Die Heilbronner Steinstraße 8 – hier können Kinder der von Gewalt betroffenen Frauen auch Freunde empfangen. Foto: Brigitte Fritz-Kador

Das Open House in Heilbronn ist ein vom Bund gefördertes Modell für eine neue Art Frauenhaus in Deutschland. Die Adresse der Einrichtung ist öffentlich.

Die jüngst eingeweihte Heilbronner Einrichtung nennt sich Open House und klingt vielversprechend: „ein Schutzort für Frauen und Kinder, ohne Versteckspiel, ohne Isolation von Freunden und Familie, wo es nicht notwendig oder gewünscht ist, dafür mit neuen Möglichkeiten in der beruflichen Integration und beim Aufbau eines neuen sozialen Umfelds“, erläutert Tobias Bothe.

Bothe, Sozialmanager bei der Diakonie Heilbronn, und Karl Friedrich Bretz, Diakonie-Geschäftsführer, hegen Zweifel an der bisherigen Praxis für Frauenhäuser in Deutschland und setzten sich deshalb für ein neuartiges Projekt ein – mit Erfolg. Im November 2021 begann, gefördert vom Bund, der Um- und Ausbau des Diakonie-eigenen Hauses in Heilbronn, in dem sich zuvor die Beratungsstelle der Mitternachtsmission befunden hatte. Auf 800 Quadratmetern entstanden sechs Wohnungen, Familienplätze für Mütter und Kinder, plus zwei Notfallplätze. Sie können bis zu einem Jahr als neues Zuhause dienen. Ende Juni wurde die neue Einrichtung eingeweiht.

Anonymität ist heutzutage ohnehin eine Herausforderung

Anders als üblich ist das Modellprojekt nicht anonym, die Adresse darf und soll genannt werden. Die Steinstraße 8 wird durch die Vordertür betreten.

Ein Grund für die Öffnung ist die Tatsache, dass die von vielen Frauenhäusern angestrebte Anonymität durch Handy-Trackings und Vernetzung in den sozialen Medien heute kaum noch zu wahren ist.

Die Motivation für das neue Modell, so sagen es Karl Friedrich Bretz und Tobias Bothe, lag aber auch in der Erkenntnis, dass „systemische Änderungen“ notwendig geworden seien, dass man die Situation nicht mehr nur aus der Frauen-Perspektive betrachten könne – auch was die Kinder der von häuslicher Gewalt Betroffenen angeht. Mit dem neuen Konzept können nun auch Familienmitglieder und Freunde einbezogen werden, sogar die Täter, sofern sie Einsicht zeigen.

80 Prozent der Opfer von häuslicher Gewalt sind Frauen

Laut Bundeskriminalamt gab es 2021 mehr als 143 000 Opfer häuslicher Gewalt – 80 Prozent davon Frauen – ohne Dunkelziffer. Sie, wie die Kinder, die das erleben, tragen fast immer schwere Traumata, oft auch körperliche Schäden davon. Katrin Geih, Mitarbeiterin des Heilbronner Open House, bringt es auf den Punkt: Durch die neue Einrichtung müssen die Kinder fortan etwa in der Schule nicht mehr verschweigen, wo sie wohnen; sie können Spielgefährten mitbringen, sich ein neues soziales Umfeld aufbauen – und damit eine Normalität, die weitere Traumata verhindert.

Das Frauenhaus in der Steinstraße ist mit Zugangskontrollen und Videoüberwachung durchgängig gesichert, jede Wohnung hat eine Notruf-Funktion. Bothe, der das Haus leitet, ist sicher, dass „keine unbefugten Personen in den geschützten Bereich kommen“. Sollte es doch einmal Probleme geben, ist der Weg zu Hilfe nicht weit, zum neuen Haus gehört auch eine Beratungsstelle. Für hochgefährdete Frauen stehen zudem drei externe Wohnungen bereit, deren Anschrift nicht einmal Diakonie-Geschäftsführer Bretz kennt, wie er sagt.

Die ästhetisch ansprechenden Innengestaltung des Open House strahlt Ruhe und Geborgenheit aus. Alle Wohnungen haben eine Spielecke, einen Tisch für die Hausaufgaben. Das Open House ist nicht nur dem Konzept nach „barrierefrei“, eine der Wohnungen ist es auch. Auf den Kinderbetten warten Teddys, die modernen Küchen sind bis in die Schubladen hinein gut bestückt. Im Gemeinschaftsraum steht ein Fernseher. Und im Garten hinter dem Haus gibt es einen kleinen Spielplatz und ein rotes Spielhaus.

Der Bund hat den Umbau in Heilbronn gefördert, mit Geld aus dem Programm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“, von den Gesamtkosten, 4,5 Millionen Euro, übernahm er 80 Prozent. Zehn Prozent kamen vom Land (Sozialministerium), die restlichen zehn Prozent teilten sich Landeskirche und Diakonie.