Auf der Landwirtschaftsmesse im belgischen Libramont wird auch gezeigt, wie früher die Felder beackert wurden. Heute setzen die Bauern allerdings auf wesentlich mehr Pferdestärken. Foto: Krohn/Krohn

Die Landwirtschaftsmesse im belgischen Libramont zieht Hunderttausende Besucher an. Sie ist die Möglichkeit, um sich zu präsentieren und auch eine Gelegenheit, über die EU zu schimpfen.

Der gelbe Shuttle-Bus am Bahnhof ist schnell voll besetzt. Doch niemand drängelt, jeder nimmt Rücksicht, die Zurückgebliebenen warten geduldig auf das nächste Fahrzeug. Das Leben in Libramont, im südöstlichen Zipfel Belgiens gehorcht offensichtlich nicht dem gehetzt-städtischen Rhythmus.

Den Kindern geht diese Gemächlichkeit allerdings gehörig auf die Nerven, also drängt der Nachwuchs die Eltern zur Eile. Im Gehen erzählt ein Junge seinem kleinen Bruder von Traktoren, die „nicht einmal in unsere Garage passen“. Die beide Nachwuchsbauern sollten nicht enttäuscht werden. Wenige Minuten später stehen sie staunend vor einem grünen Monster namens Deutz-Fahr 8280 TTV Warrior. Fast 300 PS leistet das schwere Gerät und kostet beeindruckende 250 000 Euro.

Das belgische Mekka der Landwirtschaft

Ein Mal im Jahr wird die beschauliche 11 000-Seelen-Gemeinde in den Ardennen Ende Juli zum Mekka der Landwirtschaft. Rund 200 000 Besucher pilgern innerhalb von vier Tagen zum „Foire de Libramont“, wo sie sich über die neusten Entwicklungen in allen Sektoren informieren können. Trotz der meist ausgelassenen Stimmung bei den Ausstellern, wird bei den Gesprächen schnell deutlich, dass die Zukunft den meisten Bauern inzwischen gehöriges Kopfzerbrechen bereitet. „Wir sehen jeden Tag in den Nachrichten, dass die Landwirtschaft im Mittelpunkt vieler Herausforderungen steht“, sagt Jean-François Piérard, Präsident der Messe Libramont. An erster Stelle stehe natürlich der Kampf gegen den Klimawandel, aber gleichzeitig werde inzwischen sogar wieder über die Versorgungssicherheit der eigenen Bevölkerung diskutiert. Aus diesem Grund sei „die größte Open-Air-Messe Europas ein Schaufenster, ein Ort der Inspiration, der Debatte und des Bewusstseins“.

Ein Gang über das weitläufige, rund 200 000 Quadratmeter große Messegelände vermittelt allerdings den Eindruck, als verfolge die Landwirtschaft vor allem noch immer das Motto: größer, mehr, effizienter. Der Naturschutz scheint eher klein geschrieben. Etwas an den Rand gedrängt findet sich dann doch ein Bereich, der vor allem durch eine bunte Blumenwiese auffällt. Die Besucher erwarten dort nicht mächtige Maschinen, sondern ziemlich lange Erklärungen über die Landwirtschaft im Einklang mit der Natur. Eine der Initiativen heißt „Farm for Good“, ein Zusammenschluss von rund 30 Landwirten. „Anfangs wollte sich jeder eigenständig entwickeln“, erinnert sich Clotilde de Montpellier, Geschäftsführerin der Genossenschaft. Die Biobauern hätten aber schnell gemerkt, dass sie als Einzelkämpfer auf dem Markt nicht die nötige Qualität und vor allem auch nicht die Mengen liefern könnten.

Eine Erfolgsstory mit Senf

Dann erzählt Clotilde de Montpellier von der Senffabrik Bister in Namur. Unter anderem der Krieg in der Ukraine hatte negative Auswirkungen auf die Lieferung von Senfkörnern, also suchten die Verantwortlichen nach lokalen Produzenten, um ihren Bedarf zu decken. Doch es erwies sich als ziemlich schwierig, die eigentlich alte Tradition des Senfanbaus in der Region wiederzubeleben. Der erste Schritt war dann, Saatgut zu produzieren. „Wir ernten inzwischen 120 Tonnen und Bister hat einen 100 Prozent biologischen, wallonischen Senf kreiert“, sagt Clotilde de Montpellier. Ziel ist es, in den kommenden Jahren die Produktpalette zu erweitern und die Genossenschaft auf 300 Betriebe zu vergrößern, auch um konkurrenzfähiger zu werden.

Solche konsequenten Bio-Produzenten besetzen in Belgien aber allenfalls eine Nische. Zur Mehrheit zählen Männer wie Henri Lhoest, seit 30 Jahren Landwirt in der Region Condroz und Mitglied der Wallonischen Landwirtschaftsföderation. Natürlich sehe er, dass sich angesichts der Herausforderungen durch den Klimawandel auch die Anbaumethoden verändern müssten. Doch in seinen Augen gebe es inzwischen sehr viele Menschen, die über die Landwirtschaft reden und Entscheidungen fällen, aber sehr weit von der Realität entfernt seien.

Viel Ärger über die Europäische Union

Seine These untermauert er mit dem Umgang mit Glyphosat. „Nein, es ist kein gefährliches und krebserregendes Produkt“, ist Henri Lhoest überzeugt. Auch um Erosionen zu verhindern sei die Landwirtschaft in den vergangenen Jahren immer bodenschonender geworden, das erfordere dann aber auch den Einsatz des Unkrautbekämpfungsmittels. Wie für seine Kollegen in ganz Europa sitzen die Schuldigen in seinen Augen bei der EU. Aus Brüssel werde eine immer produktivere Landwirtschaft gefordert, gleichzeitig würden den Bauern immer mehr Vorschriften auferlegt. In den kommenden Jahren werde diese Entwicklung noch zunehmen, ist sich Henri Lhoest sicher.

Eine Herausforderung für die Landwirte sind nicht nur die zunehmenden EU-Regelungen. Auch in dem kleinen Belgien ist ein Höfesterben zu verzeichnen, weil die Betreiber keine Nachfolger finden. Und wer seinen Hof vergrößern will, um produktiv zu bleiben, kämpft mit rasant steigenden Grundstückspreisen. Mussten im Jahr 2017 noch knapp 27 000 Euro für einen Hektar Ackerland gezahlt werden, sind es im Jahr 2022 über 38 000 Euro. Die Konkurrenz kommt dabei aus einer unerwarteten Ecke. Inzwischen bieten die Landwirte auch gegen Unternehmen, die in großem Maßstab Solaranlagen auf die Felder bauen wollen.

Weinbau in Belgien dank des Klimawandels

Inzwischen beschreiten einige Landwirte auch neue Wege – und machen sich dabei die Folgen des Klimawandels zunutze. Der Weinanbau ist im Süden von Belgien ein wachsender Sektor, bewegt sich allerdings noch auf niederem Niveau. Im Jahr 2022 waren in der Wallonie über 500 Hektar Reben gepflanzt, rund die Hälfte davon ist biozertifiziert. Die Preise liegen für die Genießer zwar etwas über denen der Nachbarländer, das hält viele Belgier aber nicht ab, Wein aus der Heimat zu kaufen.