Wegen des Klimawandels muss sich der Wald verändern. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Eckhard Hellstern erklärt bei einer Führung, wie der Filderstädter Wald 2050 aussehen könnte und wie er bei seiner Arbeit als Förster auf den Klimawandel eingeht.

Laut der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg werden Fichten im Filderstädter Stadtwald bei einem Temperaturanstieg von zwei Grad bis zum Jahr 2050 ausgestorben sein. Denn Fichten haben einen hohen Wasserbedarf. Auch hiesige Eschen sind durch einen Pilz in Kombination mit Hitze existenzgefährdet. Hingegen werden Eichen, teilweise Buchen und Rotbuchen, sowie Spitzahorn und Elsbeere auch noch in einigen Jahrzehnten im Stadtwald Filderstadt vorzufinden sein. „2003 war das erste Jahr, in dem wir Förster gemerkt haben: Da tut sich was!“, so der Förster des Stadtwalds Filderstadt, Eckhard Hellstern, im Hinblick auf den globalen Temperaturanstieg. Im Gegensatz zu Klimaflüchtlingen können Bäume ihren Standort nicht wechseln. „Entweder sind sie ausreichend resistent gegenüber der Erderwärmung oder sie sterben aus“, beschreibt Hellstern das Dilemma.

Um den Wald für die Zukunft fit zu halten, hat er sich zwei Ziele gesetzt. Einerseits möchte Hellstern die Naturverjüngung fördern, also den natürlichen Waldnachwuchs durch herabgefallene oder angeflogene Samen von umstehenden Bäumen oder die vegetative Vermehrung infolge von Stockausschlag. Natürlicher Waldnachwuchs wird von Rehen behindert, die Verbissschäden an jungen Bäumen verursachen. Rehe beißen die Knospen junger Bäume ab, wodurch dem Baum die Information fehlt, wie hoch er gewachsen ist. Darum verpackt Hellstern jeden neu gepflanzten Baum in Plastikhüllen, Baumwoll- oder Maisstricke oder zäunt sie ein. Er fordert, Rehe intensiver zu bejagen.

Ein gesunder Mischwald ist das Ziel

Andererseits experimentiert der Förster mit fremden Baumarten. Er hofft, dass bestimmte Baumarten die künftigen klimatischen Veränderungen besser verkraften. Vor 20 Jahren habe er mit einem Versuchsanbau in kleinen Gruppen, sogenannte Vorwälder aus Pionierbäumen, begonnen. Indes sind exotische Bäume, wie die türkische Tanne, an bestimmte Böden gewöhnt. Ob der nur 50 bis 60 Zentimeter starke Filderstädter Waldboden Bäumen angemessene Lebensbedingungen bietet, müsse über Generationen hinweg analysiert werden. Trotz Klimawandel soll der Wald nicht vollständig auf andere Baumarten umgestellt werden. Gepflanzte Bäume sollen 150 bis 250 Jahre Bestand haben. Ein Mischwald, bestehend aus verschiedenen Baumarten unterschiedlichen Alters, soll dem Klimawandel widerstehen. Das Ziel sei es, den Nadelholzanteil im Vergleich zu 1990 zu halbieren.

Den Nutzungsplan für den Wald berät der Technische Ausschuss des Gemeinderats. Nach einer Waldinventur unterbreitet Hellstern dem Ausschuss einen Vorschlag. Der aktuelle Nutzungsplan sieht den Klimaschutz an oberster Stelle. Denn der Wald sorgt für Temperaturausgleich und Sauerstoffproduktion. Nadeln und Blätter filtern klimaschädliches Kohlendioxid aus der Luft und spalten es in Sauerstoff und Kohlenstoff. Den Sauerstoff geben sie wieder an die Luft ab. Außerdem erfüllen Wälder eine Wasserschutzfunktion. Sie können Wasser lange speichern, sodass das Grundwasser und Quellen gespeist werden und Bäche und Flüsse auch während längerer Trockenperioden nicht austrocknen.

Der Bedarf an Brennholz ist gestiegen

Hingegen steht die Brennholznutzung laut dem Nutzungsbericht an letzter Stelle. „Früher hat man gesagt: wenn mehr als 50 Prozent des geschlagenen Holzes ins Brennholz geht, gilt ein Land als Entwicklungsland. In Filderstadt liegen wir weit über dieser Quote“, sagt Hellstern. Durch die Stromkrise wollten viele Menschen mit Holz heizen. Als Förster spüre er großen Druck seitens der Bevölkerung. Indes wendet er ein: „Weder die Stadt noch private Unternehmen schreiben uns vor, dass wir viel Geld durch den Wald erwirtschaften müssen.“ Zwar sei es das Ziel, die schwarze Null zu halten. Indes soll dem Wald, im Sinne des Prinzips der Nachhaltigkeit, nur so viel Holz entnommen werden, wie nachwächst. Kahlflächen sollen vermieden werden.

Zum Vergleichsjahr 2012, in dem dem Wald 318 Kubikmeter Holz entnommen wurden, ist 2021 ein leichter Anstieg mit einer Holzentnahme von 346 Kubikmeter zu verzeichnen. Förster müssten gerade in Ballungszentren darauf achten, dass der Wald nicht verkleinert wird. In Filderstadt sei fast kein Waldbestand verloren gegangen, unter anderem aufgrund der in den 70er und 80er Jahren angelegten Deponien.

Im Hinblick auf die Herausforderung Klimawandel, zeichnet Hellstern sogenannte „Zukunftsbäume“ aus. Das sind Bäume, die sich resistent gegenüber höheren Temperaturen erweisen. Sie werden mit blauen Punkten markiert, um sie zu schützen. Zudem klärt Hellstern regelmäßig im Rahmen von Waldführungen über den Gesundheitszustand des Waldes auf. Die Waldführung am vergangenen Samstag war mit etwa 35 Teilnehmenden, darunter einigen Kindern, gut besucht.

Zur Person

Der Wald als Beruf
Eckhard Hellstern ist seit 1986 Förster. In seiner Kindheit war er mit seinen Eltern viel in der Natur unterwegs. Seinen Vater hat er auf die Jagd begleitet. Nach seinem Studium war er 13 Jahre lang Förster im Stuttgarter Waldgebiet. 1998 wechselte er zum Forstrevier Filderstadt-Aichtal. Während der Stuttgarter Wald seit Königszeiten ein gepflegtes Gebiet sei und wertvolle Holzanteile beherberge, sei ihm in Filderstadt zunächst vorgeworfen worden, in seinem Wald sehe es unordentlich aus. Dabei seien es gerade abgesägte und liegen gelassene Äste von jungen Bäumen, die viele Nährstoffe und Humus enthalten würden, erklärt Hellstern.