Immer wieder geht die Polizei mit Razzien gegen die italienische Mafia vor. Foto: dpa/Beckerbredel

Mafiosi, die Schutzgeld von Restaurants erpressen – dieses Bild haben viele von der Mafia bis heute. Doch die Organisation hat sich verändert. Das macht sie allerdings nicht weniger gefährlich.

Im Jahr 2007 wurden vor einem italienischen Restaurant in Duisburg sechs Menschen erschossen: eine Fehde innerhalb der kalabrischen Mafia, ausgetragen mitten in Deutschland. Bis dahin war vielen kaum bewusst, dass es die Mafia in Deutschland noch gibt. Auch 16 Jahre später ist die Mafia immer noch da. Im Vergleich zu anderen Bereichen der organisierten Kriminalität gehen ihre Mitglieder überdurchschnittlich professionell und organisiert vor, das zeigen Berichte des Bundeskriminalamts (BKA). Wie schlimm ist das Problem mit der Mafia? Und was lässt sich politisch dagegen tun?

2,2 Milliarden Euro Schaden durch organisierte Kriminalität

Wie hoch der finanzielle Schaden ist, der allein durch die Mafia entsteht, weiß man nicht. Grundsätzlich geht es in der organisierten Kriminalität aber um sehr viel Geld: 2,2 Milliarden Euro Schaden ermittelte das BKA im Jahr 2021 – für alle Gruppen zusammen, zu denen unter anderem auch Rockerbanden oder arabisch- und türkischstämmige Clans zählen.

Auch Zora Hauser will zur Mafia keine konkreten Zahlen nennen. Sie ist Mafia-Expertin und Soziologin an der Universität Oxford. „Es sind immer wieder Studien im Umlauf. Die sind in meinen Augen zu unseriös“, sagt Hauser. Es sei zu wenig über die Mafia in Deutschland bekannt.

Eine andere Mafia als früher

Das Phänomen Mafia existiert in der Bundesrepublik Deutschland bereits seit den 1970ern. „Fast jeder hat schon mal gehört, dass die italienische Mafia auch in Deutschland aktiv ist“, sagt Hauser. „Aber die wenigsten bekommen das wirklich mit.“ In den ersten Jahrzehnten sei das anders gewesen. „Da hat man Mafiosi auf der Straße gesehen, wenn sie mit Drogen gehandelt haben, ab und zu gab es mal einen Mord.“ Heute konzentriere sich die Mafia auf die Wirtschaft.

Lange war die italienische Mafia dafür bekannt, Schutzgeld von Restaurants zu erpressen. Das passiere nur noch in Einzelfällen, erklärt Hauser: „Heute läuft es meist subtiler.“ Dann werde ein Restaurant zum Beispiel dazu gedrängt, eine bestimmte Marke Olivenöl zu kaufen. „Die Produkte kommen dann aus Kalabrien, aus Unternehmen, die von der Mafia infiltriert sind.“ Auch der Drogenhandel gehört zum Kerngeschäft der Organisation.

Ein Paradies für Geldwäsche

Dass die Mafia gerade in Deutschland aktiv ist, hat einen Grund: Es ist hier einfach, Geld zu waschen. Das liegt daran, dass es keine Obergrenze für Bargeld gibt. Bis April konnte man sogar Immobilien mit Bargeld kaufen. Zudem sind die Behörden, die verdächtige Überweisungen prüfen sollen, nicht gut ausgestattet. Eigentlich gibt es eine Spezialeinheit, die Financial Intelligence Unit, die dafür zuständig ist, Hinweise auf Geldwäsche zu prüfen. Doch im vergangenen Jahr flog auf, dass die Behörde Hunderttausende Verdachtsmeldungen unbearbeitet liegen ließ.

Aktuell bewegt sich politisch allerdings etwas. Zum einen will Finanzminister Christian Lindner die Behörden für Geldwäscheaufsicht neu aufstellen. Zum anderen hat er kürzlich einen Entwurf für ein Vermögensermittlungsgesetz vorgelegt. Wer zum Beispiel Autos, Immobilien oder Schiffe kauft, müsste demnach künftig auf Anfrage nachweisen, woher das Geld dafür stammt. Dafür bräuchte es, anders als jetzt, keinen strafrechtlichen Verdacht.

Effizientes Instrument – und doch umstritten

Daniel Travers ist Wirtschaftsstrafverteidiger und hat sich mit dem Entwurf beschäftigt. Er glaubt, dass das Gesetz ein effizientes Instrument gegen Geldwäsche sein könnte. Trotzdem ist er skeptisch. „In meinen Augen führt das weg von der Unschuldsvermutung, von der wir eigentlich ausgehen“, sagt er. Die gelte zwar nur im Strafrecht. „Aber in vielen Fällen würde dann ja ein strafrechtliches Verfahren entstehen. Deshalb finde ich den Ansatz problematisch.“

Marcel Emmerich, Abgeordneter der Grünen im Bundestag und Obmann im Innenausschuss, hält das Gesetz hingegen für die richtige Idee. Häufig gebe es Verdachtsmomente, bei denen aber die dahinterliegende Straftat unklar sei: „Für solche Fälle brauchen wir rechtsstaatlich tragbare und effektive Instrumente“, sagte Emmerich unserer Redaktion. Er kündigte an, dass die Neuerungen gegen Geldwäsche noch in diesem Jahr im Parlament beraten werden sollten.