In zehn alten Klassenzimmern und dem Lehrerzimmer der OPS, die seit Mitte des vergangenen Jahres leer steht, sollen insgesamt 98 Flüchtlinge einziehen. Je nachdem, wie schnell die Baufirmen arbeiten, könnte das Anfang des kommenden Jahres der Fall sein. Foto:  

In Freiberg/Neckar wurde das alte Gebäude der Oscar-Paret-Schule nicht abgerissen, weil es das Zentrum von einer riesigen Baustelle abschirmen sollte. Die Entscheidung erweist sich jetzt als Glücksfall.

Wohin nur mit all den Geflüchteten? Diese Frage stellen sich Bürgermeister und Verwaltungen landauf, landab. Häufig bleibt nur, die Menschen irgendwo in der Peripherie in Containern einzuquartieren. Wenn selbst das nicht mehr geht, weil beispielsweise Flächen fehlen, müssen zur Not Turnhallen belegt werden.

In Freiberg am Neckar hat man nun eine einigermaßen elegante Lösung gefunden, die schon länger im Gespräch war. In dem leer stehenden Gebäude der alten Oscar-Paret-Schule (OPS) sollen bis zum kommenden Jahr bis zu 98 Personen ein Dach über dem Kopf finden. Seit der Eröffnung der neuen OPS im vergangenen Herbst ist das alte Schulgebäude verwaist. Der hintere Teil wurde bereits abgerissen, um Platz für eine neue Sporthalle zu schaffen. Dass man den vorderen Teil – als Riegel, der das restliche Zentrum von der Baustelle abschirmt – stehen lassen hat, entpuppt sich jetzt als „Glücksfall“, sagt Bürgermeister Dirk Schaible.

1,1 Millionen Euro kosten die Umbauarbeiten

Dass man die Schule so nutzen müsse, zeige auf der anderen Seite „das Ausmaß der Dramatik“. Schaible erhebt – wie andere Bürgermeister im Kreis und Landrat Dietmar Allgaier auch – Vorwürfe gegen Bund und Land. Die würden das Problem einfach bei den Kommunen abladen. Die Situation sei „erdrückend aufgrund der schieren Anzahl von Menschen, die zu uns kommen“.

Die Stadt hat wie alle anderen Kommunen auch, Gebäude gekauft oder angemietet – unter anderem dient das Pfarrhaus im Ortsteil Beihingen als erste Anlaufstelle für Ukrainerinnen und Ukrainer. Die Lugaufhalle war schon präpariert worden, musste dann aber doch nicht genutzt werden. „Was die Unterbringung angeht, geht es aber längst nicht mehr um gute Lösungen, sondern nur um die am wenigsten schlechte“, so Schaible.

Als zumindest praktikable Lösung kann man die OPS bezeichnen. Sie herzurichten wird die Stadt rund 1,1 Millionen Euro kosten. Container anzuschaffen wäre allerdings noch teurer. Von dem Geld werden beispielsweise Duschen eingebaut, die alte Schulküche kann weiter genutzt werden, die Toiletten auch. Der Erste Beigeordnete Stefan Kegreiß spricht von „ordentlichen Voraussetzungen“. Ein großer Teil der Summe, die die Stadt in die Hand nehmen muss, verschlingt der Brandschutz. Für die Unterkünfte gelten dieselben Anforderungen und Auflagen wie für jeden städtischen Bau, was Schaible nicht versteht. „Wir sind in einer riesigen Krise, aber es gibt überhaupt keine Ausnahmen.“ Aus seiner Sicht wäre „etwas mehr Beinfreiheit“ angebracht – noch ein Punkt, der die Zuständigen überhaupt nicht interessiere.

Interimslösung für die Kasteneck-Grundschule?

