Ringen um Richter für das Verfassungsgericht des Landes Foto: dpa/Sina Schuldt

Die AfD hat einen Kandidaten für den Verfassungsgerichtshof nominiert. Der stößt bei den anderen Parteien auf Abneigung – sie arbeiten an einem alternativen Plan.

Die Politik ist im Verzug, wieder einmal. Eigentlich hätte der Landtag bis zum 5. April Zeit gehabt, um den Verfassungsgerichtshof des Landes wieder vollständig zu besetzen. Drei Monate Zeit lässt die Landesverfassung dem Parlament, nach dem ausscheiden eines Richters, die sind an jenem Datum abgelaufen, nachdem die Richterin Sabine Reger am 5. Januar überraschend gestorben ist. Noch ist nichts passiert, jetzt gerät die Sache in Bewegung.

Reger war im Juni 2018 auf Vorschlag der AfD-Fraktion mit 30 zu 28 Stimmen gewählt worden, 65 Abgeordnete enthielten sich. In dem neunköpfigen Gericht war sie eine von drei Richtern, die keine zwei Staatsexamen in Jura haben. Nun hat die AfD einen Kandidaten nominiert, der Reger folgen soll. Thomas Hartung, promovierter Germanist, Lehrer, ehemals stellvertretender Vorsitzender des sächsischen AfD-Landesverbandes und seit mehr als vier Jahren Pressesprecher der Landtagsfraktion in Stuttgart.

Wahl von der Tagesordnung gestrichen

Allerdings: Bei den anderen Parteien regt sich Widerstand dagegen, der AfD überhaupt die Möglichkeit einzuräumen, Richter zu benennen, die dann in dem mit neun Personen besetzte Landesverfassungsgericht Platz nehmen. Eigentlich wäre die Wahl am 18. April auf der Tagesordnung gestanden, am Dienstag Abend wurde sie vom Landtagspräsidium wieder gestrichen. „Ohne Begründung“, wie die AfD moniert.

Das hat Gründe. Offiziell hüllen sich die anderen Parteien im Landtag zwar in Schweigen, unter der Hand ist allerdings zu hören, dass ein Urteil eben jenes Verfassungsgerichtshofes, um dessen Neubesetzung es jetzt geht, noch ganz genau analysiert wird. Dabei ging es um die Besetzung des Kuratoriums der Landeszentrale für politische Bildung. Ein AfD-Kandidat war mehrfach durchgefallen, die Partei sah ihr Recht auf Gleichbehandlung verletzt und klagte.

Einwände gegen die Person des Kandidaten

Der Verfassungsgerichtshof ließ sie abblitzen: Das Recht auf Gleichbehandlung gelte nicht für außerparlamentarische Gremien wie dem Kuratorium der Landeszentrale, so die Begründung. Diese Sichtweise des Gerichts wollen Grüne und CDU, SPD und FDP nun auch auf die Richterwahl übertragen wissen. Im Hintergrund laufen Gespräche, um einen Kandidaten zu finden, der eine lagerübergreifende Mehrheit bekommen könnte.

Zudem werden gegen den Kandidaten Thomas Hartung noch ganz spezielle Einwendungen ins Feld geführt. In der Fraktion sei das Thema noch nicht besprochen, sagt Thomas Hentschel, der rechtspolitische Sprecher der Grünen. Er persönlich könne sich aber nicht vorstellen, dass Hartung die Stimmen seiner Partei bekomme. „Er hat sich über Behinderte in einer Art und Weise geäußert, die nicht dafür geeignet ist eine Aufgabe wahrzunehmen, bei der es auch darum geht die Menschenwürde zu beachten“, sagt Hentschel. Ähnlich sieht es sein Kollege von der FDP: „ Nach den Äußerungen über Behinderte ist Herr Hartung für uns nicht wählbar“, so Nico Weinmann.

Gericht bleibt arbeitsfähig

Hartung hatte vor zehn Jahren Menschen mit Trisomie 21 öffentlich die Fähigkeit abgesprochen, den Beruf eines Lehrers ausüben zu können. In der Folge musste er trotz erfolgter Entschuldigung seine Ämter in der sächsischen AfD niederlegen. Auch die Zusammenarbeit mit der TU Dresden, wo er als Dozent arbeitete, wurde aus diesem Grund beendet.

Mit einer Erklärung zur Person des Kandidaten hält sich die SPD im Landtag zurück. „Damit beschäftigen wir uns, wenn Namen auf der Tagesordnung stehen“, sagt der innenpolitische Sprecher der SPD, Sascha Binder. Allerdings sei seine Partei überzeugt davon, dass das Verfassungsgericht des Landes auch von Personen getragen werden soll, „die auf dem Boden der Verfassung stehen“. Binder geht davon aus, dass es noch im Mai zu einer Wahl kommen werde .

Bis dahin ist das Verfassungsgericht des Landes nach Angaben von dessen Vorsitzendem Malte Graßhof trotz der vakanten Stelle „voll arbeitsfähig“. Für jeden der neun Richterposten gibt es von vorneherein einen Ersatzkandidaten.