Viele Ämter in der Kreisverwaltung leiden unter Personalmangel. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Von 1488 Stellen sind etwa 1380 in der Kreisverwaltung besetzt. Baltmannsweiler setzt auf ihr neues Rathaus.

Kreis Esslingen Wie viele Städte und Gemeinden hat auch die Kreisverwaltung zunehmend Probleme, genügend Personal zu finden. Von 1488 Stellen sind etwa 1380 besetzt. Das heißt, sieben Prozent sind vakant, womit das Landratsamt laut Sprecher Peter Keck noch „relativ gut dasteht“. Wie in anderen Verwaltungen fehlen jedoch insbesondere IT-Fachkräfte und Ingenieure, aber auch Mediziner, Naturwissenschaftler und ganz allgemein Führungskräfte. Einen Weg lehnt Landrat Heinz Eininger allerdings ab: dass öffentliche Arbeitgeber aus den tarifvertraglichen Regelungen ausscheren und so eine Spirale in Gang setzen. Stattdessen wird auf „weiche Faktoren“ gesetzt, beispielsweise flexible Arbeitszeitmodelle.

Der Öffentliche Dienst kann aufgrund der Tarifbindung und gesetzlichen Vorgaben finanziell nicht mit der Wirtschaft konkurrieren. Das macht sich besonders im technischen Bereich bemerkbar und hier wiederum speziell bei der Suche nach Führungskräften. Im mittleren Dienst gebe es dagegen „ausreichend Bewerber“, sagt Landratsamtssprecher Peter Keck. Die Kreiszentrale zieht sich hier den Nachwuchs selbst heran und meldet bislang „sehr gute Bewerberzahlen“. Jedes Jahr werden mindestens 25 Auszubildende eingestellt. Außer Verwaltungswirten werden Straßenwärter gebraucht, Fachkräfte für die Abfallwirtschaft, Medienfachleute, Informatiker, Vermessungstechniker und Bachelor-Studenten in den Fachrichtungen Public Management, Soziale Arbeit und Bauingenieurwesen. Bei der Übernahme von Azubis und Studenten bietet die Behörde unbefristete Jobs an und nach Möglichkeit die Übernahme ins Beamtenverhältnis.

Stellen mit Bürgerkontakt "nicht die beliebtesten"

Um einige Ämter reißen sich die Mitarbeiter nicht. Stellen mit Bürgerkontakt, bei dem auch Streitigkeiten auszuhalten sind, seien „nicht die beliebtesten“, sagte Landrat Eininger, als die Kreisräte kürzlich über Probleme im Ausländeramt diskutierten. Dagegen sind jetzt für die Nachfolge von Tourismusförderin Tanja Gems 60 Bewerbungen eingegangen. Insgesamt ist allerdings in der Kreisverwaltung der Aufwand gestiegen, um neue Mitarbeiter zu gewinnen. 240 Ausschreibungen werden es dieses Jahr voraussichtlich, 2015 reichten 132 Ausschreibungen, um die erforderlichen Arbeitskräfte zu gewinnen.

Um Mitarbeiter zu bekommen und sie zu halten, mache die Kreiszentrale bei flexiblen Arbeitszeitmodellen und Teilzeitbeschäftigung „fast alles mit“, sagt Keck. Umfangreiche Weiterbildung sowie die Fortbildung zum gehobenen Dienst seien immer nötig, darüber hinaus biete man ein Führungskräfte-Entwicklungsprogramm an. Als Bonbons gibt es Zuschüsse zur Nutzung des ÖPNV, Kantine und betriebliches Gesundheitsmanagement.

Ob durch die diffizile Personallage Wartezeiten für die Bürger entstehen, hängt laut Pressesprecher Keck vom Bereich ab. Wenn das Baurechtsamt gerade einen Bauingenieur suche, könne es schon zu Verzögerungen bei Genehmigungsverfahren kommen.

