Demonstranten protestieren vor dem Europaparlament in Brüssel gegen das geplante Mercosur-Abkommen zwischen der EU und Staaten aus Lateinamerika. Foto: AFP/Timon Ramboer

Die EU und Südamerika arbeiten seit Jahren an einer Freihandelszone. Auf einem Gipfel in Brüssel werden allerdings vor allem die Probleme sichtbar.

Auf die Zwischentöne kommt es an, vor allem wenn beide Seiten laufend Komplimente verteilen. So lobte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu Beginn in den höchsten Tönen die „historische Dimension“ des Gipfeltreffens der EU mit den lateinamerikanischen und karibischen Staaten in Brüssel. Zuletzt hatte ein solches Treffen vor acht Jahren stattgefunden. Danach versanken die Beziehungen im europäischen Desinteresse. Auch weil in Brasilien mit dem extrem rechten Präsidenten Jair Bolsonaro ein sehr schwieriger Gesprächspartner saß.

Doch die Zeiten haben sich gewandelt, nicht nur weil mit Luiz Inácio Lula da Silva jüngst ein neuer Staatschef gewählt wurde. Grund für den Wandel ist vor allem der russische Überfall auf die Ukraine. Für Europa rückt Lateinamerika nun wieder in den Fokus, weil die Region bei der Absicherung von Lieferketten und mit ihrem Rohstoffreichtum zu einem Schlüssel werden könnte. Das plötzlich neu entflammte Interesse stößt aber in Lateinamerika auch auf Misstrauen.

Brasilien will ein Abkommen auf Augenhöhe

So betonte Präsident Lula zwar, dass er den zügigen Abschluss eines Freihandelsabkommens zwischen der EU und der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur anstrebe. Man wolle den Deal noch „in diesem Jahr abschließen“, sagte er am Montag in Brüssel, betonte allerdings ausdrücklich, dass es ein „ausgewogenes Abkommen“ werde und „neue Horizonte“ eröffne. Das Thema Umweltschutz erwähnte Lula natürlich auch, aber eher am Rande.

Über das geplante Abkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay hatte es zuletzt Streit gegeben. Die Lateinamerikaner beklagen sich, von den Europäern wieder bevormundet zu werden. Der Grund: Der Vertrag über eine der größten Freihandelszonen der Welt mit mehr als 700 Millionen Menschen wurde 2019 von Brüssel auf Eis gelegt. In den Augen einiger EU-Staaten wird darin nicht stark genug auf Themen wie Klima, Umwelt und Menschenrechte eingegangen. Verpackte Lula seine Kritik am Verhalten der Europäer in Brüssel in schöne Worte, war er zuvor noch sehr deutlich geworden und hatte deren Forderungen als „inakzeptabel“ bezeichnet.

Milliardeninvestitionen aus Europa

Geglättet wurden die Wogen durch die Aussicht auf riesige Investitionen aus Europa. Aus der EU sollen bis Ende 2027 mehr als 45 Milliarden Euro an Investitionen in Partnerländer in Lateinamerika und der Karibik fließen. Gefördert werden sollen nach Angaben der EU-Kommission etwa Infrastrukturprojekte, der Ausbau sauberer Energien und auch die Verbesserung von Ausbildungs- und Gesundheitssystemen. Das Geld soll aber auch dazu beitragen, die Versorgung Europas mit kritischen Rohstoffen wie Lithium zu sichern.

Vor allem die exportorientierte deutsche Wirtschaft ist am Abschluss des Mercosur-Abkommens interessiert. „Die EU muss das Zeitfenster für einen engen wirtschaftlichen Schulterschluss mit Lateinamerika unbedingt nutzen“, erklärte der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie -und Handelskammer (DIHK), Volker Treier, am Montag. „Andere Wirtschaftsmächte wie zum Beispiel China buhlen bereits um die Gunst Lateinamerikas.“ Die Hoffnung auf einen Erfolg wurde allerdings vom EU-Außenbeauftragten Josep Borrell gedämpft. Er erwarte „keinen großen Durchbruch“, sagte der Spanier. „Aber ich erwarte, dass der Wille zum Ausdruck gebracht wird, weiter hart daran zu arbeiten, um bis Ende des Jahres eine Einigung zu erzielen.“