Vor dem Stuttgarter Opernhaus in angenehmer Atmosphäre essen und trinken können – tolle Sache, könnte man meinen. Jedoch: Die Außengastro-Pläne entfachen Streit. Warum eigentlich?
Arne Braun, Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, gilt nicht unbedingt als geduldig, wenn es darum geht, Chancen zu einer positiven Veränderung auch zu nutzen. Die Idee der Staatstheater Stuttgart, auf den Freiflächen zwischen Opernhaus sowie Schauspielhaus und Eckensee ein Konzept für eine gastronomische Nutzung zu realisieren, ist aus Sicht des Grünen-Politikers solch eine Chance. „Eine Riesenchance“, sagt Braun.
148 Sitzplätze mit Blick auf den Eckensee, das Neue Schloss, das Kunstgebäude und den umgebenden Schlossgarten plus 40 Außenplätze für die Kantine der Staatstheater– das ist die verlockende Seite. Weniger schön aus Sicht der Radfahrer, die aktuell die Fläche als Teil der Hauptradroute 1 nutzen: Für sie wäre bei einer Außengastronomie vor dem Opernhaus kein Platz mehr. Oder wie es die SPD-Fraktion im Stuttgarter Gemeinderat in einem Antrag an die Stadtverwaltung formuliert: „Hier scheinen für die Radfahrenden rücksichtslos Fakten an einem bereits jetzt schwierigen Stück Radroute geschaffen werden zu wollen, ohne diese selbst einzubeziehen.“
Auch der Bezirksbeirat Mitte hat die Pläne eher verhalten aufgenommen. Bevor kein Ersatzradweg, wenn auch nur in Form eines Pop-up-Radwegs, zur Verfügung stehe, könne die bisherige Route nicht wegfallen, heißt es. Sven Hahn, Geschäftsführer der City-Initiative Stuttgart, hält die Debatte für „nicht wirklich nachvollziehbar“. Es seien, sagt Hahn, schon zahlreiche Versuche unternommen worden, diesen Stadtraum auch wirklich als solchen erfahrbar zu machen und damit auch das Sicherheitsgefühl zwischen Königstraße und Staatstheater-Areal insgesamt zu stärken. „Das jetzt“, so Hahn, „ist der erste Vorschlag, der an dieser Stelle auch funktionieren könnte.“ Natürlich aber brauche es eine intelligente Lösung für die Radfahrer.
„Erster Vorschlag, der funktionieren könnte“
Auch für Bedenken der Denkmalschützer, der Schicksalsbrunnen zwischen Opernhaus und Schauspielhaus könne Schaden nehmen, hat der Citymanager wenig Verständnis. An anderer Stelle hatte er von einer „öffentlichen Bedürfnisanstalt“ gesprochen, nun weist er auf das „triste Schattendasein“ des Brunnens hin.
Eine Forderung bleibt aus: Den Schicksalsbrunnen perspektivisch wieder dorthin zu bringen, wo er historisch hingehört – vor das Opernhaus auf einen Teil der Fläche der heutigen Konrad-Adenauer-Straße. Diese Debatte zu unterlassen, weil der Raum für die geplante Radschnellverbindung gebraucht wird, ließe sich dann unter der großen Stuttgarter Rubrik ausgelassene Chancen summieren.
Mittel gegen den Weg des Grauens?
Für Citymanager Hahn ist klar: „Das Außengastronomie-Konzept ist endlich mal etwas, das wirklich helfen würde.“ Vielleicht auch, um Bewegung in die Gesamtgestaltung zwischen Staatstheater und Königstraße zu bringen?
„Gehen Sie bei Dunkelheit von der Oper zur Straßenbahn-Haltestelle Klett-Passage“, schreibt eine Leserin an unsere Zeitung – „Ein Weg des Grauens!“ Und fragt: „Wie wird der öffentliche Raum bis zur Klett-Passage wieder ein Aushängeschild für die Stadt?“ Der Verweis auf die Pläne für die Königstraße 1–3 hilft für die kommenden Jahre nicht weiter, und die Studio-Amore-Faszination ist räumlich doch weit entfernt.
Warum aber nicht auch die rückwärtige Terrasse des Württembergischen Kunstvereins Stuttgart (Kunstgebäude) auf der gegenüberliegenden Seite des Eckensees nutzen? Die Kunstvereinsverantwortlichen Iris Dressler und Hans D. Christ haben bereits Erfahrung mit einer temporären Nutzung der Fläche. Und Außengastronomie vor dem Opernhaus und Clubatmosphäre vor dem Kunstverein – wäre das nicht ein Stadtraumdialog, wie man ihn sich für Stuttgart nur wünschen kann? Christ sieht anderes vordringlich: „Wir vertiefen das Netzwerk mit der mobilen Jugendarbeit und anderen sozialen Trägern“, sagt er. Der Kunstverein sieht sich auch als soziale Werkstatt, in der die Jugendlichen aktiv agieren. Die Freifläche zum Eckensee „kann da eine Rolle spielen“, sagt Christ, „dann müsste das Konzept bis hin zur Möblierung aber auch aus dem Netzwerk heraus erarbeitet werden“.
Probelauf für Debatte über Sanierung?
Sven Hahn bleibt pragmatisch: „Es geht darum“, sagt er mit Blick auf den Eckensee und den umgebenden Oberen Schlossgarten, „dass wir etwas realisieren, das diesen Ort besser macht.“ Und: „Es geht darum, dass Leute kommen, die sonst nicht so gerne dort sind.“ Die SPD im Stuttgarter Rathaus ist hiervon kaum weit entfernt, wenn sie in ihrem Antrag grundsätzlich formuliert: „Wir teilen den Wunsch nach einer Öffnung des Opernhauses in die Stadtgesellschaft sowie einer (Wieder-)Belebung der Innenstadt an dieser Stelle.“
Arne Braun ist solch eine Absichtserklärung offenbar zu wenig. Der Staatssekretär denkt an die seit fast 30 Jahren geplante Erweiterung des Staatstheater-Areals am Standort und die umstrittene Generalsanierung des Opernhauses: „Wenn wir es schon mit ein paar Stühlen und Tischen zur Bewirtung nicht schaffen“, sagt Braun, „wie sollen wir dann die Sanierung des gesamten Hauses hinbekommen?“