Dauerbaustelle Kindertagesstätte

Erster Bürgermeister Rainer Lechner, der in der Stadt Ostfildern das Personal-Ressort verantwortet, verweist auf einen Marktmechanismus, der immer wieder feststellbar sei: „Wenn wie jetzt in der freien Wirtschaft die Geschäfte gut laufen, haben Kommunen und Behörden mehr Probleme, Stellen zu besetzen.“ In Ostfilderns Verwaltung seien von 597,5 Planstellen 14 nicht besetzt. Hinzu kommen laut Lechner acht Langzeitkranke. Gesucht würden Fachkräfte in allen Bereichen. Eine Dauerbaustelle seien die Kindertagesstätten, für die man ständig nach Erzieherinnen Ausschau halte. Die Fluktiation in der Verwaltung habe zugenommen. 2017 habe es 67 Besetzungsverfahren gegeben, dieses Jahr seien es jetzt schon mehr als 70. Sorge bereitet dem Bürgermeister die demografische Entwicklung. Das Angebot an jungen Fachkräften werde immer geringer. Zu kämpfen habe man aber auch mit der Konkurrenz größerer Städte und Behörden. Lechner: „Da ist die gleiche Aufgabe oft eine Gehaltsstufe höher eingruppiert. In der Regel ziehen wir dann den Kürzeren.“

In kleinen Kommunen ist das Bild nicht anders. „Monetär können wir mit der freien Wirtschaft nicht mithalten“, sagt Simon Schmid, Bürgermeister in Baltmannsweiler. Dagegen versuche man, Fachleute mit „weichen Faktoren“ anzulocken: „nagelneues Rathaus, gute Arbeitsatmosphäre, flexible Arbeitszeiten“.

Kommunen in Nöten - Kommentar von Christian Dörmann

Die Konjunkturdaten sind nach wie vor gut, die Auftragsbücher vieler Unternehmen voll, die Beschäftigung brummt. Gleichwohl zeichnen sich Eintrübungen ab, die früher oder später ihre Schatten auf das Gesamtgefüge werfen werden. Der Fachkräftemangel ist das größte Risiko für eine stabile Wirtschaftsentwicklung und längst buhlen Industrie, Handwerk und Dienstleister mit diversen „Sonderangeboten“ um fachkundiges Personal.

Bei diesem Tauziehen um die immer rarer werdenden Fachkräfte stehen die öffentlichen Verwaltungen von vorn herein als Verlierer fest. Mit den Gehältern, die in der freien Wirtschaft gezahlt werden, können sie nicht mithalten. Und die Aussicht auf einen sicheren Arbeitsplatz mit solider Altersabsicherung ist in Zeiten, da sich gut ausgebildete Kräfte ihre Jobs aussuchen können, nicht sehr zugkräftig. Hinzu kommen strukturelle Probleme, die vor allem Kommunen und Landkreise an ihre Grenzen führen.

Am Ende sind die Folgen für die Bürgerinnen und Bürger ganz konkret: Weil etwa Erzieherinnen an allen Ecken und Enden fehlen, gibt es zum Teil schmerzliche Einschränkungen bei der Kinderbetreuung. Ingenieure, Architekten und Techniker ziehen einen Arbeitsplatz in einem florierenden Unternehmen der Amtsstube vor. Aus diesem Grund ist etwa das Thema Radverkehrskonzept in Esslingen lange liegengeblieben. Es fehlte schlicht die entsprechende Fachkraft im Rathaus. Und was personelle Lücken im technischen Dezernat bedeuten können, will man sich mit Blick auf die anstehenden Esslinger Großbaustellen am besten gar nicht erst vorstellen.

Viel zu spät hat man in den Rathäusern damit begonnen, was auf dem freien Markt schon lange praktiziert wird: Führungskräfte werden aus den eigenen Reihen rekrutiert, die Belegschaft wird durch Fortbildungsangebote gefördert, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird verbessert und die Gehälter werden angehoben. Das hat freilich seinen Preis – auch für die Bürgerinnen und Bürger. Aber der ist angemessen angesichts der Gefahr, dass kommunale Leistungen in vielen gesellschaftlich relevanten Bereichen wegen Personalmangels auf der Strecke bleiben.