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Mehr als einmal hat Andrea Menze mit anderen Geschäftsleuten und Anwohnern auf die Probleme im Oberen Metzgerbach hingewiesen. Jetzt hat sie die Reißleine gezogen.

EsslingenFast drei Jahrzehnte lang war Andrea Menze eine feste Größe im Oberen Metzgerbach in Esslingen. Lange Zeit betrieb sie dort mit ihrem Ehemann ein Friseurgeschäft. Und als es nach Erich Menzes Tod irgendwann nicht mehr weiterging, blieb sie dem Standort treu und entwickelte mit Art und Wert ein Konzept, das Showroom, Galerie und Outlet auf kreative Weise verbindet. Mit großem persönlichem Einsatz, Kreativität und vielen Investitionen hat die Esslingerin versucht, Art und Wert zu etablieren und damit einen Farbtupfer in ihrer Straße zu setzen. Nun gibt Andrea Menze auf: Nach beinahe 30 Jahren kehrt sie dem Oberen Metzgerbach den Rücken. „Ich habe viel probiert. Irgendwann ist auch mal Schluss“, sagt sie und verweist darauf, wie sich der Straßenzug vor allem im hinteren Bereich verändert hat: „Man hat das Gefühl, dort abgehängt zu sein. Wenn keine Laufkundschaft mehr in diese Ecke kommt, macht es keinen Sinn mehr, dort weiterzumachen.“

Als „Schlender-Bummel-Wandel-Meile“ hatte sich der Metzgerbach nach seiner Neugestaltung Mitte der 90er-Jahre empfohlen. Ein attraktiver Mix aus Einzelhandelsgeschäften und Dienstleistungsunternehmen sollte auch am Rande der großen Einkaufsmeilen für eine florierende Innenstadt sorgen. Und stolz verwiesen die Metzgerbächler damals darauf: „Bei uns steht so gut wie kein Laden leer.“ Andrea Menze hat viele Erinnerungen an das gesammelt, was sie in all den Jahren zusammen mit vielen anderen Geschäftsleuten probiert hat, um den Oberen Metzgerbach zu einer kleinen, aber feinen Einkaufsstraße zu machen. Da findet sich auch ein Werbeblatt fürs Straßenfest im Sommer 1997, mit dem der Metzgerbach seine ganze Vielfalt zeigen wollte. Wenn sich Andrea Menze die lange Liste der Geschäfte und Lokale anschaut, die es dort einmal gab, wird sie wehmütig: „Viele sind seither verschwunden. Der damalige Branchenmix fehlt heute“, bedauert sie und denkt dabei auch an das eine oder andere Lokal in ihrer Nachbarschaft, das sie nicht unbedingt als Bereicherung empfindet.

Mehr als einmal hat sich Andrea Menze mit anderen Geschäftsleuten und Anwohnern zusammengetan und auf die Probleme vor allem im hinteren Bereich des Oberen Metzgerbachs zwischen Sirnauer Straße und Allmandgasse hingewiesen. „Geht unser Teil des Metzgerbachs den Bach runter?“, hatten sie vor vier Jahren provokativ gefragt und um mehr Unterstützung durch Stadt und Citymanagement gebeten. Einige ihrer damaligen Mitstreiter haben längst aufgegeben und der Straße den Rücken gekehrt – nun hat auch Andrea Menze genug: „Ich hab’s lange probiert, habe viele Vorschläge gemacht, selbst einiges getan und immer wieder auf Probleme hingewiesen. Leider war die Resonanz nicht so, wie ich es mir gewünscht hätte“, sagt sie. Dabei ist sie überzeugt, dass man mehr hätte tun können, um den Oberen Metzgerbach als Einkaufsmeile mit besonderem Flair und unverwechselbarem Angebot zu stärken.

Immer wieder hat die Geschäftsfrau im Rathaus angeklopft und zum Beispiel gebeten, den dortigen Verkehr konsequenter im Auge zu behalten. Autofahrer nutzen die Fußgängerzone zwischen Sirnauer Straße und Allmandgasse viel zu oft als bequeme Abkürzung oder als kostenlose Parkmöglichkeit. „Wenn vor meinem Schaufenster Autos über längere Zeit parken, kann ich nicht erwarten, dass Leute stehenbleiben. Und wer nicht stehenbleibt, hat auch keinen Anreiz, in den Laden zu kommen und einzukaufen“, weiß Menze und beklagt, dass solche Verstöße viel zu selten geahndet werden. Und sie hätte sich bei Verkehrsverstößen anderer dieselbe Konsequenz gewünscht, die ihr immer wieder begegnet ist: „Wenn ich mal einen Stuhl vor die Türe gestellt habe, wurde mir gleich mit einem Bußgeld gedroht.“ Deshalb ist für Andrea Menze im Oberen Metzgerbach nun Schluss: Ende März endet ihr Mietvertrag, die nächsten Wochen wird es noch das eine oder andere Schnäppchen bei Art und Wert geben. Doch sie ist viel zu umtriebig, um die Flinte schon jetzt vollends ins Korn zu werfen: In den nächsten Wochen wird sie mit ihrem Modeangebot auf Reisen gehen und mit so genannten Pop-up-Stores in anderen Geschäften gastieren. Und beim „Esslinger Frühling“ plant sie am 6. und 7. April eine „Punktlandung“ am Esslinger Postmichelbrunnen: Dort will sie in einem bislang leerstehenden Geschäft zwei Tage lang und dann nochmal vom 10. bis 27. April mittwochs, freitags und samstags Mode, Kunst und Kaffee anbieten. „So ganz kann ich trotz vieler Enttäuschungen nicht aufgeben“, verrät Andrea Menze. „Esslingen ist solch eine tolle Stadt – da lohnt es sich doch, für eine gute Zukunft des lokalen Einzelhandels zu kämpfen.“

Der Esslinger Stadtmarketing-Chef Michael Metzler bedauert Andrea Menzes Entschluss: „Sie war für uns immer eine gute und engagierte Partnerin und wird das hoffentlich auch bleiben.“ Dass sich der Obere Metzgerbach vor allem im Hinteren Bereich nicht unbedingt zum Vorteil verändert hat, weiß auch Metzler. Er verweist auf den generellen Strukturwandel im Einzelhandel und darauf, dass der Trend hin zu den so genannten A-Lagen geht, der sich auf Kosten weniger attraktiver Bereiche vollziehe: „Darunter leidet der Obere Metzgerbach ganz besonders.“ Das weiß auch Antje Hammelehle, die mit ihrem Modegeschäft Tragbar im Unteren Metzgerbach präsent ist und als Vorstandsmitglied der City-Initiative den örtlichen Einzelhandel insgesamt im Blick hat: „Unsere Straße ist eigentlich toll, aber sie hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Gute Geschäfte sind verschwunden – das merkt man an der Kundenfrequenz. Man kann der Stadt nicht alles zuschieben. Wichtig wäre jedoch, dass alles, was zu mehr Attraktivität beiträgt, von der Stadt auch gefördert und durch eigene Maßnahmen unterstützt wird.“

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