Immerhin: In Freiberg kommt noch ein weiterer glücklicher, sozusagen mildernder Umstand hinzu, der die Investition nicht ganz so schwer wiegen lässt. Wenn die Kasteneckschule neu gebaut wird, braucht es Ausweichmöglichkeiten für die Grundschüler. Die alte OPS böte genug Platz, auch die Abc-Schützen aufzunehmen. Sie könnten im südlichen Teil unterkommen. Dabei sind aber noch Details zu klären. Im nördlichen Bereich, wo einst Generationen von Schülerinnen und Schüler büffelten, werden die Flüchtlinge nächtigen. Auch das ehemalige Lehrerzimmer wird mit Betten ausgestattet. Schüler und Flüchtlinge werden sich im Gebäude nicht begegnen und bekommen separate Eingänge. Das gibt der Bau her. Theoretisch auch, dass im zweiten Stock noch mehr Flüchtlinge untergebracht werden. Das hat die Verwaltung zwar auf dem Zettel, dient aber erst einmal als „Reserve“.

Es sei auch die Frage, „wie viele Menschen das Umfeld verträgt“, sagt Schaible. Die OPS grenzt direkt an den Marktplatz an, das Hallenbad ist nur einige Meter entfernt, Geschäfte des täglichen Bedarfs, eine Eisdiele, mehrere Essensmöglichkeiten – der Polizeiposten auch. Insgesamt habe Freiberg das Thema Flüchtling bisher „relativ geräuschlos“ über die Bühne gebracht, sagt Stefan Kegreiß. Wenn einmal Flüchtlinge direkt im Stadtzentrum wohnen, bekommen sie aber eine ganz andere Sichtbarkeit. Dass es da Bedenken und Vorbehalte geben könnte – durchaus möglich. Der Gemeinderat hat die Pläne jedenfalls schon im vergangenen Jahr abgesegnet, nächste Woche soll er die ersten baulichen Schritte genehmigen.

Nur ein Sozialarbeiter für 100 Flüchtlinge

„Wenn es Probleme gibt, dann müssen wir uns eben drum kümmern“, sagt Dirk Schaible. „Das Rathaus ist direkt gegenüber, auch sonst gibt es rundrum gute Anknüpfungspunkte.“ Heißt: Im Idealfall bleiben die Flüchtlinge nicht nur unter sich, der Austausch und damit die Integration gelingt besser als mit Flüchtlingen, die gezwungenermaßen häufig unter sich sind. Die Stadt hofft dabei auch auf Unterstützung von kirchlichen Einrichtungen. Sie beschäftigt derzeit einen Sozialarbeiter. Das freilich wird wohl nicht reichen.

Auch wenn die Stadt keinen Einfluss darauf hat, alleinstehende Männer sollen nicht in die alte OPS einziehen. Schaible und Kegreiß hoffen dabei auch auf die „nötige Sensibilität“ beim Landratsamt, dass die Kontingente zuteilt. Und wie lange bleiben die Flüchtlinge in der OPS? Bürgermeister Schaible kann da nur mit den Schultern zucken. Er weiß es nicht. Nur so viel: Eine Lösung auf Dauer sei die Unterbringung nicht.

Wie viele Flüchtlinge sind bereits in Freiberg?

Flüchtlinge
 Seit Sommer 2019 sind die Flüchtlingszahlen bis zum Anfang dieses Monats von 66 auf 218 gestiegen. Davon kommen 86 Personen aus der Ukraine. Die Stadt rechnet in diesem Jahr mit mindestens 55 weiteren Personen, die wegen des russischen Angriffskriegs fliehen. Hinzu kommen 65 Asylbewerber aus anderen Ländern. Die neu geschaffenen Kapazitäten in der alten OPS wären damit schon ausgeschöpft. „Was ab 2024 passiert, können wir noch gar nicht absehen“, sagt Stefan Kegreiß.

Marktplatz
 Bis zum Herbst 2024 soll die neue Sporthalle hinter der alten Schule fertig sein. Eigentlich ist geplant, das komplette Zentrum sukzessive umzubauen. Dafür muss die alte Stadthalle weichen, eigentlich auch das alte Schulgebäude, in dem nun Flüchtlinge einquartiert werden. Im Gespräch ist beispielsweise ein Bürgerhaus.