Jakob Henzler (rechts) übergibt 400 Unterschriften gegen das geplante Wohngebiet „Wasserreute“ an Bürgermeister Ralf Barth. Foto: Ulrike Rapp-Hirrlinger - Ulrike Rapp-Hirrlinger

Eine Initiative hat in Denkendorf 400 Unterschriften gegen das neue Wohngebiet „Wasserreute“ gesammelt. Der Gemeinderat hält trotzdem daran fest.

DenkendorfRund 400 Unterschriften haben Jakob Henzler und seine Mitstreiter in gut einer Woche gegen das am nordöstlichen Ortsrand von Denkendorf geplante Wohngebiet „Wasserreute“ gesammelt. Nach einer engagierten Diskussion stimmte die Mehrheit des Gemeinderats dennoch dafür, einen Bebauungsplan für das Gebiet aufzustellen und die Bebauung im beschleunigten Verfahren zu ermöglichen. Auf dem knapp 2,5 Hektar großen Ackerland sollen rund 160 Wohnungen entstehen (die EZ berichtete).

Selten waren die Besucherreihen im Ratssaal so dicht gefüllt. Im Rahmen der Bürgerfragestunde übergab Henzler die Unterschriftenlisten an Bürgermeister Ralf Barth, und etliche Bürger äußerten ihren Unmut über die Pläne. Henzler, dessen Familie einen Bioland-Hof betreibt, sorgt sich vor allem um die Zukunft der Landwirtschaft, Anwohner fürchten den zusätzlichen Verkehr in einem Gebiet, das ohnehin schon stark belastet ist. „Dies ist eine Zahl, die Sie nicht ignorieren können“, meinte Henzler mit Blick auf die 400 Unterschriften. In der Kritik steht vor allem das beschleunigte Verfahren. Es ermögliche, „ohne jegliche Umweltauflagen und Ausgleichsflächen und ohne ein richtiges Verkehrskonzept quasi im Hauruck-Verfahren“ das Vorhaben zu realisieren. Damit setze man sich über die Interessen der Bürger hinweg. Dies bestritt Barth. Man müsse deren unterschiedliche Interessen abwägen. Dass Bedarf an neuen Wohnungen bestehe, zeigten permanente Anfragen von Wohnungssuchenden, zudem seien seit der Veröffentlichung des städtebaulichen Entwurfs mehr als 15 Interessenten im Rathaus vorstellig geworden. Man habe auch schon mehrere Baugebiete im beschleunigten Verfahren erschlossen. Der Entwurf „Wasserreute“ sei in einer Informationsveranstaltung vorgestellt und mit dem Landratsamt abgestimmt worden. Bei Bedarf werde es weitere Runden zur Beteiligung der Öffentlichkeit geben. Dass vor der Entscheidung des Gemeinderats Vermessungsarbeiten stattgefunden hätten, wie die Anwohnerin Judith Skrtic feststellte, begründete Barth mit vorbereitenden Untersuchungen. „Wir müssen klären, was überhaupt geht.“

„Wir wollen keinen Zuzug“

Belange des Umweltschutzes und der Landwirtschaft würden geprüft. Zudem versprach Barth, dass die Kommune ein Verkehrskonzept für das Oberdorf erstellt. Man habe das Problem erkannt. „Es kann sein, dass wir den Entwurf komplett überarbeiten müssen.“ Man wolle möglichst viele Anregungen der Bürger aufnehmen. Dass sich die Ratsmitglieder die Entscheidung nicht leicht gemacht haben, schwang in fast jedem Redebeitrag mit. Die Freien Wähler hätten kontrovers diskutiert, sagte Fraktionsvorsitzender Frank Obergöker. Für ihn überwiegen die Vorteile. Das Wohngebiet ermögliche bezahlbaren Wohnraum, weil sich ein Teil der Fläche in kommunalem Eigentum befinde. Dass im westlichen Teil, der in privater Hand ist, bezahlbarer Wohnraum entsteht, bezweifelte Anja Kulhanek (FWV). „Wir wollen keinen Zuzug von außen, sondern Eigenentwicklung für Denkendorf“, betonte Obergöker. Ein Verkehrskonzept, das den öffentlichen Nahverkehr mit einbezieht, hält er für unbedingt nötig. Ein solches für ein Wohngebiet zu erarbeiten, bevor es beschlossen sei, wäre jedoch unsinnig, meinte CDU-Fraktionschef Peter Nester. Auch für ihn steht die Wohnungsknappheit im Mittelpunkt. „Wir haben nur noch bedingt Flächen zur innerörtlichen Bebauung.“ Zudem sei die Ausdehnung nach außen angesichts von den Ort umgebenden Landschaftsschutzgebieten beschränkt. Dass Wohnungen leer stehen, stellte er nicht in Abrede. „Doch darauf haben wir keinen Einfluss.“ Bei der Ausweisung des Neubaugebiets gehe es schlichtweg um die Wohnungsnot. „Wir sind dem Gemeinwohl verpflichtet und brauchen dringend Wohnungen und zwar schnell.“ Dass das beschleunigte Verfahren nach §13b, das zum Jahresende ausläuft, genutzt werde, sei „kein Aktionismus unseres Bürgermeisters“, sondern dem dringenden Bedarf geschuldet. Dass Wohnraum benötigt wird, räumte Johannes Henzler (SPD) ein, „aber nicht durch übereilte Beschlüsse“. Er sprach sich für die innerörtliche Verdichtung aus.

Bevölkerung wächst deutlich

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Wilhelm Brandner verwies darauf, dass entgegen aller Prognosen die Bevölkerung Denkendorfs innerhalb der vergangenen vier Jahre um rund 870 Personen zugenommen habe. Das zeige, welche Dynamik und welcher Druck im Thema Wohnen stecke. „Die Gemeinde hat die Verantwortung, dazu ihren Beitrag zu leisten.“ Diese könne sie aber nur auf eigenen Flächen wahrnehmen. Viele junge Familien aus Denkendorf würden gerne im Ort bleiben oder wieder dorthin ziehen. „Nach vielen Jahren der konsequenten Innenentwicklung ist die Wasserreute jetzt gerechtfertigt“, sagte Brandner. Auch ihn schmerze es, 2,5 Hektar Ackerfläche zu opfern, er halte dies jedoch für vertretbar. Matthias Schöllkopf (SPD) befürchtete, dass es bei dieser Fläche nicht bleibt und das Baugebiet erweitert wird. „Es gibt kein Richtig oder Falsch“, meinte Wolfgang Schabert (FWV). Auch er sieht innerörtlich noch Potenzial für Wohnungsbau.