Ralf Thomas ist Chef der Integrierten Verkehrsleitzentrale der Stadt und behält das Verkehrsgeschehen im Auge. Foto: Lg/F. Iannone

Seit den frühen Morgenstunden bestreikt die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft den Schienenverkehr. Auf Stuttgarts Straßen bleibt es trotzdem ruhig. Sorgen macht den städtischen Verkehrslenkern allerdings die nahe Zukunft.

Das große Chaos auf Stuttgarts Straßen ist ausgeblieben. Auch wenn wegen des Streikaufrufs der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) am Freitagmorgen im Fern- und Regionalverkehr auf der Schiene nicht mehr viel ging, blieb es auf den Straßen der ehemaligen Stauhauptstadt ruhig. In der Integrierten Verkehrsleitzentrale (IVLZ) der Stadt Stuttgart herrschte an diesem Freitagmorgen ruhige Routine.

Verkehr wie an einem gewöhnlichen Wochentag

Der Verkehr an diesem Freitag entspreche in etwa dem Aufkommen eines normalen Werktags. „Normalerweise ist an einem Freitag weniger los als von Montag bis Donnerstag. Das ist aber auch schon der einzige Unterschied“, sagt Ralf Thomas, Leiter der städtischen IVLZ. Von ihrem Standort in Bad Cannstatt aus behalten die Mitarbeiter der Leitzentrale das Verkehrsgeschehen in Stuttgart im Auge. Selbst als es am Freitagmorgen kurz nach sieben am Portal des Rosensteintunnels kracht und sich einige Minuten später auf der Heilbronner Straße ein Lastwagen und ein Auto ins Gehege kommen, bricht keine hektische Betriebsamkeit aus. Per Mausklick werden die Ampelphasen in der Nähe des Unfallorts so verändert, dass der sich aufstauende Verkehr keine Kreuzungen blockiert.

„Wir beschleunigen den Verkehr nicht, sondern sorgen dafür, dass er sich nach einer Störung so schnell wie möglich wieder normalisiert“, sagt Ralf Thomas in Richtung all jener, die die IVLZ mit Argwohn betrachten als eine Institution, die noch mehr und schnelleren Verkehr in der Stadt ermögliche. „Das ist nicht unsere Aufgabe.“

Vielzahl an Daten

Vier Menschen sitzen standardmäßig in dem Raum in Bad Cannstatt, dessen Stirnseite aus einer Vielzahl von Monitoren besteht. Ein Mitarbeiter gehört zur Verkehrsbehörde im Amt für öffentliche Ordnung, einer ist vom Tiefbauamt abgestellt und Polizei sowie Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) sind auch mit jeweils einem Mitarbeiter vertreten. 300 eigene Kameras der Stadt geben einen Überblick über die Lage auf den Straßen, dazu kommen noch Bilder von 200 SSB-Kameras. Zudem bedient sich die IVLZ bei einem Dienstleister, der sogenannte „floating car data“ zur Verfügung stellt. „Dafür wird auf Navi- und Mobilfunkdaten zurückgegriffen.“

Respekt vor den Bahnsperrungen

Die SSB gleichen zudem ständig die Positionen ihrer Stadtbahnen und Busse mit dem Fahrplan ab, was Rückschlüsse auf die Verkehrslage erlaube. Und schließlich und endlich sind 350 Messstellen im Stuttgarter Straßennetz verbaut und senden kontinuierlich ihre Werte. Diese breite Datenbasis ist notwendig. „Ehe wir eingreifen, müssen wir den Grund für die Störung ermitteln“, sagt Ralf Thomas. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass sich der Eingriff aus der IVLZ eher kontraproduktiv auswirkt.

Einen Grund, weswegen es demnächst eng werden könnte auf Stuttgarts Straßen, hat Ralf Thomas aber nicht aus dem Datenberg herausgelesen, sondern aus der Zeitung. Die von der Bahn angekündigten Bauarbeiten, die in den kommenden 14 Wochen Einschränkungen unterschiedlicher Intensität mit sich bringen werden, betrachtet man in der IVLZ mit Respekt. „Da müssen wir sehen, was auf uns zukommt“, sagt der IVLZ-Chef, der als Pendler aus dem Schwäbischen Wald womöglich selbst zu den Leidtragenden gehören wird.

Unterdessen sind die beiden Unfallstellen auf den Bundesstraßen im Stadtgebiet geräumt, es läuft für Stuttgarter Verhältnisse wieder flüssig – trotz Streik auf der Schiene. Dessen Folgen lassen sich zumindest auf den Bildschirmen der IVLZ nicht ablesen.