„Die Brandmauer zur AfD bleibt“, sagt der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Andreas Jung im Interview unserer Zeitung. Foto: imago/Metodi Popow

Im Gespräch mit unserer Zeitung warnt der stellvertretende Unionsvorsitzende Andreas Jung vor einem Rechtsschwenk seiner Partei und betont das christliche Menschenbild.

In der CDU herrscht große Verunsicherung. Das Erstarken der AfD macht viele in der Partei unruhig und lässt die Frage aufkommen, wie man mit den Rechtspopulisten umgehen soll. In diese Debatte schaltet sich der stellvertretende Bundesvorsitzende Andreas Jung mit einem Appell ein, den am christlichen Menschenbild orientierten Kurs der Mitte nicht zu verlassen.

Herr Jung, in der CDU scheint es eine tiefe Verunsicherung über Kurs und Ausrichtung zu geben. Nehmen Sie diese Stimmung auch wahr?

Ich nehme in der ganzen Gesellschaft eine Verunsicherung wahr. Die hat viele Gründe, etwa den Ukraine-Krieg und die wirtschaftliche Lage. Die Menschen fragen sich: Was bedeutet das für uns? Wie bewältigen wir die Flüchtlingskrise oder den Klimawandel? Das spiegelt sich natürlich auch in einer Volkspartei wider. Entscheidend ist, dass wir die Sorgen ernst nehmen, aber der Verunsicherung nicht nachgeben, sondern ihr entgegentreten – auf der klaren Grundlage unserer Werte und mit Optimismus. Das geht nur mit überzeugenden Antworten. Nur so können wir den Menschen die Angst vor Veränderung nehmen.

Stichwort Werte: Ausgerechnet Andreas Rödder, Leiter der CDU-Grundwertekommission, hat vor „falschen Brandmauern“ gewarnt. Das zielt auf die AfD. Er kann sich Minderheitsregierungen der CDU in den Ländern vorstellen, die sich ihre Mehrheiten auch mit Stimmen aus der AfD holen.

Das wäre für die CDU der Weg ins Verderben. Die Brandmauer bleibt, wir dürfen uns niemals von der AfD abhängig machen. Da darf es kein Wackeln geben. Die AfD steht für das Gegenteil dessen, was wir vertreten. In unserer Grundwerte-Charta bekennen wir uns klar zum christlichen Menschenbild, zu „Maß und Mitte“, und wir treten darin den Feinden einer offenen Gesellschaft entgegen. Wir sind die Partei von Walter Lübcke, die AfD ist die Partei von Björn Höcke. Wir stehen für Zusammenhalt, die AfD betreibt Spaltung. Da kann es keine Zusammenarbeit geben.

Aber die Thüringer CDU hat doch genau das gemacht: nämlich einen Plan durchgesetzt, der nur mit den Stimmen der AfD funktionieren konnte.

Das ist ein völlig anderer Fall. Rödder spekuliert über eine CDU-Minderheitsregierung, die auf AfD-Stimmen angewiesen wäre und schließt auch das Zustimmen zu AfD-Anträgen nicht aus. Die CDU Thüringen hat dagegen deutlich erklärt: Es gab keine Gespräche mit der AfD, keine Absprachen. In der Sache ist die Senkung der Grunderwerbsteuer sinnvoll, politisch in keiner Weise kontaminiert. Es gilt beides: Die CDU kann sich in ihrer inhaltlichen Positionierung nicht von anderen Parteien abhängig machen, trotzdem ist nach der Thüringer Abstimmung kritische Nachdenklichkeit auf allen Seiten gefragt. Warum kam es dazu, und wie kann das künftig vermieden werden? Das darf sicher keine Blaupause werden. Da sind auch SPD, FDP und Grüne gefordert. Für vernünftige Anliegen gibt es in jedem Land und jeder Kommune eine Mehrheit ohne AfD.

Gibt es Strömungen und Teile in der CDU, die in der Agitation gegen die Grünen ein gewisses Maß überschritten haben?

Klare Kante ist ja notwendig: gegen den Holzweg der Grünen beim Heizungsgesetz oder bei ihrer Blockade weiterer sicherer Herkunftsstaaten. Als Demokraten müssen wir dabei ohne Überdrehung und immer mit Respekt streiten. Zudem sieht man in Baden-Württemberg ja, dass wir auch gut zusammenarbeiten können.

Sie halten die Grünen also auch auf Bundesebene für potenzielle Koalitionspartner?

Bei Koalitionen geht es immer um Inhalte, nie um romantische Gefühle. Die gibt es ganz sicher auch für die Grünen nicht. Es wäre aber ganz falsch, eine Koalition rundweg auszuschließen. Wenn es mit der FDP nicht reicht, bliebe sonst nur eine neue Koalition mit der SPD. Diese Verengung würde uns schwächer machen. Leistung muss sich wieder lohnen als Botschaft und eine Groko als Zukunftsmodell? Das passt nicht zusammen.

Wie geht es weiter in der Causa Maaßen?

Wir haben als Bundesvorstand den Parteiausschluss auf den Weg gebracht, weil Maaßens Äußerungen eklatant den Werten der CDU widersprechen. In erster Instanz ist das Kreisparteigericht dem nicht gefolgt. Formal wird nun dessen Begründung abgewartet. In der Sache kann es nur eine Linie geben: Das Verfahren wird weiter betrieben. In neuen Äußerungen nähert er sich ja immer noch weiter der AfD an.

Ist seit dem Sturz in die Opposition auf Bundesebene in der CDU eine Tendenz erkennbar, die Union von einer christdemokratischen zu einer konservativen Partei nach dem Vorbild der Tories in Großbritannien oder der Republikaner in den USA umzuformen?

Die auch von Andreas Rödder aufgeworfene Frage nach dem „C“ der „CDU“ wurde klar beantwortet: Das C bleibt! Es ist unser Fundament, darauf muss immer eine Breite stehen. Neben konservativen Positionen müssen immer auch die liberalen und sozialen Wurzeln ihren Platz haben. So wie etwa Norbert Blüm als „Herz Jesu-Sozialist“ früher das Gesamtbild mitprägte. Nur wenn wir diesen breiten Anspruch verkörpern, haben wir Erfolg. Mit Einseitigkeit und Verschiebungen dagegen würden wir verlieren - erst Integrationskraft, dann Wahlen. Es darf keinen Rechtsruck in der CDU geben, unser Platz ist in der Mitte – als Volkspartei mit dem „C“.

Jurist und Bundestagsabgeordneter

Ausbildung
 Der 38-jährige Andreas Jung ist Jurist. Nach dem Abitur studierte er in Konstanz Rechtswissenschaften. Nach dem zweiten Staatsexamen 2002 wurde er als Rechtsanwalt zugelassen und war als Wirtschaftsanwalt in Mannheim tätig.

Bundespolitik
 Seit 2005 ist er im Wahlkreis Konstanz der stets direkt gewählte Bundestagsabgeordnete. Seit 2022 ist er einer von fünf Vize-Bundesvorsitzenden. Er ist in der CDU der profilierteste Experte für Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes.