihren eigenen Staat gegründet hatten, besteht ein Streit darüber, wer das rechtmäßige China sei: Die seither von Peking aus regierte Volksrepublik oder die in Taipeh ansässige Republik China.

Nach 1949 war zunächst die Republik China (Taiwan) von der internationalen Gemeinschaft weitgehend als legitimes China anerkannt, hatte auch den Sitz im UN-Sicherheitsrat inne. Als gegen Ende der 1970er Jahre aber die USA überraschend beschlossen, fortan Peking als Hauptstadt Chinas anzuerkennen, wurde Taiwan Schritt für Schritt von der Weltbühne verdrängt. Denn diverse weitere Staaten folgten den USA in den nächsten Jahren.

Politisch fast komplett im Abseits

Für Taiwan hatte dies auch deshalb schwerwiegende Folgen, weil sich Taiwan und Festlandchina zwar einig waren, es gebe nur ein rechtmäßiges China, sich aber darüber stritten, wer dies sei. Dieses „Ein-China-Prinzip“ erhielt praktisch internationale Gültigkeit, womit die Republik China (Taiwan) mittlerweile für die meisten Staaten der Welt offiziell nicht existiert: Das Land, das seit den 1980er Jahren eine Demokratie ist und autonom regiert wird, ist von kaum einem Staat der Welt noch offiziell anerkannt.

Und indem Festlandchina mit seiner Bevölkerung von gegenwärtig rund 60-mal so vielen Menschen wie Taiwan das wesentlich größere Marktpotenzial bietet, wagt auch kaum ein Staat, Taiwan noch offiziell zu legitimieren. Dies würde schließlich die Kommunistische Partei Chinas in Peking reizen, die ohnehin immer wieder damit droht, Taiwan notfalls unter Zwang einzunehmen. Taiwan ist daher kein UN-Mitglied und zählt ebenso wenig zu den meisten anderen internationalen Organisationen. In Taipeh befinden sich kaum Botschaften, nur wirtschaftspolitisch ausgerichtete Länderrepräsentanzen.

Wirtschaftskraft als Existenzabsicherung

Die wirtschaftspolitische Dimension der Staatlichkeit dient Taiwan allerdings als Existenzabsicherung. Einerseits versucht sich die Regierung in Taipeh seit Jahren darin, Taiwan als Teil der Weltwirtschaft unentbehrlich zu machen. Das gelingt unter anderem durch den konkurrenzlosen Produktionssektor für Halbleiter – wenngleich mehrere westliche Staaten inmitten der Chipengpässe der vergangenen zwei Jahre dazu gedrängt haben, dass auch in Europa, den USA und Japan Fabriken gebaut werden. Auf großen Druck plant der Branchenprimus TSMC nun auch in Dresden eine Produktionsstätte.

Ein weiterer Teil der ökonomischen Überlebensstrategie ist aber eine sektorübergreifende Integration Taiwans in den Welthandel. Denn je mehr sich andere Länder auf diverse Produkte auf Taiwan verlassen, desto stärker könnten sie sich im Ernstfall einer Invasion Chinas auch dazu veranlasst sehen, Taiwan zu verteidigen. Und dass Taiwan diese benötigen könnte, wurde dieser Tage wieder deutlich.

Volksrepublik raunt von einer „amerikanischen Falle“

Schon bevor die USA und Taiwan den ersten Teil ihres Handelsvertrages abgeschlossen hatten, kamen aus Peking harsche Reaktionen. Es wurde davor gewarnt, jeden möglichen Pakt zu unterschreiben, „der die Konnotation der Souveränität oder eine offizielle Natur von Chinas Region Taiwan“ habe. Die von der Kommunistischen Partei Chinas kontrollierte Zeitung Global Times prognostiziert zudem, dass Taiwans Halbleiterindustrie mit dem Deal in eine US-amerikanische Falle tappen werde, indem sie künftig verstärkt im Ausland investieren müsse – was den Standort Taiwan letztlich schwächen werde.