Ein Team, in dem viel Harmonie herrscht: TSG-Trainer Michael Lattacher bei seiner Ansprache vor dem Spiel. Foto: /Herbert Rudel

Die TSG Esslingen hat eine „geile“ Saison hinter sich und immer noch eine gute Mannschaft – aber der Altersschnitt ist hoch und im Verein kommt wenig nach.

Michael Lattacher ist ein Mann mit viel Fußball-Sachverstand. Und einer mit viel Humor. Deshalb kann er sich diesen Spruch nicht verkneifen: „Ich könnte ja trotz frisch operierter Hüfte mein Comeback geben und mit der Mannschaft richtig durchstarten.“ Lattacher ist 53 Jahre alt und Trainer der Kreisliga-A-Fußballer der TSG Esslingen. Das mit der Hüfte mag auch eine Spätfolge dessen sein, dass er selbst mal ein sehr ordentlicher Kicker war. Worauf er mit seiner freilich nicht ernst gemeinten Aussage anspielt: Würde er tatsächlich wieder auf dem Platz stehen, würde er das Durchschnittsalter des TSG-Teams zwar anheben, aber nicht so deutlich, wie das bei anderen Mannschaften der Fall wäre.

Das wiederum ist wichtig, um zu verstehen, warum es nicht nur branchenübliches Understatement ist, dass die Kicker vom Zollberg für die Ende August beginnende Runde jeglichen Topfavoriten-Status ablehnen. Ihnen diese Rolle zuzuschreiben, läge nämlich nahe: In der vergangenen Saison stand die TSG wochenlang an der Tabellenspitze, durch anderthalb Schwächephasen verpasste die Mannschaft den Relegationsplatz zwei um einen einzigen Punkt. Der TSV RSK Esslingen, der hinter dem am Ende souveränen Meister TV Unterboihingen schließlich Zweiter wurde, spielt nun in der Bezirksliga. „Man kann nicht sagen: Unterboihingen und der TSV RSK sind weg, runtergekommen ist nur Denkendorf – jetzt werden wir Zweiter“, bekräftigt Lattacher. Platz fünf bis sechs sei in Ordnung, betont der Coach. Er begründet das damit, dass die abgelaufene Saison „außergewöhnlich“ gewesen sei, und eben mit dem Durchschnittsalter des Teams von mehr als 30 Jahren. Die Mannschaft könnte in wenigen Jahren praktisch direkt in die AH übergehen.

Aber: Das bedeutet, dass das TSG-Team seit vielen Jahren zusammenspielt und entsprechend harmoniert. Das war auch eine der Stärken in der vergangenen Saison. „Es war schon geil, mit jedem Sieg ist das Selbstvertrauen größer geworden und wir wollten das nächste Spiel gewinnen“, erzählt Mittelfeldspieler Dominic Hornisch. Auch Lattacher denkt positiv an die Runde zurück, obwohl er das Gefühl, „dass es am Ende ärgerlich war, die Relegation um einen Punkte zu verpassen“, nicht ganz beiseite schieben kann. Als Grund für den Erfolg nennt er auch, dass er die für das Team optimale Spielweise gefunden habe. „Man hat ja seine Vorstellungen, wie man Fußball spielen lassen will“, erklärt er. Das ist bei ihm vor allem offensiv. Aber: „In meiner ersten Saison habe ich die Mannschaft einfach kicken lassen. Dann habe ich gemerkt, dass sie besser aus einer kompakten Abwehr kommt.“ Das Ergebnis umschreibt der Coach schmunzelnd so: „Ein punktemäßig erfolgreicherer Fußball.“ Und er fügt hinzu: „Es waren auch ein paar Krampenkicks dabei.“ Erfolgreiche Krampenkicks.

Und jetzt? Immerhin vier Zugänge kann die TSG vermelden. Aber auch hier sind kaum junge Fußballer dabei. „Die kommen nicht zu uns, nur weil ich vielleicht Ahnung von Fußball habe oder so nett bin“, sagt der Trainer. Sie gehen dahin, wo ihre Kumpels kicken. Sertan Gider und Torhüter Niazi Giousouf kommen vom SV Mettingen, Sven Feliks vom TV Nellingen und in Alphonse Ndolumingo vom TSV Denkendorf endlich auch eine neue Offensivkraft. „Vorne fehlt es uns“, sagt Hornisch und Lattacher ergänzt: „Zwei Drittel unserer Mannschaft besteht aus defensiven Mittelfeldspielern, da sind wir wirklich gut aufgestellt.“

Die momentane TSG-Mannschaft steht voll im Saft. Der Blick in die mittelfristige Zukunft aber kann Sorgen bereiten. „Das wir nicht jünger werden, wissen wir selbst. Wir können die vergangene Saison realistisch einschätzen, und wir können das auch in Bezug auf die kommende“, sagt Hornisch. Was er meint: Es kommt wenig nach. Er und die meisten seiner Kameraden sind einstmals gemeinsam aus der Jugend zum Erwachsenenteam gekommen. Das spricht für den Zusammenhalt und für die Atmosphäre im Verein. Aber heute sind sie Gruftis der Liga. Die D-Jugend ist zurzeit das älteste Nachwuchsteam des Vereins. Darüber ist nichts, was in näherer Zukunft das Erwachsenenteam verjüngen könnte. Nachhaltig wäre es also kaum, wenn die TSG in der vergangenen Saison aufgestiegen wäre oder wenn sie es in der nächsten tut. Also heißt es genießen und das Beste geben. Denn eines hat sich nicht geändert, wie TSG-Kicker Hornisch betont: „Wir wollen jedes Spiel gewinnen.“

Das wäre der Mannschaft beim EZ-Pokal am Donnerstag beinahe gelungen, obwohl sie in der sehr starken Gruppe C antritt. Einen Tag nach dem 0:3 gegen den FC Esslingen führte die TSG gegen den FV Neuhausen durch ein Tor von Etienne Balthasar lange mit 1:0 – kassierte in der Nachspielzeit aber noch das 1:1. Trainerfuchs Lattacher ärgerte sich über das späte Tor, lobte Neuhausens Spielertrainer Ugur Yilmaz für seinen sehenswerten Fallrückzieher und war insgesamt zufrieden. Und wenn man ihm genau zuhört, dann merkt man doch, dass er sich nicht dagegen wehren würde, auch in der Spielzeit 2023/2024 wieder in oberen Tabellenbereichen mitzuspielen. In Bezug darauf, dass an deren Ende als Folge der bevorstehenden Bezirksreform die Relegation ausfällt und nur der Meister aufsteigt, sagt er: „Es wäre bitter, wenn wir Zweiter werden.“