Zehntausende Menschen demonstrieren gegen den Rechtsextremismus und die AfD. DIW-Chef Fratzscher kritisiert: Den Vorständen einiger Unternehmen fehle der Mut, öffentlich Stellung zu beziehen.
Sollten sich deutsche Unternehmen öffentlich stärker gegen Rechtsextremismus positionieren? Der Handelsriese Edeka hat diese Frage für sich beantwortet. Das Unternehmen veröffentlichte in den sozialen Netzwerken ein Video mit dem Hinweis „Wir lieben Vielfalt und stehen auf gegen rechts“. In dem kurzen Film sieht man, wie verwunderte Kunden durch einen Supermarkt mit fast leeren Regalen laufen. „Stellen Sie sich einen Supermarkt vor, in dem es nur deutsche Produkte gibt“, steht in einem eingeblendeten Text. Das Video wurde vor ein paar Jahren zum ersten Mal veröffentlicht.
Führende Ökonomen rufen die Wirtschaft in Deutschland auf, sich das als Vorbild zu nehmen und sich öffentlich stärker gegen den Rechtsextremismus und die AfD zu positionieren. „Die Vorstände in den Unternehmen müssen jetzt Farbe bekennen gegen rechts und ihren Beschäftigten vor Augen halten: Eure Jobs sind in Gefahr, wenn die AfD sich durchsetzt. In einigen Unternehmen herrscht leider die Attitüde, die Politik müsste das alleine richten. Das ist falsch, das müssen wir alle gemeinsam“, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, der Deutschen Presse-Agentur.
Einige Unternehmen gingen zwar mit gutem Beispiel voran, anderen fehle jedoch der Mut, so Fratzscher. „Die Wirtschaft und Unternehmen wären die großen Verlierer einer AfD-Politik.“ Dann gingen Millionen Arbeitsplätze verloren. Ohne Beschäftigte aus dem Ausland werde sich der Fachkräftemangel erheblich verschärfen.
Offenheit statt Abschottung
Auch der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, warnte vor dem weiteren Erstarken des Rechtsextremismus und negativen Folgen für die Unternehmen: „Demokratie und Marktwirtschaft entsprangen historisch denselben Wurzeln am Beginn der europäischen Moderne vor über 200 Jahren, auf Dauer können sie auch nur gemeinsam gedeihen.“
Der Wirtschaftsforscher lobte die große Beteiligung an den Demonstrationen gegen rechts. „Es ist ein gutes Zeichen, dass in den vergangenen Tagen so viele Menschen für Demokratie und Vielfalt auf die Straße gegangen sind.“ Darauf habe die Weimarer Republik nicht bauen können. „Wir brauchen Offenheit statt Abschottung - auch ökonomisch“, so Hüther. Nur offene Grenzen sicherten den Wohlstand.
Bahnchef äußert sich auf LinkedIn
Weitere Unternehmen haben sich schon positioniert: Etwas kürzer fasst sich die Kölner Brauerei zur Malzmühle. Der Hersteller von Mühlen Kölsch postete im Netz eine Werbeanzeige. Vor grünem Hintergrund und neben einer Kölsch-Flasche prangt der Slogan „Braun sind bei uns nur die Flaschen“.
Bahn-Chef Richard Lutz schrieb auf dem Karriereportal LinkedIn: „Der Aufstieg der extremen Rechten stellt eine ernste Gefahr für unser Land dar. Sie gefährdet unsere Demokratie, vergiftet unsere Gesellschaft, lässt Hass und Hetze wieder salonfähig werden.“
Die Wirtschaft in Sachsen fürchtet angesichts der jüngsten AfD-Umfrageergebnisse einen Imageschaden für das Bundesland. „Wir müssen daran denken, dass wir auf die besten Köpfe weltweit angewiesen sind - sowohl in der Wissenschaft als auch in der Industrie und im Handwerk“, sagte Sylvia Pfefferkorn, die stellvertretende Sprecherin des Vereins Wirtschaft für ein weltoffenes Sachsen. Es werde zunehmend schwieriger, Menschen für Sachsen als Lebensort zu begeistern.
Der Verein sieht eine zentrale Rolle in den Führungsetagen: „Es ist wichtig, dass der Unternehmer eine Vorbildfunktion übernimmt, er muss in die Belegschaft strahlen“, so Pfefferkorn. Am 1. September ist Landtagswahl in Sachsen. Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage ist die AfD mit 34 Prozent stärkste Kraft.