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Immer mehr Einzelhändler schließen ihre Geschäfte. Blutet die Innenstadt aus? Nein, meinen Experten. Aber es seien neue Konzepte für die City gefragt.

EsslingenManch einer bezeichnet es als Aderlass der Esslinger Innenstadt: Immer mehr inhabergeführte Läden schließen – Traditionsgeschäfte ebenso wie innovative Angebote. Geht die Esslinger Innenstadt den Bach runter? Das nicht, sagen örtliche Fachleute. Aber Anlass zur Sorge gebe es durchaus – vor allem angesichts des immer stärkeren Online-Handels. Deshalb seien neue Konzepte gefragt.

Bei den Buchhandlungen war der Exodus in den vergangenen Jahren besonders groß. Aber auch Traditionsgeschäfte wie die Drogerie Langbein fanden keine Nachfolger, selbst innovative Shops wie das Kunstkaufhaus „Hops“ im Oberen Metzgerbach schlossen. In derselben Straße wird auch das Modegeschäft „Art und Wert“ bald zumachen. Die Leerstände in Küfer- und Pliensaustraße machen vielen ebenso Sorgen wie die Tatsache, dass der Baustart für das neue Einkaufszentrum „Die Via“ auf dem Karstadt-Areal weiter auf sich warten lässt und die Flächen von Strauss Innovation in der Bahnhofstraße seit zwei Jahren leer stehen. Man sei weiter im Gespräch mit einem Drogeriemarkt für die Nachfolge des Mieters Strauss, heißt es von der Sparkassen-Versicherung.

Michael Metzler, Geschäftsführer der Esslinger Stadtmarketing und Tourismus GmbH (EST), beobachtet seit Jahren Veränderungen beim Einzelhandel. „Der klassische, stationäre, inhabergeführte Einzelhandel befindet sich schon lange im Strukturwandel“, sagt er. Zunächst hätten Filialisten sowie riesige Einkaufsflächen auf der grünen Wiese den kleinen Läden Konkurrenz gemacht. Seit vier, fünf Jahren mache sich verstärkt auch der Online-Handel in der Innenstadt bemerkbar. Ein Teil der Umsätze werde nun im Internet generiert – und der Prozess in diese Richtung habe sich deutlich beschleunigt. Das sei aber ein Phänomen, mit dem alle Innenstädte zu kämpfen hätten.

Allerdings betont Metzler auch: „Handel ist Wandel“. Die Innenstädte seien immer schon Transformationsprozessen ausgesetzt gewesen. Und obwohl man beobachte, dass der Einzelhandel in der Innenstadt an Strahlkraft verliere, sei er nach wie vor der Haupt-Frequenzbringer in der City. Gleichwohl gewinnen laut Metzler andere Nutzungen an Bedeutung, allen voran die Gastronomie, die in Esslingen sehr gut aufgestellt sei. Aber auch Dienstleistungen sowie Handwerk und Kunsthandwerk würden wichtiger, ebenso das Wohnen in der Innenstadt.

Auch bei der Esslinger City Initiative, in der sich rund 200 Händler und Dienstleister in der Innenstadt zusammengeschlossen haben, sieht man die Entwicklung mit gemischten Gefühlen. „Natürlich hat es der stationäre Einzelhandel in Zeiten des Online-Handels schwer“, sagt Alexander Kögel, Vorstandssprecher der Initiative. Es sei klar, dass man etwas tun müsse, um den Menschen etwas zu bieten, das über das Präsentieren von Waren wie im Online-Handel hinausgeht. Man setze unter anderem auf mehr Events, denn es gehe darum, ein Einkaufserlebnis zu bieten. „Das ist ja auch unsere Stärke, wir haben schöne Läden und gute Leute“, so Kögel.

Parallel zum stationären Laden das Einkaufen im Internet anzubieten, hält jedoch weder Kögel für die Lösung noch seine Stellvertreterin bei der City Initiative, Antje Hammelehle – beide sind Inhaber von Kleidungsgeschäften. „Online-Shopping ist etwas ganz anderes, nur die Ware ist gleich“, sagt Kögel. Die Beratung – eine der Stärken des stationären Handels – falle im Netz komplett weg, die Preise änderten sich online ständig und letztlich lohne sich der digitale Shop für kleine Händler oft schlichtweg nicht. So rechneten Experten mit bis zu 60 Euro Investitionen, bis ein Kleidungsstück im Netz gut vermarktet sei. Schließlich gelte es, ein Model und einen guten Fotografen zu zahlen, Artikelbeschreibungen zu erstellen und die Internetseite zu programmieren.

Es gebe zwar auch hier Händler, die einen Internet-Shop betreiben. Aber die meisten Esslinger Kunden erwarteten das gar nicht, glaubt Hammelehle. Viel wichtiger sei es, überhaupt im Netz präsent zu sein und dort für sich zu werben. Zudem gelte es, die Stärken der Stadt gut zu vermarkten: „Es ist wichtig für Esslingen, dass der individuelle Handel gestärkt wird.“ Dieser sei eine örtliche Besonderheit, die zum speziellen Flair der City passe.

Ein Patentrezept dafür gebe es jedoch nicht – und auch bei der City Intitiative sieht man die Leerstände in Küfer- und Pliensaustraße, im Oberen Metzgerbach und der Bahnhofstraße mit Sorge. Noch sei die Situation nicht dramatisch, aber man müsse umdenken. Mehr Gastronomie halten Kögel und Hammelehle für sinnvoll: Das sorge für Frequenz. Auch die Idee einer Gründermeile in der Küferstraße begrüßen sie. Zudem könne man sich vorstellen, Läden mit einem ähnlichen Sortiment auf engerem Raum zusammen zu bringen: „Konkurrenz belebt das Geschäft, erst recht in der Nähe“, sagt Kögel.

Was die Händler außerdem umtreibt, ist die Verkehrssituation in Esslingen: „Die Erreichbarkeit der Läden und fehlende Parkplätze werden viel bemängelt“, sagt Hammelehle – mit den künftigen Großbaustellen in der Stadt werde dieses Thema wohl noch schwieriger.

Aber es gibt auch positive Nachrichten: So wurde die City Parfümerie in der Pliensaustraße vor Kurzem an ein junges Geschwisterpaar verkauft. Romy und Sascha Giessler, 34 und 41 Jahre alt, setzen vor allem auf Dienstleistungen und Events – und haben keine Angst vor der Zukunft.