Désirée Rupp, eine angehende Pfarrerin, hat keine Angst um die Zukunft der Kirche. Foto: Anne Rheinga/s

Vikarin Désirée Rupp erzählt im Interview, warum ihr trotz vieler Austritte nicht bange um die Kirche ist und wie sie Gläubige erreichen will

Désirée Rupp ist auf dem Weg, Pfarrerin zu werden. Die 37-Jährige ist in Beilstein aufgewachsen und lebt jetzt in Kornwestheim, wo sie im April 2022 ihr Vikariat begonnen hat.

Frau Rupp, waren Sie immer gläubig?

In meiner Kindheit war die Religiosität vor allem mit Ritualen verbunden. Vor dem Zubettgehen stand bei uns zu Hause zum Beispiel das Abendgebet an. Als kleines Kind wusste ich natürlich noch nicht, was genau ich da spreche und tue, aber ich wusste, dass es wichtig war. Später war ich in der Jungschar, dann viele Jahre in der evangelischen Jugendarbeit tätig und ab der neunten Klasse am Evangelischen Seminar Maulbronn. Kirche hat mich mein Leben lang begleitet.

Wollten Sie früh Pfarrerin werden?

Nach dem Abitur dachte meine Familie, ein Theologiestudium würde gut zu mir passen. Aber mir erschien es damals noch nicht plausibel. Für mich war der Glaube Privatsache. Ich konnte mir schlecht vorstellen, ihn mit dem Beruf zu verbinden. Stattdessen habe ich Klassische Philologie und Geschichte studiert, nach dem Abschluss ein Jahr an der Uni Heidelberg gearbeitet und wollte eine wissenschaftliche Laufbahn einschlagen. Im ersten Jahr meiner Promotion, 2016, kam der Wunsch auf, Pfarrerin zu werden. Also habe ich die Stelle gekündigt und bin nach Tübingen gegangen, um mein zweites Studium aufzunehmen: Evangelische Theologie.

Warum haben Sie sich umentschieden?

Ich habe festgestellt, dass die Arbeit mit den lateinischen Texten bestimmte Fragen, die die Menschen in allen Zeiten beschäftigt haben, ausschließt. Ich habe das Bedürfnis verspürt, mehr mit Menschen zu arbeiten. In der Studienberatung, einem damaligen Aufgabenfeld, habe ich gemerkt, anderen unterstützend zur Seite zu stehen, bringt Sinn in mein Tun. Im Austausch mit Freunden war es mir auf einmal klar, dass ich Pfarrerin werden möchte.

Die Zahl der Kirchenaustritte ist recht hoch. Macht Ihnen das Angst?

Zum Glück ist das Wirken Gottes unabhängig von der Mitgliederzahl. Dieser Gedanke entlastet mich bei der theologischen Arbeit, weil die Verantwortung nicht nur bei mir liegt. Zudem gibt es immer mal wieder Austrittswellen. Ich möchte das nicht schönreden. Aber ich sehe noch viel Potenzial dafür, die Menschen zu erreichen. Solange wir eine offene und einladende Kirche bleiben, möchte ich nicht zu pessimistisch sein.

Aber die Kirche muss reagieren, oder?

Ja, wir müssen umdenken im Pfarramt. Wenn vieles so bleiben würde wie gerade, würde es noch schwieriger. Aber dadurch, dass ich Ansätze in diese Richtung erkennen kann, habe ich keine Zukunftssorgen. Ich denke konkret beispielsweise an das Format der Pop-Up-Church und das Team-Pfarramt.

Wie wollen Sie die Menschen wieder für die Kirche begeistern?

Die eine Antwort gibt es wohl nicht. Vieles bleibt vorerst experimentell. Mehr auf Flexibilität und Spontaneität einzugehen, wird zunehmend wichtiger. Eins bleibt aber gleich wichtig, nämlich die Menschen nicht aus den Augen zu verlieren. Viele lassen sich noch immer für die Kirche begeistern, wenn auch abseits von den Gottesdiensten. Für Jüngere könnten punktuelle Aktionen attraktiv sein, so habe ich überlegt, ob man mal eine Wanderung im Sommer anbietet. So kommt man ins Gespräch. Die jungen Kolleginnen und Kollegen und ich haben darauf Lust, ein paar Dinge anders zu machen.

Der lange Weg auf die Kanzel

Vita
 Désirée Rupp, die in Beilstein aufgewachsen ist, hat in Freiburg und Heidelberg Klassische Philologie sowie Mittlere und Neuere Geschichte studiert und zunächst eine Promotion angestrebt. Dann entschied sie sich, Theologie in Tübingen zu studieren.

Pfarrerausbildung
 Das Vikariat schließt an das Theologiestudium an und umfasst zweieinhalb Jahre. Gestartet ist Désirée Rupp mit einem Einführungskurs. Das Unterrichten an Schulen gehört ebenso zum Vikariat wie Aufgaben in der Kirchengemeinde.