Die größte und älteste der Pyramiden von Gizeh (Mitte), wurde als Grabmal für den Pharao Cheops gebaut. Rechts im Bild sind die Pyramide des Chephren und links die des Menkaure zu sehen. Foto: © Fareed Kotb/​dpa

Ganz Gizeh ist von den Archäologen erforscht. Ganz Gizeh? Nein! Eine freie Fläche inmitten des Westfriedhofs bei der Cheops-Pyramide ist noch unerforscht. Hier haben Ausgräber nun mittels Bodenradar möglicherweise ein bisher unbekanntes Grab entdeckt.

Die Spatenforschung ist immer wieder für Überraschungen gut. Das beweist ein neuer Fund bei den Pyramiden von Gizeh, über den Motoyuki Sato von der Tohoku Universität in Japan und seine Kollegen in der Fachzeitschrift „Archaeological Prospection“ berichten.

Zyklopische Bauwerke für Ägyptens Gottkönige

Die Grabmäler von Gizeh wurden vor mehr als 4500 Jahren für die ägyptischen Pharaonen Cheops, Chephren und Menkaure errichtet. Die zyklopischen Bauten sind umgeben von einer Totenstadt, die möglicherweise ein noch unbekanntes Grab verbirgt. In unmittelbarer Nähe westlich der Cheops-Pyramide haben Archäologen nämlich eine L-förmige "Anomalie" im Untergrund entdeckt.

Die zyklopischen Bauten sind umgeben von einer Totenstadt, zu der auch die Große Sphinx gehört. Die 20 Meter hohe und 73,5 Meter lange Sphinx von Gizeh (Mitte) wurde am Westufer des Nils aus einer monolithischen Kalksteinstruktur gehauen. Foto: Imago/Pond5 Images
Die nun entdeckten vermuteten Strukturen (grün-blau markierte Fläche) liegen unter einem unverbauten Areal an der südlichen Mauer des Friedhofs . Foto: © Sato et al./Archaeological Prospection/CC-by-nc-nd/4.0
Die jetzt entdeckte Baustruktur (rotes Rechteck) besteht laut Bodenradar aus senkrechten Wänden und Hohlräumen. Foto: © Sato et al./Archaeological Prospection/CC-by-nc-nd/4.0

Die bisher unbekannte Formation unter einer sandigen Freifläche des Westfriedhofs von Gizeh und beginnt rund zwei Meter unter der Erdoberfläche. Dem Bodenradar nach besteht sie aus senkrechten Wänden oder Hohlräumen. Nach Meinung des Ausgrabungsteams könnte es sich um den zugeschütteten Eingang eines unterirdischen Kammergrabs handeln.

Nekropole von Gizeh: Pyramiden und Mastabas

Um die Pyramiden herum ließen die ägyptischen Könige mehrere Friedhöfe mit Grabanlagen – sogenannte Mastabas – für Angehörige, hohe Würdenträger und Beamte ihres Reichs anlegen. Mastabas waren eine Art Pyramidenstumpf aus Lehmziegeln, der die in den harten Untergrund getriebenen Grabkammern und ihren senkrechten Zugangsschacht überdeckten.

Allein auf dem rund 560 mal 370 Meter großen Westfriedhof befinden sich mehrere hundert in Nord-Südrichtung ausgerichtete Mastabas.

Was verbirgt sich unter der freien Fläche inmitten des Westfriedhofs?

Das 80 mal 110 Meter große Areal ist grün/blau markiert. Foto: © Sato et al./Archaeological Prospection/CC-by-nc-nd/4.0
Hier noch einmal in einer rechteckigen Markierung. Foto: © Sato et al./Archaeological Prospection/CC-by-nc-nd/4.0
Plan des 560 mal 370 Meter großen Westfriedhofs von Gizeh. Foto: © Sato et al./Archaeological Prospection/CC-by-nc-nd/4.0

„In der Mitte des Westfriedhofs gibt es eine freie Fläche ohne oberirdische Bauten“, schreiben Motoyuki Sato von der Tohoku Universität in Japan und seine Kollegen. Dieses 80 mal 110 Meter große Areal scheint leer zu sein. „ Bisher wurden dort keine Untergrund-Erkundungen durchgeführt. Das hatten die Archäologen in den Jahren 2021 und 2022 nachgeholt. Sie kartierten den sandigen Untergrund mit Hilfe von Bodenradar und Leitfähigkeitsmessungen.

Schon bei den ersten vorläufigen Untersuchungen mit dem Bodenradar wurden Sato und sein Team fündig. „In diesen Aufnahmen ist eine große Anomalie am Nordende des Untersuchungsgebiets zu sehen“, berichten die Spatenforscher. Auch in den Leitfähigkeitsmessungen trat an dieser Stelle ein unter der Erde liegende Struktur mit erhöhter Leitfähigkeit auf.

Allerdings reichte die Auflösung zunächst nicht aus, um Näheres festzustellen. Deshalb wiederholte das Team die Radaruntersuchung mit einer hochauflösenden Methode, die auch wenige Zentimeter kleine Strukturen ausmachen kann.

L-förmige Struktur im Untergrund: ein unbekanntes Grab?

Die Freifläche innerhalb des Mastaba-Gräberfeldes ist deutlich zu erkennen (blaue Schraffierung). Foto: © Sato et al./Archaeological Prospection/CC-by-nc-nd / /4.0
„In der Mitte dieser Anomalie gibt es wenig Reflexionen, was bedeuten könnte, dass das Innere mit homogenem Sand aufgefüllt wurde“, schreiben die Archäologen. Foto: © Sato et al./Archaeological Prospection/CC-by-nc-nd / /4.0
Den Ergebnissen des Bodenradars nach könnte diese Struktur (rotes Rechteck) menschengemacht sein. Foto: © Sato et al./Archaeological Prospection/CC-by-nc-nd/4.0

Die neuen Aufnahmen enthüllten eine große, L-förmige Struktur im Untergrund. Diese liegt rund zwei Meter unter der Erde und ist mindestens 10 mal 15 Meter groß. Dem Radar-Reflexionsmuster zufolge bestehen die Arme dieses L aus einer dünnen, senkrecht in den Boden führenden Struktur. „In der Mitte dieser Anomalie gibt es dagegen wenig Reflexionen, was bedeuten könnte, dass das Innere mit homogenem Sand aufgefüllt wurde“, berichten die Archäologen.

Senkrechte Kalksteinmauern oder Schächte einer Grabanlage

Nach Meinung von Motoyuki Sato könnte sich unter der Freifläche eine noch unentdeckte Grabanlage verbergen. „Dieses Areal ist von Mastabas umgeben, die meist aus Kalksteinblöcken erbaut sind. Den Reflexionen des Bodenradars nach könnte auch diese Struktur menschengemacht sein“, schreiben die Archäologen. „Wir schließen aus den Resultaten, dass die Anomalien von senkrechten Kalksteinmauern oder den Schächten einer Grabanlage herrühren.“

Warum allerdings nur eine L-Form und kein vollständiges Rechteck, wie für einen Schacht oder eine Mastaba typisch ist, gefunden wurde und wie tief die Baustruktur reicht, ist noch offen. Weitere Untersuchungen werden nun folgen, um das Geheimnis der freien Fläche auf dem Westfriedhof von Gizeh der Vergessenheit zu entreißen.