Der Bundeskanzler findet bei seinem Antrittsbesuch in China deutlichere Worte als Kritiker vermutet hatten. „Es ist gut und richtig, dass ich heute hier in Peking bin“, erklärte er.
Allein wegen Sätzen wie diesen hat sich die umstrittene Peking-Reise von Olaf Scholz gelohnt: Staatschef Xi Jinping sagte laut dem chinesischen Außenministerium, dass man sowohl „den Gebrauch als auch die Androhung von Atomwaffen“ ablehnen würde. Zudem müsse man eine „Nuklearkrise auf dem eurasischen Kontinent verhindern“.
Natürlich: Um einen diplomatischen Durchbruch für ein Ende des Ukraine-Kriegs handelt es sich dabei nicht, doch immerhin sind Xis Worte Chinas bislang deutlichste Warnung an Russlands Präsident Wladimir Putin. Und dass der 69-Jährige seine Aussage Seite an Seite neben dem deutschen Kanzler tätigt, dürfte wohl in ganz Europa als Erfolg von Scholz’ Besuch in der „Null Covid“-Bastion gewertet werden.
Zugegebenermaßen war die Erwartungshaltung vor seiner Reise auch ziemlich niedrig. Schließlich sah es noch am Freitagmorgen so aus, als ob Scholz’ zwölfstündiger Aufenthalt in der chinesischen Hauptstadt zu einem substanzlosen Austausch diplomatischer Floskeln geraten könnte.
Die deutsche Delegation bewegte sich nur in einem Radius von wenigen Hundert Metern und war vollkommen abgeschirmt. Die Regierungsmaschine parkte sogar zwischenzeitlich in Südkorea, damit die Crew die zehntägige Zwangsquarantäne in China umgehen konnte. Und auch der rote Teppich am Pekinger Flughafen wurde von Seuchenschutzmitarbeitern in weißen Ganzkörperanzügen ausgerollt.
Als Olaf Scholz dann in der Großen Halle des Volkes mit Xi Jinping und dem scheidenden Premier Li Keqiang die zwei wichtigsten Politiker des Landes traf, wurden die Gesichtsmasken abgenommen. Mit den Worten „Es ist gut und richtig, dass ich heute hier in Peking bin“ leitete Scholz seine Erklärung ein. Spätestens gegen Ende des Tagesprogramms dürften dem auch einige Skeptiker zustimmen: Der massive Unmut, den der Kanzler mit seiner Reise auch unter europäischen Diplomaten in Peking ausgelöst hatte, stellte sich im Rückblick teilweise als unbegründet heraus.
Denn schlussendlich hat der Gast aus Deutschland gegenüber der chinesischen Staatsführung deutlichere Worte gefunden, als viele Kritiker es erwartet hatten. So erinnerte Scholz mit Blick auf die Situation der Uiguren in Xinjiang daran, dass sich die chinesische Regierung zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet hat. Dies sei zudem „keine Einmischung in innere Angelegenheiten“, wie Peking immer wieder betont.
Auch in Bezug auf Taiwan sagte Scholz, dass jedwede Veränderung des Status quo „nur friedlich und im gegenseitigen Einvernehmen“ erfolgen dürfe. Zudem bat er Xi Jinping, seinen Einfluss auf Russland geltend zu machen. Li Keqiang sagte dazu zumindest vage: „Wir können uns keine weitere Eskalation leisten.“
Um einen reinen Wohlfühlbesuch, wie ihn sich Chinas Staatsführung erhofft hatte, hat es sich nicht gehandelt. Gegen Ende der Pressebegegnung, bei der die chinesische Seite leider keine Fragen zuließ, konnten die mitgereisten Journalisten dennoch beobachten, wie sich die Mine von Premier Li Keqiang immer weiter verdunkelte. Normalerweise sind es die hochrangigen Parteikader nicht gewohnt, sich vor den Reportern unangenehme Themen anhören zu müssen.
Spitzenmanager von zwölf Unternehmen begleiten Scholz
Auch bei wirtschaftlichen Fragen hielt Scholz mit seiner Kritik nicht hinterm Berg, etwa wenn es um den Marktzugang ausländischer Unternehmen in China geht. Seine Worte dürften Balsam für die unternehmerische Seele der mitgereisten Wirtschaftsdelegation gewesen sein. Zwölf Vorstandschefs – von BASF über Volkswagen bis hin zu Adidas – waren mit dabei. Im Vorfeld wurde der Kanzler dafür als „Handelsreisender“ verspottet, der sein eigenes Versprechen der „Zeitenwende“ nur wenig beherzigt. Ob die deutschen Spitzenmanager mit voluminösen Deals zurück nach Berlin fliegen, darf allerdings bezweifelt werden. Das hat pragmatische Gründe: Jeder Chinese, der in Kontakt mit der Delegation kommt, muss anschließend für zehn Tage in Quarantäne. Das steigert nicht gerade die Lust auf ein persönliches Treffen am Verhandlungstisch.
Zumindest Biontech bekam in einem ersten Schritt zugesichert, dass ausländische Fachkräfte (Expats) in China endlich einen mRNA-Impfstoff auf legalem Wege erhalten dürfen. Die Volksrepublik hat bislang nur ihre heimischen Totimpfstoffe zugelassen. Nach dem Besuch von Scholz dürften sich die Chancen allerdings deutlich erhöht haben, dass Biontech bald auch landesweit seine Vakzine verkaufen darf.
Chinas wirtschaftliche Situation hat sich verschlechtert
Auffällig war, dass sich die chinesischen Zeitungen bis in die Abendstunden hinein mit einer Einschätzung des Staatsbesuchs zurückhielten. Vor der Reise hieß es, man hoffe darauf, dass sich Olaf Scholz vom Druck der USA löse und jenen pragmatischen Kurs gegenüber der Volksrepublik fortführe, wie ihn Angela Merkel etabliert habe. Doch Scholz hatte schon vor seinem Besuch erklärt, dass „das China von heute nicht mehr dasselbe wie noch vor fünf oder zehn Jahren“ sei. Und das ist noch eine Untertreibung: Pekings Beziehungen zum Westen haben sich seit der Pandemie sehr verschlechtert, und auch die wirtschaftliche Lage des Landes ist nach zweieinhalb Jahren „Null Covid“ angespannt. Umso wichtiger ist es für Xi Jinping, die Bindung an Deutschland nicht zu verlieren.