Die NASA-Aufnahme von 2006 zeigt die östliche Hemisphäre der Erdkugel: „Die Erde ist ein Patient, dem es nicht gut geht.“ Foto: Nasa Goddard Space Flight Center/dpa

Ein internationales Forschungsteam analysiert den Zustand der Erde anhand von neun Teilbereichen. Demnach sind sechs der neun Belastungsgrenzen überschritten, teilweise deutlich. Die Studie ist eine Warnung für die ganze Menschheit.

Die Ausbeutung des Planeten Erde durch den Menschen erzeugt immer größere Risiken. Einer Studie im Fachjournal „Science Advances“ („Earth beyond six of nine planetary boundaries“) zufolge sind sechs von neun sogenannten planetaren Belastungsgrenzen bereits überschritten, zum Teil deutlich.

Die Erde – ein kranker Patient

„Die Erde ist ein Patient, dem es nicht gut geht“, erklärt Ko-Autor Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), in einer Mitteilung des Instituts. „Wir wissen nicht, wie lange wir entscheidende Grenzen derart überschreiten können, bevor die Auswirkungen zu unumkehrbaren Veränderungen und Schäden führen.“

Plantare Grenzen: Kritische Schwelle ist erreicht

Die Überschreitung einer planetaren Grenze markiere eine kritische Schwelle für erheblich steigende Risiken, erläutert Erstautorin Katherine Richardson von der Universität Kopenhagen. „Wir können uns die Erde als einen menschlichen Körper vorstellen und die planetaren Grenzen als eine Form des Blutdrucks. Ein Blutdruck von über 120/80 bedeutet zwar nicht, dass ein sofortiger Herzinfarkt droht, aber er erhöht das Risiko.“

Erstmals definiert wurden die planetaren Grenzen, die einen sicheren Handlungsraum für die Menschheit abstecken sollen, im Jahr 2009. Dabei handelt es sich um neun Teilbereiche wie etwa die Nutzung von Süßwasser, die Funktion des Biosphäre, das Klima oder die Aerosolbelastung der Atmosphäre. Nun analysierte das internationale Forschungsteam um Rockström und Richardson den Zustand aller neun Systeme.

Bereits überschrittene planetare Grenzen

Globale Erwärmung: Suchmannschaften durchkämmen im libyschen Darnah Straßen, zerstörte Gebäude und das Meer, um nach Opfern zu suchen. Der Zusammenbruch zweier Dämme hat eine massive Sturzflut ausgelöst, die Zehntausende von Menschen tötete. Foto: AP/Yousef Murad/dpa
Globale Erwärmung: Von der Trockenheit zerklüftete und aufgerissene Erde an den Ufern des Viñuela-Stausees in Spanien. Foto: dpa/Felipe Passolas
Zerstörung von Lebensräumen: Abholzung des Regenwalds im Amazonasgebiet in Brasilien. Fast Jeden Tag werden große Flächen Regenwald zerstört, damit einher geht die Zerstörung von Lebensräumen für Tiere und Pflanzen. Foto: EFE/Marcelo Sayao/dpa
Verletzte Biosphäre: Braunkohlekraftwerk in der Tagebaufolgelandschaft in der sächsischen Lausitz. Foto: Imago/Blickwinkel
Artensterben: Ein Eisbär in der Arktis. Foto: Imago/Bia
Giftige Chemikalien: Gelände des früheren Velsicol Chemiewerks in St. Louis (US-Bundesstaat Michigan): Es handelt sich um eins der kostspieligsten Säuberungsmaßnahmen für Verunreinigungen, die vom Superfund Program der U.S. Environmental Protection Agency durchgeführt werden. Die Säuberungen von DDT, PBB, TCE und anderer giftiger Chemikalien auf dem Gelände und dem angrenzenden Pine River laufen seit 1982. Foto: Imago/Imagebroker
Wasserverbrauch: fast ausgetrockneter Stausee Embalse de Tirajana auf Gran Canaria, Foto: Imago/Blickwinkel
  • Deutlich überschritten sei der sichere Bereich bei der globalen Erwärmung sowie bei der Unversehrtheit der Biosphäre, schreibt das Team und verweist etwa auf das Artensterben und die Zerstörung von Lebensräumen.
  • „Neben dem Klimawandel ist die Funktionsfähigkeit der Biosphäre die zweite Säule der Stabilität unseres Planeten“, sagt Ko-Autor Wolfgang Lucht vom PIK. „Und wie beim Klima destabilisieren wir derzeit auch diese Säule.“
  • Überschritten sei die Grenze auch im Bereich des Einbringens neuartiger Stoffe in die Umwelt – also dem Eintrag vom Menschen erzeugter chemischer Verbindungen wie Mikroplastik, Pestiziden oder Atommüll.
  • Nicht ganz so kritisch sei die Situation beim Verbrauch von Süßwasser, doch auch hier sei die planetare Grenzen überschritten, heißt es weiter.

Noch nicht überschrittene planetare Grenzen

Verschmutzung der Atmosphäre: Blick auf die Erde aus dem SpaceX Dragon Endurance Spacecraft Foto: Imago/Zuma Wire
Ozeanversauerung: Stürmische See und hohe Brandungswellen am Pebble Beach bei Monterey (US-Bundesstaat Kalifornien). Foto: Imago/Blickwinkel
Ozonabbau: Foto: Imago/IP3Press
  • Derzeit noch im sicheren Bereich liegt demnach die weltweite Partikelverschmutzung der Atmosphäre, auch wenn in einigen Regionen wie etwa Südasien diese Grenze regelmäßig überschritten werde.
  • Die Ozeanversauerung liegt nach der Definition der Forscher gerade noch im grünen Bereich, ebenso der Ozonabbau in der oberen Atmosphäre.
  • Gerade aus dieser Entwicklung zieht das Team eine Hoffnung auf Besserung auch für andere Probleme. In den 1990er Jahren habe der Abbau der Ozonschicht die planetare Grenze überschritten. „Aber dank globaler Initiativen, die durch das Montrealer Protokoll erreicht wurden, wird dieser Grenzwert aktuell nicht mehr überschritten“, betont Richardson.

Kann man die globale Lage noch verbessern?

Für die Neubewertung der planetaren Grenzen nutzte das Forschungsteam zum einen aktuelle Studien, zudem simulierte es die Entwicklung der Erde mit Modellen des Erdsystems und auch der Biosphäre für mehrere hundert Jahre in die Zukunft. Als Vergleichsbasis diente ihnen die Phase zwischen der letzten Eiszeit und dem Beginn der Industriellen Revolution.

Wenn eine Belastungsgrenze überschritten sei, gebe es aber noch Möglichkeiten, die Lage zu bessern, betont das Team und verweist am Beispiel der Erderwärmung etwa auf Aufforstung. Sollte die Menschheit es schaffen, den CO2-Gehalt der Atmosphäre auf 450 Teilchen pro Million (parts per million, ppm) zu begrenzen – derzeit liegt er bei 417 – und zudem den Bestand des borealen und des tropischen Waldes nicht unter 60 Prozent der ursprünglichen Bewaldung sinken zu lassen, könnte die Erderwärmung deutlich gebremst werden.

„Dann deutet die Simulation auf einen durchschnittlichen Temperaturanstieg über dem Land von 1,4 Grad bis zum Jahr 2100 hin“, heißt es. Allerdings halten etliche Klimaforscher das Erreichen des Zieles, die Erderwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Phase auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, für nicht mehr realistisch.