Wie Alzheimer genau entsteht, ist noch immer unklar. Foto: Imago/Westend61//Gary Waters

Um es gleich zu sagen: Im alltäglichen Kontakt sind Menschen mit Alzheimer nicht ansteckend. Eine Übertragung im üblichen Sinn, etwa wie bei einer Erkältung oder einer Grippe, findet nicht statt. Kürzlich hatte eine Studie des University College London allerdings nahegelegt, dass es unter bestimmten, sehr außergewöhnlichen Bedingungen bei Eingriffen im Gehirn trotzdem zu einer Übertragung der furchtbaren Krankheit gekommen sein könnte.

Nun haben Forscher aus Kanada nachgelegt: In einer weiteren Studie, die sie im Fachjournal „Stem Cell Reports“ veröffentlicht haben, haben sie die Übertragung von Alzheimer durch Knochenmarkspenden bei Mäusen untersucht.


Alzheimer-Forscher: Zweifel an klinischer Relevanz

Die Experimente suggerierten, dass Alzheimer in sehr seltenen Fällen auch dabei übertragen werden könnte – zumindest im Mausmodell, so die Wissenschaftler. Viele andere Forscher bezweifeln aber die klinische Relevanz der neuen Studie und sehen derzeit keine stichhaltigen Belege. Einen Anlass für erweiterte Kontrollen von Spenderproben sehen sie nicht .

„Bei der Studie handelt es sich um ein interessantes Tiermodell der Stammzelltransplantation. Die vorliegenden Ergebnisse und vor allem die Schlussfolgerungen scheinen jedoch vorläufig und nicht schlüssig zu sein“, fasst Mathias Jucker, Professor am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in Tübingen und Leiter der Abteilung Zellbiologie neurologischer Erkrankungen am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung, die Ergebnisse aus Kanada zusammen.

Familiäres Alzheimer ist sehr selten

Die Forschenden hatten sich auf eine bestimmte, sehr selten auftretende Form von familiärem Alzheimer konzentriert. Dabei handelt es sich um eine genetische Veranlagung, bei der Betroffene eine mutierte Version eines von drei bekannten Risiko-Genen tragen: Amyloid precursor protein (APP), Presenilin-1 (PS1) oder Presenilin-2 (PS2). Diese führen zu einer erhöhten Produktion von Amyloid-ß-Peptiden und einem meist früheren Krankheitsbeginn. Etwa ein Prozent aller Alzheimer-Erkrankungen lassen sich geschätzt auf familiären Alzheimer zurückzuführen.

Die Forschenden, die ihre Ergebnisse im Fachjournal „Stem Cell Reports“ veröffentlichten, untersuchten Mäuse, die ein mutiertes menschliches Amyloid-Vorläuferprotein (APP) tragen. Sie entnahmen ihnen Knochenmarkzellen und transplantierten diese in Wildtyp-Mäuse oder Mäuse, die gar kein APP-Gen haben. Die Empfängertiere zeigten laut der Studie innerhalb von sechs bis neun Monaten Merkmale von Alzheimer, etwa kognitive Beeinträchtigungen. Die Autoren schlussfolgern daraus, dass eine Stammzelltransplantation Krankheiten des zentralen Nervensystems auf gesunde Empfänger übertragen kann. Eine Ansicht, der viele andere Wissenschaftler widersprechen.

Alzheimer-Symptome

  • Zunächst nur gestörtes Kurzzeitgedächtnis
  • Beeinträchtigte Merkfähigkeit
  • Sprach- und Konzentrationsschwierigkeiten
  • Verringertes Auffassungs- und Denkvermögen
  • Mangelnde Orientierung bzw. räumliches Sehen
  • Gestörte Motorik (Knöpfe etc.)
  • Gleichgewichtsstörungen
  • Halluzinationen (eingebildete Dinge, die nie passiert sind)
  • Persönlichkeitsveränderungen
  • Frustrationen und Aggressivität
  • Verlust Langzeitgedächtnis
  • Keine Erinnerung mehr an enge Verwandte und Freunde
  • Neuer Alzheimer-Test per Smartphone (Link)

Knochenmark und Alzheimer-Forschung

„Prinzipiell ist das Mausmodell in der Studie solide gemacht“, lautet die Einschätzung von Thomas Schroeder, Bereichsleiter der Stammzelltransplantation in der Klinik für Hämatologie und Stammzelltransplantation am Westdeutschen Tumorzentrum am Universitätsklinikum Essen. Das Paper sei letztlich für die weitere Alzheimerforschung interessant, da es zeige, dass „nicht nur Hirn-interne Prozesse bei der Krankheit eine Rolle spielen, sondern dass auch von extern in das Hirn eingebrachte Faktoren die Entstehung von Alzheimer begünstigen können“.

Für die Stammzelltransplantation spiele diese Beobachtung allerdings eher keine Rolle. Schon allein deshalb, weil die familiäre Form des Alzheimers extrem selten sei – und daher für den Alltag der Knochenmarks-Transplantation eher irrelevant. „Die Forderung der Autoren und Autorinnen, dass Spenderproben vor Gewebe-, Organ- oder Stammzelltransplantationen sowie vor Bluttransfusionen mittels Genomsequenzierung untersucht werden sollten halte ich daher für nicht angebracht“, so Schroeder. Im Gegenteil: „Solche aus meiner Sicht nicht aus der Studie ableitbare Forderungen könnten dazu führen, dass Spender abschreckt und Empfänger von lebenswichtigen Therapien verunsichert werden.“

Auch Tara Spires-Jones vom britischen Dementia Research Institute kritisierte, dass die Studie auf einen einzigen Versuch an einer sehr kleinen Zahl von Mäusen basiere: „Die Schlussfolgerung, die Mäuse hätten Alzheimer entwickelt, wird durch diese Daten nicht belegt“, so die Wissenschaftlerin.