Württembergs Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl würdig das Engagement in Spremberg als vorbildlich. Foto: /Gottfried Stoppel

In Württemberg wird die ostdeutsche evangelische Gemeinde Spremberg für ihren Kampf gegen rechts geehrt. Gegner versuchen, die Aktiven einzuschüchtern.

Dass ihre Gegner es ernst meinen, dass sie nicht vor Gewalt zurückschrecken, wissen die Verantwortlichen der evangelischen Kirchengemeinde Spremberg längst. Im vergangenen Sommer wurde ein Brandanschlag auf den Glockenturm ihrer Michaelskirche verübt, an dem eine Regenbogenfahne hing. In der Kirche wurde zudem ein Film über eine lesbische Liebe im KZ gezeigt. Derartiges Engagement für eine offene Gesellschaft war den Tätern wohl zu viel. „Der Anschlag hat uns in Schockstarre versetzt“, erzählt Bianca Brode, die zu den Aktiven vor Ort gehört. Sie ist am Sonntag in die Stuttgarter Erlöserkirche gekommen, um den von der liberalen württembergischen Gruppe „Offene Kirche“ verliehenen Amos-Preis für Zivilcourage entgegenzunehmen.

Die Ehrung kommt zur rechten Zeit

Die Nachricht von der Ehrung sei gerade zur rechten Zeit eingetroffen, berichtet Brode. Denn es hatten sich Selbstzweifel in der Gruppe der Engagierten eingestellt. „Wir wollen niemanden in Gefahr bringen, sondern einen Schutzraum bieten“, sagt die 44-Jährige. „Nach der Attacke hatten wir überlegt, leiser zu werden.“ Doch dann sei die Ermutigung zum Weitermachen gekommen. Brode gehört zu den Gründungsmitgliedern des Bündnisses #unteilbar, das von dem jungen Pfarrteam in Spremberg initiiert worden ist und das sich für eine bunte, tolerante Gesellschaft einsetzt. Das Bündnis wird zwar wesentlich von der evangelischen Gemeinde getragen, hat aber auch zahlreiche Mitstreiter aus anderen Milieus.

Wie vielfältig die Aktionen der Gruppe sind, machen die Redner bei der Ehrung in Stuttgart deutlich. Sie berichten von kurzfristigen Gegendemos zu rechten Aktionen, von wöchentlichen Treffs zum Austausch für Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft. Und sie erwähnen den jährlichen Markttag in der 22 000-Einwohner-Stadt nahe Polen, auf dem sich eine Vielfalt verschiedener Initiativen präsentiert. Zudem gibt es Bildungsangebote, die Jugendliche ermutigen sollen, für die Demokratie einzustehen. Bianca Brode selbst hat jüngst einen Nähkreis ins Leben gerufen, in dem ukrainische Flüchtlinge und Spremberger Bürger zusammenkommen. Auch die AG Spurensuche, die an Opfer des Nationalsozialismus erinnert, entsprang dem Einsatz einer Pfarrerin.

Das Gebiet gilt als AfD-Hochburg

Solches Engagement erfordert in Spremberg die Zivilcourage, die der mit 3000 Euro dotierte, auch aus Spenden finanzierte Amos-Preis würdigt. Die brandenburgische Stadt gilt nicht nur als Hochburg der AfD, sondern zieht auch Neonazis an, die dort den geografischen Mittelpunkt des Deutschen Reiches wähnen. „Wir werden angefeindet und gelten als Nestbeschmutzer“, berichtet Brode. „Wir brauchen Menschen, die so mutig sind wie in Spremberg“, sagt auch Württembergs Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl in der Erlöserkirche. Gerade in einem derart ländlichen Raum seien die Akteure vor Ort bekannt. Gerade dort entscheide sich womöglich der Kampf um die Demokratie.