Als vor einem Jahr der Krieg in der Ukraine ausgebrochen ist, wollte Julia Bauer aus Bonlanden helfen. Foto: Caroline Holowiecki

Julia Bauer aus Bonlanden hat eine Whatsapp-Gruppe für ukrainische Geflüchtete gegründet. Was klein angefangen hat, hat sich fast schon zum Teilzeitjob ausgewachsen. Für ihren ehrenamtlichen Einsatz wurde sie in besonderer Weise ausgezeichnet.

Julia Bauers Handy liegt ausnahmsweise nicht auf dem Tisch. Ihr Sohn hat es sich zum Spielen ausgeliehen. Für die Mama heißt das, dass kurzzeitig Ruhe ist. 30 bis 50 Whatsapp-Nachrichten kommen bei ihr normalerweise an. Pro Tag. „Es klingelt schon ziemlich oft“, sagt sie lächelnd. Es sind Nachrichten von Menschen aus ihrem Heimatland, der Ukraine. Als vor einem Jahr der Krieg ausgebrochen ist, hat Julia Bauer eilig eine Whatsapp-Gruppe für Geflüchtete ins Leben gerufen, die in Filderstadt angekommen sind. Das Ganze hat klein angefangen. Knapp 170 Mitglieder hat die Gruppe heute, und auch einen Telegram-Kanal mit etwa 100 Teilnehmern gibt es.

Was besprochen wird? Alltagsfragen rund um Filderstadt. Wie sind die Öffnungszeiten des Jobcenters? Wer kennt Kinderärzte? Wo gibt es gelbe Säcke? Auch menschelt es. „Alle haben Heimweh“, erklärt die 39-Jährige aus Bonlanden. Das alles kostet Zeit. Julia Bauer musste eine zweite Administratorin ins Boot holen, um alle Nachrichten zu beantworten. Die Frau mit den roten Locken arbeitet in Teilzeit als pharmazeutisch-technische Assistentin in einer Apotheke. Inklusive Flüchtlingshilfe komme sie auf den zeitlichen Aufwand einer Vollzeitstelle, denn die zweifache Mutter gehört auch zum ehrenamtlichen Dolmetscher- und Übersetzerpool der Stadt Filderstadt. Zudem begleitet sie Menschen bei Behördengängen. Die Bürokratie mache vielen Ukrainern zu schaffen. „Viele sagen, sie haben in ihrem Leben noch nie so viele Briefe bekommen.“

Die Bürgerstiftung Filderstadt hat jüngst zum vierten Mal die „Filderstädter des Jahres – Stille Helden“ ausgezeichnet; Menschen, die sich in besonderer Weise ehrenamtlich engagieren. Gewürdigt wurden Sung-Ok Lee-Marmull, die seit mehr als 35 Jahren in verschiedenen Bereichen fürs Gemeinwohl aktiv ist und unter anderem die Nachbarschaftshilfe in Sielmingen gegründet hat, und Robin Stäbler, der sich im Übungs- und Einsatzdienst bei der Feuerwehr in Bernhausen und auch beim evangelische Jugendwerk einbringt. Julia Bauer hat die Ehrung ebenfalls erhalten. Gerechnet hat sie damit nicht. Sie habe die Auszeichnung noch nicht mal gekannt. „Ich habe mich nicht als Megaheldin gesehen. Ich bin nicht die Einzige, die hilft“, sagt sie.

Dennoch: Die Anerkennung tue gut, wenngleich Julia Bauer betont, alles aus Überzeugung zu tun. Bereits 2014 habe sie Menschen im Donbas unterstützt, Kleiderspenden gesammelt und Hilfstransporte organisiert. Julia Bauer war ein Teenie, als ihre Familie 1997 aus der Ostukraine nach Deutschland kam, aus politischen Gründen und zum Zweck der Familienzusammenführung, erklärt sie. Heute haben viele Menschen nach der Flucht bei ihr eine erste Anlaufstelle in Deutschland gefunden.

Die Arbeit geht Julia Bauer nicht aus. Im Gegenteil. „Es wird mehr und mehr. Kaum sind die Krankenkassen-Anmeldungen fertig, kommen die Schulanmeldungen.“ Ein Ende des Krieges? Für die Bonländerin nicht absehbar. Sie zuckt mit den Achseln. „Niemand hat damit gerechnet im 21. Jahrhundert, ich auch nicht.“ Sie werde den Menschen aus ihrem Heimatland helfen, so lang es nötig sei. Sie erfahre sehr viel Dankbarkeit. „Das motiviert mich extrem.“