Sommerurlaub am Mittelmeer? Experten glauben, das hat keine Zukunft. Foto: dpa/Cabalar

Hat Italien als Urlaubsland noch eine Zukunft? Der deutsche Gesundheitsminister sagt nein. Die Reaktion aus Italien erfolgt prompt. Hat Karl Lauterbach mit seiner Prognose recht?

Zugegeben, Einfühlsamsein geht anders. Aus Bologna twitterte der Gesundheitsminister Karl Lauterbach jüngst: „Die Hitzewelle ist spektakulär hier. Wenn es so weitergeht, werden diese Urlaubsziele langfristig keine Zukunft haben. Der Klimawandel zerstört den Süden Europas.“

Das Echo erfolgte, wie zu erwarten war. Italiens Tourismusministerin Daniela Santanchè ließ wissen: Italien sei sich des Klimawandels bewusst, der nicht nur Südeuropa, sondern den gesamten Planeten betreffe. „Wir sind uns sicher, dass die Deutschen den Italienurlaub immer weiter schätzen werden“, sagte Santanchè. Doch was, wenn Lauterbach recht hat?

Laut Nasa ist der Juli der wohl heißeste Monat seit Jahrhunderten. 2023 könnte demnach das heißeste Jahr werden. Blick nach Europa: Brände, Dürre, Unwetter – ob Italien, Spanien oder Griechenland, die Mittelmeerländer machten schon einmal hübschere Schlagzeilen.

Es sind keine Phänomene dieses Sommers 2023, bereits in den Vorjahren hatten die Mittelmeerländer klimabedingt zu kämpfen. Der Weltklimarat (IPCC) bezeichnete den Mittelmeerraum als „Hotspot des Klimawandels“. Die zeitweise wegen Hitze geschlossene Akropolis in Athen lässt grüßen. Machen wir in Zukunft wirklich noch Sommerurlaub im Süden?

Badeurlaub am Mittelmeer als auslaufendes Modell?

„Der klassische Badeurlaub am Mittelmeer dürfte mittelfristig an Bedeutung verlieren“, sagt Andreas Kagermeier, emeritierter Professor für Freizeit- und Tourismusgeografie an der Uni Trier. „Das gilt wohl auch für den Städtetourismus im Sommer.“ Und das hat seiner Einschätzung nach nicht allein damit zu tun, dass die Hitze steigt. „Auch die Wasserverfügbarkeit auf der Angebotsseite dürfte eine Rolle spielen“, sagt er.

Der Pegel des Gardasees sinkt, Rom kocht, in Norditalien kommt es zu verheerenden Überschwemmungen mit Erdrutschen. Ist das noch das Land, in dem die Zitronen blühen? Der Sehnsuchtsort der Deutschen? Laut Statistik hat sich daran nichts geändert. 2022 war Italien wieder eines der liebsten Urlaubsziele. Daten der European Travel Commission zeigten hingegen, dass die Zahl der Menschen, die von Juni bis November nach Südeuropa reisen möchten, im Vergleich zum Vorjahr, als Hitze zu Dürren und Waldbränden führte, schon um zehn Prozent gesunken sei.

Massentourismus als Mitverursacher

Elisabeth Sommerlad hält Lauterbachs Einschätzung durchaus für realistisch, nicht nur Italien betreffend. Das größte Problem sei allerdings nicht, ob die Mittelmeerländer in den Sommermonaten noch attraktive Reiseziele seien, sagt die Vertretungsprofessorin für Freizeit- und Tourismusgeografie an der Uni Trier. Wenn in der Zukunft im Juli und August niemand mehr Urlaub in Italien machen könne, sei die viel wichtigere Frage: „Ist diese Region überhaupt noch bewohnbar?“ Wichtig sei auf jeden Fall eines: „Wir müssen Tourismus anders denken.“ Der Massentourismus, der sich in den vergangenen Jahrzehnten etabliert hat, habe keine Zukunft. Die Art, wie wir reisen, sei Mitverursacher der Klimakrise.

Bisher sei zu beobachten, sagt Sommerlad, dass sowohl Touristen als auch Tourismusregionen „an Wegen festhalten, die bisher gut funktioniert haben“. Das stelle sie kritisch infrage. Ende vergangenen Jahres hatte das italienische Umweltministerium allerdings gewarnt: Sollte die Durchschnittstemperatur um zwei Grad ansteigen, könnten rund 15 Prozent weniger ausländische Touristen nach Italien kommen. Das wäre eine Einbuße von rund 17 Milliarden Euro. Sollte die Durchschnittstemperatur um vier Grad ansteigen, drohten gar Einbußen von 52 Milliarden Euro.