Bahnkunden müssen bald wieder mit größeren Warnstreiks rechnen. Auch der starke Reiseverkehr rund um Weihnachten und den Jahreswechsel könnte betroffen sein.
Die GDL fordert bei rund 60 Unternehmen der Branche eine monatliche Entgelterhöhung von 555 Euro, eine einmalige Inflationsprämie von 3000 Euro sowie eine auf 35 Stunden verkürzte Wochenarbeitszeit bei vollem Entgeltausgleich für Schichtarbeiter. Damit sollen Bahnberufe attraktiver werden. Der neue Tarifvertrag soll zudem nur zwölf Monate laufen. Die Friedenspflicht endet mit dem bisherigen Tarifvertrag am 31. Oktober.
Beim größten DB-Wettbewerber Transdev gab es bereits zwei Verhandlungsrunden und den ersten Warnstreik. Vorigen Samstag legten Mitarbeiter bei sechs Transdev-Unternehmen für zwölf Stunden die Arbeit nieder. Lokführer, Zugbegleiter, Disponenten und Beschäftigte in Werkstätten streikten bei der Nordwest-Bahn GmbH, Transdev Hannover GmbH, Transdev Mitteldeutschland GmbH, Transdev Regio Ost GmbH, Transdev Rhein-Ruhr GmbH sowie bei der Trans Regio Deutsche Regionalbahn GmbH.
GDL-Chef Claus Weselsky hat angekündigt, dass es rasch größere Arbeitskampfmaßnahmen geben werde, wenn Arbeitgeber versuchten, auf Zeit zu spielen. Für den 64-jährigen Sachsen ist es die letzte Tarifrunde vor dem Ruhestand. Der ausgebildete Lokführer führt die Gewerkschaft seit 2008 und in dieser Zeit durch mehrere harte Tarifkonflikte mit dem DB-Konzern und dessen Wettbewerbern. Die GDL konnte dabei bessere Flächentarifverträge durchsetzen und ihre Zuständigkeit auf Zugbegleiter sowie Mitarbeiter in Werkstätten und Verwaltung ausweiten.
GDL will auch bei InfraGO mitreden
Künftig will die GDL auch mehr Mitglieder in der Infrastruktur gewinnen. Unter dem Dach des DB-Konzerns startet am 1. Januar 2024 die neue InfraGO, die das bundeseigene 33 000 km große Schienennetz gemeinwohlorientiert verwalten soll. Die neue Infrastrukturgesellschaft entsteht aus der Zusammenlegung der bisherigen gewinnorientierten Aktiengesellschaften DB Netz und DB Station & Service. Das hoch subventionierte Schienennetz wurde lange Zeit massiv vernachlässigt, zuständig ist seit 1994 die DB.
Der Konkurrenzkampf der Bahn-Gewerkschaften wird nach Ansicht von Experten durch das Tarifeinheitsgesetz verschärft, das die frühere CDU/SPD-Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel durchgesetzt hatte. Demnach gelten beim DB-Konzern seit Anfang 2021 nur noch Tarifverträge jener Gewerkschaft, die im jeweiligen Betrieb mehr Mitglieder hat. Über die Details wird auch vor Gericht gestritten. Nach bisherigen DB-Angaben werden nun in 282 der 300 Betriebe die EVG-Tarifverträge angewendet, in nur 18 Betrieben und für rund 10 000 Beschäftigte gelte das Tarifwerk der GDL.
DB und EVG hatten sich Ende August nach einem zweiwöchigen Schlichtungsverfahren auf einen neuen Tarifvertrag für rund 180 000 Beschäftigte geeinigt, der 410 Euro mehr pro Monat und eine Inflationsausgleichsprämie vorsieht. Zuvor gab es zwei Warnstreiks. Die EVG hatte 12 Prozent Lohnerhöhung, mindestens aber 650 Euro mehr im Monat verlangt und einen Katalog mit mehr als 50 Forderungen vorgelegt. Nur eine knappe Mehrheit von 52 Prozent der Mitglieder stimmte bei der Urabstimmung dem Vorschlag der Schlichter zu.
Stehen Züge rund um Weihnachten still?
Mit Spannung wird erwartet, mit welcher Taktik der mit bald 40 Milliarden Euro hochverschuldete und in den letzten Jahren verlustreiche DB-Konzern und sein Personalvorstand Martin Seiler in die bevorstehenden Verhandlungen gehen. Auch für alle Bahnkunden ist das wichtig: Falls es wie bei Transdev schon nach kaum sechs Wochen zu ersten Warnstreiks kommt, wäre der starke Reiseverkehr rund um Weihnachten und den Jahreswechsel betroffen.
Transdev hatte bei der ersten Verhandlungsrunde am 18. September in Leipzig eine gestaffelte Entgelt- und Zulagenerhöhung von in Summe elf Prozent über eine Laufzeit von 24 Monaten angeboten. In der zweiten Runde am 13. Oktober in Berlin habe es keine Verbesserung gegeben, so Weselsky: „Es gab kein Angebot zur Arbeitszeitabsenkung, kein Angebot zu kürzeren Schichtfolgen, kein Angebot zu längeren Ruhetagen und kein Angebot zur Verbesserung der betrieblichen Altersvorsorge.“ Daher habe man die Verhandlungen abgebrochen.
DB-Chef Lutz verdoppelte sein Gehalt
Der letzte Tarifkonflikt zwischen DB und GDL liegt gut zwei Jahre zurück und konnte erneut nur durch Schlichtung gelöst werden. Vermittelt hatten in dem Konflikt die Ministerpräsidenten von Niedersachsen und Schleswig-Holstein, Stephan Weil und Daniel Günther. Mitte September 2021 einigten sich beide Seiten auf eine Lohnerhöhung in zwei Stufen und auf Corona-Prämien. Ab 1. Dezember 2021 stiegen die Bezüge um 1,5 Prozent, ab 1. März 2023 um weitere 1,8 Prozent. Zudem gab es zu diesen Zeitpunkten Einmalzahlungen von 600 sowie 400 Euro.
Die GDL holte damit deutlich mehr heraus als zuvor die EVG. Beide Abschlüsse aber bedeuteten letztlich erhebliche Kaufkraftverluste für Bahnbeschäftigte an der Basis angesichts der inzwischen massiven Preissteigerungen. Die DB-Spitze dagegen konnte ihre Einkommen im vorigen Jahr massiv steigern. Trotz der miserablen Bilanzzahlen bekam Konzernchef Richard Lutz mit 2,24 Millionen Euro doppelt so viel Geld wie zuvor, zum Grundgehalt von fast 970 000 Euro kamen Boni von 1,26 Millionen Euro. Personalvorstand Seiler verdiente 1,39 Millionen Euro (2021: 659 000 Euro). 2020 und 2021 hatte der Staatskonzern keine Boni gezahlt, nachdem in den beiden Corona-Jahren insgesamt fast sieben Milliarden Euro Verlust eingefahren worden waren.