Wie Alzheimer entsteht, ist bis heute nicht ganz entschlüsselt. Foto: imago/Zoonar/Berit Kessler

Alzheimer gilt im alltäglichen Umgang mit Betroffenen als nicht ansteckend. Anders könnte es jedoch aussehen, wenn Alzheimer-Proteine direkt ins Gehirn gelangen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Demenzform dann doch übertragbar sein. Eine neue Studie könnte auch die Demenz-Forschung voranbringen.

Eine Alzheimer-Diagnose ist niederschmetternd – für Patienten wie Angehörige. Schließlich geht mit dem zunehmenden Verlust der geistigen Fähigkeiten eine rapide Abnahme der Lebensqualität einher. Die genauen Ursachen von Alzheimer sowie die Mechanismen der Krankheit sind noch nicht entschlüsselt, Heilungsmöglichkeiten gibt es somit bisher nicht. Klar ist hingegen: Immer mehr Menschen sind von Demenz betroffen. Schätzungen zufolge in Deutschland rund 1,6 Millionen.

Bisher waren nur die sporadische oder genetische Entstehung der Krankheit bekannt. In einer britischen Studie haben Wissenschaftler nun aber festgestellt, dass Alzheimer womöglich unter Menschen übertragen werden und viele Jahre später als Krankheit auftreten kann – allerdings nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen. Ein Risiko im Alltag bestehe nicht. Ihre Ergebnisse veröffentlichen sie im Fachjournal „Nature Medicine“.


Weitere Alzheimer-Studien nötig

„Dies ist eine wichtige Pilotstudie“, so die Einschätzung von Michael Beekes, dem Leiter der Forschungsgruppe Prionen und Prionoide am Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin. „Die Schlussfolgerungen der Studie beruhen allerdings auf lediglich fünf Patienten, die drei bis vier Jahrzehnte nach der Behandlung mit Wachstumshormonen eine Demenz entwickelt haben.“ Von einer Alzheimer-Übertragung zu sprechen, hält Beekes somit für verfrüht. Weitere Studien seien erforderlich.

Als typisch für Alzheimer gilt die Ablagerung von fehlgefalteten Proteinen im Gehirn. Diese so genannten Beta-Amyloid-Plaques tragen gängiger Theorie nach schleichend zum Absterben der Gehirnzellen bei und gelten daher als Vorzeichen der Demenzerkrankung. Prinzipiell geht man zwar davon aus, dass weder diese Plaques noch Alzheimer selbst ansteckend sind. Für Angehörige von Betroffenen und Pflegepersonal besteht somit keine Gefahr. Unter bestimmten Umständen kann es sich jedoch anders verhalten.

Eine Heilung für Alzheimer gibt es nicht, noch nicht. Studien zeigen allerdings: Man kann dem Vergessen bis zu einem gewissen Grad auch selbst entgegenwirken. Sport und Bewegung etwa kann die Wahrscheinlichkeit verringern, an einer Demenz zu erkranken. Foto: dpa/Andreas Arnold

Schon frühere Studie legte Zusammenhang nahe

Die nun vorgelegte britische Studie basiert auf einer Analyse von acht Patientinnen und Patienten, die in ihrer Kindheit Wachstumshormone erhalten hatten. Diese Hormone waren aus Hirngewebe von Verstorbenen gewonnen worden, eine Praxis, die von 1959 bis 1985 weltweit üblich war. In Großbritannien erhielten in diesem Zeitraum 1848 Personen diese Therapieform. Als 1985 bekannt wurde, dass einige der Behandelten auffällig früh die Creutzfeld-Jakob-Krankheit (CJD) entwickelten, wurde die Methode eingestellt.

Das Forschungsteam um John Collinge vom Institut für Prion Diseases in London hatte bereits in früheren Studien die 80 Fällen von CJD in Großbritannien untersucht. 2015 berichteten sie erstmals von Indizien für eine Übertragung von Alzheimer. In ihrer aktuellen Studie berichten Collinge und sein Team nun von acht Personen, die in der Vergangenheit Wachstumshormone erhalten hatten, aber nicht an CJD erkrankt sind.

Wie so oft ist auch eine gesunde Ernährung wichtig. Übergewicht gilt als ein Risikofaktor für Demenz. Nüsse, Haferflocken und Beeren gehören zum sogenannten Brainfood. Foto: imago//imageBroker/Firn

Fünf dieser Patientinnen und Patienten wiesen im Alter von 38 bis 55 Jahren allerdings Symptome auf, die mit einer früh einsetzenden Demenz übereinstimmen und diagnostische Kriterien für Alzheimer erfüllen. Blutuntersuchungen bestätigten bei zwei Personen die Alzheimerdiagnose. Eine der übrigen drei Personen zeigte Symptome einer leichten kognitive Beeinträchtigung. Eine andere Person hatte subjektive kognitive Symptome, die dritte war symptomlos. Während des Untersuchungszeitraum verstarben drei der acht Personen. Im Gehirn einer dieser Personen wurden klare Anzeichen für eine Alzheimererkrankung gefunden.

Wer schlecht hört, sollte sich behandeln lassen. Denn Schwerhörigkeit gehört zu den stärksten Risikofaktoren, eine Demenz zu entwickeln. Foto: imago/HalfPoint Images

Wichtige Hinweise für Alzheimer und Demenz

Den Forschern zufolge sprechen die Ergebnisse dafür, dass Alzheimer auch aufgrund einer medizinischen Maßnahme übertragen werden kann. Dies nennt man eine iatrogene Übertragung. Welche Ansteckungswege sind also denkbar? Und könnten die Studienergebnisse auch zum Verständnis der Krankheitsentstehung beitragen?

In Studien wurde festgestellt, dass Alzheimer bei starken Rauchern 2,3 Jahre früher auftritt als bei Menschen, die nicht oder nicht häufig rauchen. Ähnliches gilt für Alkoholkonsum. Foto: dpa/Armin Weigel
Umweltfaktoren, etwa Feinstaub aus Autoabgasen, können laut Forschern ebenfalls Auswirkungen auf die Wahrscheinlichkeit einer Demenzerkrankung haben. Foto: imago/Elmar Gubisch
Auch Menschen mit Depressionen, Schlafmangel und Mangel an sozialen Kontakten haben ein erhöhtes Risiko. Foto: dpa/Fabian Sommer

„Theoretisch wäre eine Übertragung etwa durch die Transplantation kontaminierter harter Hirnhaut oder über kontaminierte und unzureichend aufbereitete neurochirurgische Instrumente vorstellbar“, so Michael Beekes vom RKI.

Susan Kohlhaas, Forschungsdirektorin bei Alzheimer’s Research UK, hebt unterdessen hervor, dass die Hormontherapie seit Jahrzehnten nicht mehr praktiziert werde, dass im Umgang mit medizinischen Gerät höchste Hygienevorschriften gelten und auch eingehalten würden – und dass die nun beschriebene Übertragungsmöglichkeit der bisher einzige Fall einer Ansteckung zwischen Mensch und Mensch sei.

Positiv bewertet sie, „dass diese Studie uns neue Erkenntnisse darüber gibt, wie Amyloid-Fragmente sich im Gehirn verbreiten können.“ Dies könne Hinweise darauf geben, welche Mechanismen bei der Erkrankung am Werk sind. „Letztlich kann uns die Studie Hinweise auf künftige Behandlungstherapien ermöglichen“, so das Fazit von Kohlhaas.