Schirm statt Sonnenbrille: Die Regenmenge der vergangenen 30 Tage ist in Stuttgart größer als in 80 Prozent der Jahre zuvor. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

An Hochsommer erinnert das Wetter zurzeit nicht: In den vergangenen Wochen hat es viel geregnet. Daten zeigen, wie ungewöhnlich das für die Jahreszeit ist – und warum für Pflanzen und Böden trotzdem noch nicht alles gut ist.

Mit Regenschirm und Jacke im Hochsommer? Das Wetter dieser Tage mit dem vielen Regen ist nicht nur gefühlt ungewöhnlich, sondern auch mit Blick auf die Zahlen. Innerhalb von 30 Tagen hat es an der Station des Deutschen Wetterdienstes (DWD) am Schnarrenberg aktuell 120,3 Liter pro Quadratmeter geregnet. Das liegt über dem, was früher normal war: An der Messstelle zwischen den Stadtbezirken Münster und Zuffenhausen fielen im selben Zeitraum von 1961 bis 1990 normalerweise zwischen 38 und 93 Liter, von 1991 bis 2020 waren 47 bis 110 Liter normal.

Kein Rekord, aber nasser als der Durchschnitt

Über 30 Tage hat es in Stuttgart damit derzeit mehr geregnet als in 80 Prozent der Vergleichsjahre, wie die Daten unseres Projekts Klimazentrale zeigen. Von einem neuen Rekord spricht der Meteorologe Peter Crouse vom DWD in Stuttgart dennoch nicht: „Es war aber nasser als der Durchschnitt“, bestätigt er.

Es gibt auch Orte in der Region Stuttgart, in denen die Regenmengen weniger außergewöhnlich sind. Dazu gehört etwa die 5700-Einwohner-Gemeinde Baltmannsweiler-Hohengehren im Kreis Esslingen. Dort kam in den letzten 30 Tagen mit 108,3 Liter pro Quadratmeter zwar ebenfalls viel Wasser vom Himmel, allerdings ist dies dort weniger ungewöhnlich: Normal waren von 1961 bis 1990 hier 55 bis 111 Liter. In der aktuellen Vergleichsperiode 1991 bis 2020 liegen die 108,3 Liter noch deutlicher im Normalbereich zwischen 67 und 132 Litern pro Quadratmeter.

Natur bräuchte noch „wochenlangen Regen“

Es wäre ein Fehlglaube, zu denken, dass der Boden durch den Regen der vergangenen Tage nun wieder genügend Feuchtigkeit hat. „Die Analyse der vergangenen 70 Jahre zeigt, dass wir es nicht mit einer einzelnen saisonalen Dürre zu tun haben, sondern vielmehr mit einer mehrjährigen Dürreperiode, die mindestens schon seit 2018 anhält“, sagt Susanne Hufe, Pressereferentin vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung.

Bis das Wasser in die tiefen Bodenschichten vordringe, müsste es „noch wochenlangen Landregen geben“, sagt Susanne Hufe. Als Landregen wird lang anhaltender, gleichmäßiger und nicht zu heftiger Regen bezeichnet. Denn Starkregen fließe über die Flüsse sofort wieder Richtung Meer und gehe somit der Natur verloren. Und im Sommer könne selbst wochenlanger Landregen zu wenig sein: „Pflanzen ziehen mit den Wurzeln permanent Wasser aus dem Boden und bei höheren Temperaturen verdunstet mehr Wasser“, erklärt sie. Wirklich Feuchtigkeit aufbauen könne sich bis in die tieferen Bodenschichten eher über das Winterhalbjahr.

Der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung zeigt, dass im Gesamtboden, also bis in 1,80 Meter Tiefe, vielerorts in Baden-Württemberg immer noch eine „extreme“ oder „außergewöhnliche“ Dürre herrscht. Und auch im Oberboden, also bis in 25 Zentimeter Tiefe, herrscht teils noch eine „schwere“, vereinzelt sogar eine „extreme Dürre“.

Trotz des Regens war der Juli zu warm

Um das Wasserdefizit im Boden wieder aufzubessern, müsse es ein gesamtes Jahr durchregnen, sagte Fred Hattermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) kürzlich dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Denn in den vergangenen Jahren seien die Sommer fast immer zu trocken gewesen, etwa 2018, 2019, 2020 und 2022.

Und auch wenn der Juli in Stuttgart zuletzt eher verregnet war, so war er dennoch mit 21,1 Grad im Vergleich zu den Jahren 1991 bis 2020 mehr als ein Grad zu warm. Auch im Juni hatte sich die Klimaerwärmung deutlich gezeigt: Vom 1. bis 30. Juni wurden am Schnarrenberg 357 Stunden Sonnenschein registriert. Das waren etwa 160 Prozent vom langjährigen Mittelwert und ein Rekord seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Zugleich fiel sehr wenig Regen: Gerade einmal 32 Liter wurden pro Quadratmeter am Schnarrenberg gemessen. Noch trockener war es auf den Fildern. Am Flughafen wurden 14 Liter registriert. Durchschnittlich wären dort gut 95 Liter gewesen.