Schon von April an könnte der Zugverkehr zwischen Waiblingen und Bad Cannstatt erheblich gestört werden. Foto: Gottfried Stoppel

Die überraschende Ankündigung der Bahn zur Baustelle zwischen Bad Cannstatt und Waiblingen verursacht einen parteiübergreifenden Aufschrei. Abgeordnete aus dem Rems-Murr-Kreis fordern Alternativangebote für die Fahrgäste.

Erst am Montag vergangener Woche hatten die Landtagsabgeordneten Christian Gehring und Siegfried Lorek sowie die Bundestagsabgeordnete Christina Stumpp (alle CDU) ein Krisengespräch mit Vertretern der Deutschen Bahn (DB). Das Thema seien Problemstellungen mit der Schieneninfrastruktur, den Zügen und der Barrierefreiheit an Bahnhöfen gewesen – aber insbesondere sei es dabei auch um das Thema Kommunikation gegangen, berichten die drei Abgeordneten. Dass ausgerechnet dieses „gerade einmal vier Tage nach unserem Gespräch erneut zu einem riesen Ärgernis werden würde, hätte ich mir nicht vorstellen können“, sagt nun Siegfried Lorek, der auch der Vorsitzende des Kreisverbandes seiner Partei ist.

Betroffen ist der Bereich Waiblingen/Bad Cannstatt

Der Staatssekretär im Ministerium der Justiz und für Migration spielt auf eine offenkundig auch für ihn völlig überraschend am Freitag herausgegebene Pressemitteilung der Bahn an, in der diese, wie berichtet, wegen umfangreicher Kabeltiefbauarbeiten notwendige Streckensperrungen ankündigt. Allein im Bereich Waiblingen/Bad Cannstatt müssten für die Digitalisierung rund 1200 Kilometer Kabel verlegt werden, zudem seien mehr als 70 neue Kabelquerungen zu installieren. Vom 21. April an seien deshalb zusätzlich zur bekannten Sperrung der S-Bahn-Stammstrecke mehrwöchige vor- und nachgelagerte Teil- und Vollsperrungen unvermeidbar, so die DB.

Dass dies nun mit einem so kurzen Vorlauf angekündigt wird, ist für Christian Gehring, Abgeordneter im Wahlkreis Schorndorf, ein „Unding und inakzeptabel“, denn: „Es kann mir doch niemand weismachen, dass die Bahn nicht schon seit Wochen dieses Szenario mit den Auswirkungen auf den Schienenverkehr kennt“, so Gehring. Die Menschen könnten sich in der Kürze darauf kaum einstellen.

Zwar sei allen klar gewesen, dass es bis zur Eröffnung des neuen Stuttgarter Bahnhofes und der Digitalisierung der Züge und Strecken noch Herausforderungen geben werde, räumt die Waiblinger Bundestagsabgeordnete Christina Stumpp ein. Aber diese müssten früher angekündigt werden, und es brauche gute Alternativen, insbesondere für Berufspendler.

SPD will zumindest ein zuverlässiges Grundangebot

Auch der Kreisverband der SPD kritisiert die Kommunikation und das Krisenmanagement der Bahn. Schon bei den jüngsten Störungen insbesondere auf der S-Bahn-Linie 3 seien die Fahrgäste „vielerorts mit widersprüchlichen oder gar falschen Informationen alleingelassen“ worden, sagt der Kreissprecher der Genossen, Pierre Orthen, der selbst häufig als Fahrgast auf der Strecke unterwegs ist. Auch bei notwendigen Baustellen müsse ein zuverlässiges Grundangebot gemacht werden, so Orthen. „Monatelange Vollsperrungen sind nicht akzeptabel“.

In ein ähnliches Horn stößt Swantje Sperling, Landtagsabgeordnete für den Wahlkreis Waiblingen. Die Grünen-Politikerin appelliert an die Deutsche Bahn, Alternativen zu einer Vollsperrung ernsthaft zu prüfen. Denn wer den Rems-Murr-Kreis wochenlang von der Landeshauptstadt abkoppele, „richtet großen Schaden über die Mobilitätswende hinaus an“, so Sperling. Ohne ausreichend Zeit für ein sorgfältig durchdachtes Ersatzverkehrskonzept drohe der Verkehrsinfarkt angesichts einer ohnehin äußerst angespannten Verkehrssituation zwischen Stuttgart und Waiblingen. Sollte eine Vollsperrung wirklich unumgänglich sein, so sei zumindest eine Verlegung in die verkehrsarme Sommerferienzeit angebracht.

Bahn-Bevollmächtigter: Ad-hoc-Arbeitsgruppe eingerichtet

Der SPD-Landtagsabgeordnete Gernot Gruber hat sich in der Angelegenheit bereits direkt an den Bahnbevollmächtigten Thorsten Krenz gewandt und zumindest einen Pendel-S-Bahnverkehr zwischen Backnang und Waiblingen angeregt. Dieser bittet um ein wenig Geduld: Eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe (Taskforce) sei eingerichtet, in der alle Beteiligten „mit Hochdruck an einem tragfähigen Fahrplankonzept und an geeigneten Ersatzangeboten“ arbeiteten, so Krenz in seiner Antwort an Gruber.

FDP: Verkehrsminister hat Überblick verloren

Die Landtagsabgeordneten der FDP, Jochen Haußmann und Julia Goll, hingegen nehmen die Pläne der Bahn zum Anlass, um Verkehrsminister Winfried Hermann zu kritisieren. Der hatte in einer Pressemitteilung im Zusammenhang mit den angekündigten Sperrungen am Freitag von einem „herben Schlag für Nahverkehr und Fahrgäste“ gesprochen. „Wenn es stimmt, dass er von der Ankündigung der DB völlig überrascht worden ist, dass diese in wenigen Wochen beginnen will, wichtige Zulaufstrecken nach Stuttgart vollkommen zu sperren, dann muss sich Verkehrsminister Winfried Hermann fragen lassen, ob sein Ministerium nicht vollkommen den Überblick verloren hat“, so Haußmann und Goll.

Anlass
 Wegen des digitalen Ausbaus des Bahnknotens Stuttgart sind laut Angaben der Deutschen Bahn umfangreiche Kabeltiefbauarbeiten notwendig. Dazu würden auch zahlreiche Gleise und andere Bahnanlagen unterquert.

Auswirkungen
 Von Freitag, 21. April, an werde es zu größeren Behinderungen im Zugverkehr im Raum Bad Cannstatt und Bad Cannstatt/Waiblingen kommen. Dies habe insbesondere Auswirkungen auf die Remsbahn und die Murrbahn sowie auf den Bahnverkehr von und nach Tübingen und Ulm. An den Fahrplankonzepten werde derzeit mit Hochdruck gearbeitet. Im zweiten Halbjahr 2023 will man den Bereich Vaihingen/Flughafen/Böblingen angehen.