Ab dem 12. Mai bleiben die S-Bahnen stehen zwischen Waiblingen und Bad Cannstatt. Foto: 7aktuell.de// A. W.

Kann oder will die Deutsche Bahn nicht? Auch drei Wochen vor der Sperrung der Strecke zwischen Bad Cannstatt und Waiblingen hat sie kein konkretes Konzept vorgelegt. Viele Fragen bleiben offen.

Ab diesem Wochenende startet die erste Phase der bis zum 29. Juli dauernden Streckensperrung der Bahngleise zwischen Waiblingen und Bad Cannstatt aufgrund von Bauarbeiten. Doch nach wie vor tappen die Kunden, aber auch Kommunen im Dunkeln, wenn ab dem 12. Mai die Strecke komplett gesperrt wird. Denn auch knapp drei Wochen zuvor hat die Deutsche Bahn immer noch keine konkreten Aussagen über den Ersatzverkehr getroffen.

Bahn plant immer noch genaue Routen der Ersatzbusse

Einen ersten Vorgeschmack gab es mit dem Streik der Zugführer am Freitag. Zwar blieb das große Chaos auf den Straßen aus. Dennoch mussten sich viele Pendler einen Alternativweg suchen. Noch bis zum 12. Mai fahren die S-Bahnlinien 1, 2 und 3 in den Hauptverkehrszeiten statt alle 15 nur alle 30 Minuten. Der Regionalverkehr aus Aalen endet in Waiblingen, der aus Richtung Schwäbisch Hall wird von Backnang aus über Marbach und Ludwigsburg nach Stuttgart umgeleitet. Als zusätzliches Angebot verkehrt stündlich ein Bus zwischen Waiblingen und Bad Cannstatt.

Aber was geschieht dann ab dem 13. Mai, wenn die Strecke zwischen Waiblingen und Bad Cannstatt komplett gesperrt werden muss? Dazu hat sich die Deutsche Bahn bislang immer noch nicht geäußert. Die Kritik an der mangelnden Informationspolitik des Unternehmens wächst aufseiten der Kunden, aber auch der Kommunen.

Bis zu 5000 Pendler in der Stunde

Angesichts der puren Masse scheint sich die Deutsche Bahn mit einem adäquaten Ersatzkonzept nach wie vor schwer zu tun. Betroffen sind immerhin täglich 60 000 Pendler – bis zu 5000 in der Stunde in der Hauptverkehrszeit. Klar ist bislang der Einsatz von 80 Gelenkbussen als Schienersatzverkehr zwischen Waiblingen und Bad Cannstatt sowie den einzelnen Haltestellen. Die exakte Route hingegen scheint noch nicht festgelegt zu sein. „Wir befinden uns noch in der Abstimmung mit den Kommunen“, sagt eine Bahnsprecherin.

Darüber macht sich auch die Linke-Fraktionsgemeinschaft im Stuttgarter Gemeinderat in einem Antrag an die Stadt ihre Gedanken. Insbesondere soll die Frage geklärt werden, ob eine eigene Busspur für den Ersatzverkehr – zum Beispiel in der Nürnberger Straße – eingerichtet werden soll. Aus der Sicht der Linken droht ein Chaos auf den Straßen, wenn erwartungsgemäß viele Pendler auf den eigenen PKW umsteigen. Staus könnten die Stadt zum Erliegen bringen. Zudem soll die Frage geklärt werden, ob die Stadt in die Planungen der Bahn einbezogen wurde. Und nicht zuletzt macht man sich auch Gedanken darüber, wie generell die Gäste zum Stuttgarter Frühlingsfest kommen sollen und ob ein Spezialplan besteht, wenn zusätzlich große Veranstaltungen drohen.

Kein Sonderfahrplan während des Frühlingsfests

Unter anderem ist dies am 3. Mai der Fall. Neben dem Stuttgarter Frühlingsfest findet an diesem Abend auch das Heimspiel des VfB Stuttgart in der Mercedes-Benz-Arena im DFB-Pokal-Halbfinale gegen Eintracht Frankfurt statt, gastiert Schlagerkönigin Helene Fischer in der Schleyerhalle und tritt der Handball-Bundesligist TVB Stuttgart im Heimspiel gegen die Füchse Berlin in der Porsche-Arena an – mit zusätzlichen 70 000 Besuchern ist daher am Cannstatter Neckarpark zu rechnen. „Die S-Bahnen verkehren zu dieser Uhrzeit im üblichen Halbstundentakt“, sieht eine Bahnsprecherin keinen weiteren Handlungsbedarf.

Ähnlich verhält es sich auch generell während des gesamten Frühlingsfestes. Der sonst übliche Sonderfahrplan, um die Festbesucher auch zu späterer Stunde im 15-Minuten-Takt nach Hause zu bringen, ist außer Kraft gesetzt. Ob sich die Wasenbesucher daher auf den Bahnsteigen in Bad Cannstatt stapeln werden, bleibt abzuwarten. Der „sonst üblich beworbene Umstieg auf Bus und Bahn entfällt“, beklagt Matthias Lieb, der Landesvorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland (VCD). Wieder einmal werde der Fahrgast vergessen – und das völlig ohne Not.

VCD: Neue Signaltechnik auch in den Lokomotiven möglich

Denn die von der Bahn als unumstößlich bezeichnete Streckensperrung für die Verlegung von neuen Kabeln für die neue Signaltechnik (ECTS) ist aus seiner Sicht unnötig. „Tatsächlich liegt der Grund der Sperrungen im Versäumnis von Bund und DB AG“, sagt Lieb. Bereits vor fünf Jahren hatte eine externe Beratungsfirma von einer Doppelbelegung an den Strecken mit alter und neuer Signaltechnik abgeraten. Vielmehr sollten vorab die Lokomotiven mit neuer Technik – sogenannten On-Board-Units – ausgerüstet werden. Zu dem notwendigen Förderprogramm sei der Bund aber nicht bereit gewesen. Selbst in DB-Kreisen werde diese Doppelausrüstung kritisch gesehen. Und nach wie vor vermeidbar.

Sollte der Bund kurzfristig ein Förderprogramm für die Umrüstung der Güterzugloks auflegen, könnte man nach Angaben der DB den Großteil der Verkabelung und damit auch einen Großteil der Streckensperrungen vermeiden, berichtet der VCD und beklagt: „Anstatt Aufwand, Zeit und Kosten zu sparen, müssten in den nächsten Monaten die Fahrgäste unter den vermeidbaren Sperrungen leiden.“