Die Landesärztekammer will Homöopathie aus der Weiterbildungsordnung streichen. Noch bis 5. September können Bürger sich dazu äußern. Doch am Verfahren gibt es heftige Kritik.
Wohl wenig polarisiert so sehr wie Homöopathie und die Frage, ob die kleinen Kügelchen namens Globuli, homöopathische Tropfen, Pulver und Co. eine echte Wirkung bei gesundheitlichen Problemen haben. In Baden-Württemberg wird diese Frage derzeit besonders intensiv diskutiert. Denn bei der jüngsten Vertreterversammlung der Landesärztekammer haben Mediziner mit großer Mehrheit dafür gestimmt, Homöopathie aus der Weiterbildungsordnung zu streichen. Das würde bedeuten, dass es künftig keine Weiterbildungen seitens der Ärztekammern für Homöopathie mehr geben wird. Ärzte könnten diese Qualifikation nicht mehr neu erwerben und angeben.
Lucha äußert sich pro Homöopathie
Der baden-württembergische Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) kritisierte dieses Votum scharf. Er sprach von einem „absolut falschen Signal“. Die Homöopathie sei für viele ein wichtiger Teil ihrer Gesundheitsversorgung. Jeder und jede solle die Möglichkeit haben, sich bei der Arztwahl für einen homöopathisch arbeitenden Arzt zu entscheiden, argumentierte Lucha. Das Sozialministerium werde den Beschluss der Ärztekammer „fachlich und rechtlich genau überprüfen“, kündigte er an.
Vorerst aber haben Bürger, Firmen und Institutionen das Wort. Bis Montag, 5. September, können Einwendungen, Anregungen und Kommentare zu dem Thema bei der Landesärztekammer eingereicht werden.
Kritik an schwer durchschaubarem Vorgehen
Allerdings kritisieren mehrere Menschen, dass diese Möglichkeit der Beteiligung sehr kompliziert wäre. Auf der Website der Ärztekammer findet man nämlich nicht direkt das Beteiligungsverfahren. Und wenn man in die Suchlupe „Homöopathie“ eingibt, stößt man zwar auf die Infos dazu, kann aber keinen Kommentar online abgeben. Erst nach mehreren Klicks erkennt man, dass man eine Mail schicken muss, und zwar an die Adresse juristische-stelle@laek-bw.de.
„Das ist in meinen Augen unnötig umständlich und wird möglicherweise den einen oder die andere Kollegin davon abhalten, sich zu äußern“, schreibt ein Arzt aus Bad Peterstal (Ortenaukreis) an die Landesärztekammer sowie an unsere Zeitung. Obwohl er kein Homöopath sei, wehre er sich gegen dieses Vorgehen und gegen die Änderung der Weiterbildungsordnung. Ein Arzt aus Stuttgart berichtet: „Ich habe mehrere Tage benötigt und brauchte Hilfe von dritter Seite, um meine Stellungnahme abzugeben. Das sagt eigentlich schon alles zu der Ernsthaftigkeit.“ Und in Richtung der Landesärztekammer schreibt er: „Gut versteckt haben Sie Ihre Seite, Respekt. Ein Schuft, der Böses dabei denkt!“ Ein anderer Arzt aus Steinhausen an der Rottum (Kreis Biberach) spricht von einer „fast inquisitorischen Verfolgung der Homöopathie in jüngerer Zeit“.
Gegner kritisieren fehlende Wissenschaftlichkeit
Aber es kommen auch völlig andere Rückmeldungen: „Es gibt keine wissenschaftlichen Belege der Wirksamkeit von Zuckerperlen, deren Inhalt das Wassergedächtnis ist“, schreibt ein Mann aus Ostfildern an die Kammer und an unsere Zeitung. „Einem Wissenschaftler, der sich im Glauben nicht wissenschaftlicher Medizin fortbildet – allein das Wort Fortbildung ist unpassend – würde ich nicht vertrauen.“ Ähnlich äußerte sich jüngst auch Martina Wenker, die Präsidentin der Ärztekammer: „Es ist keine evidenzbasierte Medizin.“ Es gebe keine wissenschaftlichen Belege dafür, die Homöopathie guten Gewissens in der Weiterbildung zu behalten.
Unterdessen vermeldet die Landesärztekammer reges Interesse an dem Beteiligungsverfahren, mit steigender Tendenz, sagt deren Sprecher Oliver Erens. Es würden sich Gegner und Befürworterinnen der Homöopathie melden. Formalen Standards müsse man bei den Einwendungen übrigens nicht folgen, nur die Hinweise unter www.aerztekammer-bw.de/beteiligungsportal beachten.