Streikende Sicherheitskräfte demonstrieren am Montag auf dem Hauptstadtflughafen BER. Foto: dpa/Fabian Sommer

Die Gewerkschaften wollen das öffentliche Leben in diesen Tagen massiv beeinträchtigen – mit dem Höhepunkt am 27. März. Dann soll die Zusammenführung mehrerer Tarifkonflikte die Wirkung der Streiks verstärken.

Am kommenden Montag, den 27. März, dürfte die Bevölkerung wie vielleicht nie zuvor die Macht der Gewerkschaften zu spüren bekommen. Auch wenn es noch nicht offiziell bestätigt wird, so planen sie offenbar, die Republik an jenem Montag quasi in einen Mobilitäts-Lockdown zu zwingen. Dann soll in einer konzertierten Aktion der gesamte Verkehrsbereich mit Streiks getroffen werden: Flughäfen, die Deutsche Bahn, kleinere Bahngesellschaften sowie der Öffentliche Personennahverkehr. Selbst die Autobahngesellschaft des Bundes wäre betroffen, was zu Beeinträchtigungen des Straßenverkehrs führen könnte.

Am Donnerstagmittag wollen Verdi und die Bahngewerkschaft EVG bei einer Pressekonferenz in Berlin über die nächsten Schritte informieren. Man sei mit der EVG in ständigem Austausch, hatte Verdi-Chef Frank Wernek Anfang der Woche im Interview mit unserer Zeitung gesagt. „Von daher behalten wir uns auch vor, Aktionen gemeinsam zu organisieren.“

Welche Tarifkonflikte sind betroffen?

Neu ist, dass mehrere Gewerkschaften parallel Tarifkonflikte zuspitzen, die formal gar nichts miteinander zu tun haben. Da geht es vor allem um vier große Bereiche:

Öffentlicher Dienst

Im öffentlichen Dienst steht vom 27. bis 29. März die dritte Verhandlungsrunde mit Bund und Kommunen an. Verdi-Chef Frank Werneke hat schon angedeutet, dass man eine Urabstimmung über einen unbefristeten Streik ins Auge gefasst hat. Von einer eigentlich noch vorgesehenen Schlichtung verspricht er sich demnach wenig.

Gesundheitswesen

In der vergangenen Woche hatte Verdi einen Schwerpunkt auf Arbeitsniederlegungen im Gesundheitswesen gelegt – so im Klinikum Stuttgart sowie in Krankenhäusern in Ludwigsburg, Winnenden oder Schorndorf. Zusätzlich hatte der Beamtenbund Beschäftigte der Bundesagentur für Arbeit zum ganztägigen Warnstreik aufgerufen. Anfang dieser Woche lag ein Streikschwerpunkt in Nordrhein-Westfalen, wo sich nach Gewerkschaftsangaben 40000 Bedienstete an Arbeitsniederlegungen in Nahverkehrsbetrieben, Verwaltungen, kommunalen Betrieben, Kitas, Jobcentern und Sparkassen beteiligten. Weitere Warnstreiks gab es in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Mecklenburg Vorpommern. Und am Mittwoch stehen unter anderem in Stuttgart und Esslingen Busse und Bahnen still.

Flughäfen

Im Fokus waren Anfang vergangener Woche wieder eine Reihe von Flughäfen in Norddeutschland: Bestreikt wurde vor allem der Hauptstadtflughafen BER, zudem die Airports Hamburg, Hannover und Bremen. Am Freitag legten Streikende dann auch den Stuttgarter Flughafen lahm. Hunderte Flüge mussten in der Woche gestrichen werden – Zehntausende Passagiere wurden in Mitleidenschaft gezogen. Die Ausstände der Sicherheitskräfte hatten Auswirkungen auf den Betrieb anderer Flughäfen bundesweit.

Die tarifpolitische Lage ist bei den Flughäfen komplex: In Stuttgart ist der öffentliche Dienst kaum tangiert. Ausschlaggebend für Aktionen sind vielmehr die bundesweiten Tarifverhandlungen für die Luftsicherheit und lokale Gespräche für die Bodenverkehrsdienste (Stuttgart Ground Services).

Bahn

Als dritter großer Verkehrsbereich steht die Bahn in den Fokus: Denn die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG bündelt erstmals ihre tarifpolitischen Aktivitäten. Sie hat parallel zentrale Forderungen an die Deutsche Bahn und rund 50 weitere Schienenunternehmen gerichtet – bis zum 23. März soll mit allen einmal verhandelt worden sein. Dann werde „Bilanz gezogen“.

Die EVG will ein Lohnplus von zwölf Prozent durchsetzen – die Gegenseite spricht von 18 Prozent beim Entgelt sowie 57 Einzelforderungen, die es noch teurer machten. Für den 27. März erstellt die Bahnführung bereits Notfallpläne.

Warum werden Tarifkonflikte gebündelt?

Generalstreiks, mit denen das Land lahm gelegt wird, sind rechtswidrig, wenn damit ein politisches Ziel verfolgt wird. Sorgsam achten die Gewerkschaften darauf, die Konflikte auseinander zu halten und Streikaufrufe an den konkreten Tarifzielen zu orientieren, um nicht vor Gericht gestoppt zu werden.

Auch neue Debatten über eine Begrenzung des Streikrechts in der öffentlichen Daseinsvorsorge sind möglich. Vielleicht haben es sich die Gewerkschaften im europäischen Ausland abgeschaut: Nun könnten sie erstmals in diesem Umfang ihre Streikmacht bündeln, um die Wirkung der Aktionen zu verstärken. Das ist offenkundig von langer Hand so vorbereitet: „In der letzten Märzwoche wird es richtig knallen“, wusste ein hochrangiger Verdi-Funktionär schon Mitte Januar.

Handelt es sich noch um Warnstreiks oder schon um unbefristete Streiks?

Verdi versucht dem Eindruck entgegenzutreten, dass quasi schon unbefristet gestreikt werde – bisher handele es sich um eine moderate Strategie, heißt es. Selbst größere Aktionen würden vorher angekündigt. Demzufolge sieht sich Verdi bei aller Offensive auch im Verteidigungsmodus und will die Öffentlichkeit nicht weiter gegen sich aufbringen.

Welchen Einfluss hat der Post-Abschluss?

Die Verdi-Führung gibt sich in der Bewertung der Einigung mit der Deutschen Post noch zurückhaltend, weil erst die Mitglieder darüber befinden sollen. Doch würde man wohl allzu gerne schon feiern: Der Tarifabschluss wird als der höchste in einem Flächentarifvertrag seit womöglich fünf Jahrzehnten angesehen.

In den Entgelttabellen ist elf bis 16 Prozent mehr Lohn für 90 Prozent der Beschäftigten vorgesehen – bei den Einstiegsgehältern gebe es sogar 20 Prozent mehr. Hinzu käme die volle Ausschöpfung der Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro netto. Trotz der langen Laufzeit bis Ende 2024 fühlt sich Verdi als eindeutiger Sieger des Konflikts, weil quasi alle Forderungen erfüllt würden.

Der Post-Abschluss setzt aus Verdi-Sicht nun auch eine Benchmark für die noch ausstehenden Tarifverhandlungen. Selbst wenn sich derart exorbitante Lohnzuwächse vor allem bei den Kommunen kaum durchsetzen lassen werden, geht es den Gewerkschaften jetzt mehr denn je darum, mit aller Gewalt das Maximum herauszuholen.