Die Stadt Luhansk gehört zu den Städten, die von Russland besetzt sind. Foto: -/AP/dpa

Menschenrechtler schauen besorgt auf das Leben in der Ukraine unter russischen Besatzern. Mit Erpressung werden Menschen dazu gebracht, die Staatsbürgerschaft zu wechseln, was mit einem hohen Risiko verbunden ist.

Genf - Russland hat in den besetzten Gebieten in der Ukraine nach Angaben von Menschenrechtsexperten ein Klima der Angst geschaffen. Die Besatzungsmacht verletzte das humanitäre Völkerrecht, um Kontrolle auszuüben, berichtete die vom UN-Menschenrechtsrat eingesetzte Beobachtermission in der Ukraine.

Die ukrainische Kultur werde unterdrückt, die russische Sprache überall durchgesetzt und auch der Lehrplan in Schulen nach russischem Muster ausgelegt. Darin werde etwa der russische Angriffskrieg gerechtfertigt. In Jugendgruppen müssten Minderjährige russischen Patriotismus zeigen. Ukrainische Internet- und Mobilfunkanbieter seien geschlossen worden, Dienste würden nur über russische Anbieter laufen, um Kontrolle über die Inhalte zu haben.

Druck zum Wechseln der Staatsbürgerschaft

Wer sich dem Druck widersetze, einen russischen Pass anzunehmen, bekomme keine Gesundheitsversorgung oder Sozialleistungen mehr. Mit der russischen Staatsbürgerschaft riskierten junge Männer die Rekrutierung in eine Armee, die gegen ihr Heimatland kämpft, hieß es in dem Bericht.

Seit 1. Oktober 2023 hätten Rekrutierungskampagnen auch die besetzten Gebiete umfasst. Die Mission habe zwar keinen Hinweis auf Zwangsrekrutierungen, es gebe aber Druck, dass die Männer sich freiwillig zum russischen Militärdienst melden. Russland rufe Bewohner auf, Angehörige, Nachbarn oder Freunde zu denunzieren, wenn sie gegen Auflagen der Besatzer verstoßen.

Kritk vom UN-Hochkommissar für Menschenrechte

"Die Aktionen der Russischen Föderation haben das soziale Gefüge von Gemeinschaften zerrissen und Einzelpersonen isoliert, was tiefgreifende und lang anhaltende Folgen für die ukrainische Gesellschaft als Ganzes hat", so der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk.

Die Berichterstatter betrachten vor allem die Lage in den seit Beginn des russischen Angriffs im Februar 2022 eroberten Gebieten. Die Beobachtermission hat mehr als 2300 Interviews geführt, unter anderem in Gebieten um Mykolajiw, Charkiw oder Cherson, aus denen die Russen nach kurzer Zeit wieder vertrieben worden waren. In vielen Gebieten sei die Zerstörung groß gewesen, die Wirtschaft zerstört und die Bevölkerung traumatisiert.

Die Beobachtermission kritisiert ukrainische Anklagen wegen Kollaboration mit den Besatzern, die womöglich unter Zwang zustande kamen oder um wichtige Dienste aufrechtzuerhalten. Das mache diese Menschen zum zweiten Mal zum Opfer. "Dieses Risiko einer möglichen strafrechtlichen Verfolgung hat unter denjenigen, die unter der Besatzung lebten oder noch leben, Angst gesät und verstärkt die Spaltung", teilte Türk mit.