Das Thema Gender-Verbot wurde am Mittwoch im Landtag heiß diskutiert (Archivbild). Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Die Regierungsfraktionen und Opposition im Landtag blocken einen Antrag der AfD für ein Gender-Verbot in allen öffentlichen Einrichtungen ab – dabei gibt es in der grün-schwarzen Koalition und bei der FDP durchaus Gegner des Genderns.

Es war ein Lehrstück für den Umgang mit der AfD im Landtag. Die Fraktion hatte am Mittwoch einen Antrag gestellt, um die Landesregierung aufzufordern, ein Gender-Verbot in Schulen und öffentlichen Einrichtungen einzuführen. Doch obwohl Teile von Opposition und Regierung eigentlich gegen das Gendern in Schulen sind, dringt die AfD nicht durch.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte die Gender-Debatte vor rund zwei Wochen neu entfacht als er ankündigte, das Gendern in Schulen und der Verwaltung in Bayern zu untersagen. Die neue schwarz-rote Regierung in Hessen plant ebenso, in Verwaltung, Schulen und Universitäten auf das Gendern mit Sonderzeichen zu verzichten.

Abgeordnete stimmen indirekt gegen die AfD ab

Auch in Baden-Württemberg gibt es Befürworter eines Gender-Verbots in Schulen und öffentlichen Einrichtungen. Etwa Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der zu Jahresbeginn gesagt hatte. „Es ist schon schlimm genug, dass so viele unserer Grundschüler nicht lesen können. Man muss es denen nicht noch erschweren, indem man in der Schule Dinge schreibt, die man gar nicht spricht.“

Dennoch fiel die Abstimmung im Landtag am Mittwoch eindeutig gegen ein Gender-Verbot aus. Von 133 abgegebenen Stimmen, waren 120 dagegen und nur dreizehn dafür. Was weniger an dem Antrag selbst, als an dem Antragsteller, der AfD, lag.

CDU lehnt Mehrheit durch Stimmen der AfD konsequent ab

Denn im Februar hatten sich schon andere Fraktionen für ein Verbot von Unterstrichen, Doppelpunkten und Sternchen in öffentlichen Institutionen ausgesprochen: die FDP, die damals die Landesregierung dazu aufforderte, ein solches Verbot zu beschließen und damit einen Vorschlag der CDU-Fraktion aufnahm. Doch die Christdemokraten lehnten den Antrag am Ende ab, um zu verhindern, dass die AfD Mehrheitsbeschaffer wird.

„Kein Binnen–I dieser Welt und kein Genderstern dieser Welt ist es wert, dass die AfD im Landtag von Baden-Württemberg Mehrheitsbeschaffer wird“, machte damals der Fraktionschef der CDU, Manuel Hagel, deutlich.

Innenminister Strobl empfiehlt AfD-Abgeordneten Ibuprofen

Dass auch die anderen Fraktionen dieser Meinung sind, zeigte das Abstimmungsergebnis eindrucksvoll. Und auch die Debatte zuvor, in der sich die Fraktionen allesamt gegen die AfD stellten.

Der bildungspolitischer Fraktionssprecher der AfD, Hans-Peter Hörner, hatte die Debatte mit einer Attacke auf die Landesregierung begonnen und dieser vorgeworfen, die deutsche Sprache zu „schänden“. „Würde man die Bürger fragen, wäre die Entscheidung mehr als eindeutig“, so Hörner und verwies auf eine Umfrage von infratest dimap. In dieser sprach sich die Mehrheit der Befragten gegen das Gendern aus. „Gendern ist ein akademisches Elitenprojekt und geht an der Lebens- und Sprachrealität der meisten Menschen vorbei“, bilanzierte Hörner.

Die Landesregierung schoss in Person von Innenminister Thomas Strobl (CDU) zurück. Strobl warf der AfD vor, Unwahrheiten zu verbreiten. Diese hatte zuvor behauptet, wer in der Schule nicht gendere, bekomme dies als Fehler angestrichen. Die Gleichbehandlung der Geschlechter sei im Grundgesetz verankert und gelte auch für die Ansprache, so Strobl und stellte klar: „Wir brauchen keine Nachhilfe in Deutsch, Grammatik, Stilkunde und Orthografie durch die AfD.“ Der Innenminister weiter: „Bei Phantomschmerzen empfehle ich Ibuprofen, Tramadol oder „Fragen Sie ihren Arzt oder Apotheker“.“

CDU-Abgeordnete Huber bezeichnet Verhalten der AfD als „erbärmlich“

Der stellvertretende Fraktionschef der Grünen, Oliver Hildenbrand, warf der AfD vor, einen Genderzwang herbei zu fantasieren, den es gar nicht gebe. „Sie behaupten, jeder soll so sprechen sollen, wie er will und gleichzeitig wollen sie Sprachverbote in Schulen und Behörden beschließen? Das passt nicht zusammen“, so Hildenbrand. Der Grünen-Abgeordnete forderte:„Wir brauchen eine gesellschaftliche Debatte und keine politischen Verbote.“

Die Generalsekretärin der CDU-Fraktion, Isabell Huber, bezeichnete den Umgang der AfD mit dem Thema Gendern als „erbärmlich“. Die Orthografie sei geregelt – und zwar durch den Rat der deutschen Rechtschreibung und nicht durch die Bevölkerung. „Kümmern wir uns um richtige Probleme und nicht um Phantomprobleme“, forderte sie.

FDP-Abgeordnete Goll verweist auf Rat der deutschen Rechtschreibung

Die Sprecherin für Frauen und Gleichstellung der SPD-Fraktion, Dorothea Kliche-Behnke, warf der AfD vor, einen wesentlichen Aspekt der Umfrage zum Thema Gendern unterschlagen zu haben. „Auf die Frage, ob der Verwaltung verboten werden sollte zu gendern, steht es im Land 50:50“, so Kliche-Behnke. Dem Staat ein Sprachverbot auferlegen zu wollen sei angesichts der Tatsache, dass sich Sprache stetig verändere, ein extremer Widerspruch.

Die stellvertretende Fraktionssprecherin der FDP, Julia Goll, freute sich über die von mehreren Fraktionen angekündigte Ablehnung des Antrags und betonte: „Privat soll jeder sprechen, wie er möchte.“ Aber staatliche Stellen, Schulen, Universitäten und die Verwaltung hätten sich an das zu halten, was vereinbart worden sei, und zwar dass entscheidend sei, was der Rat der deutschen Rechtschreibung empfehle.

Rat der deutschen Rechtschreibung für geschlechtergerechte Ansprache

Dieser ist der Auffassung, dass allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden solle und sie sensibel angesprochen werden sollten. Dies sei allerdings eine gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Aufgabe, die nicht allein mit orthografischen Regeln und Änderungen der Rechtschreibung gelöst werden könne.

Deshalb spricht sich der Rat aktuell gegen die Aufnahme des Gendersterns, Doppelpunkts oder einer anderen verkürzten Form zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen in das Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung aus.