Tarkan sorgt mit seinem aktuellen Hit in der Türkei für Furore. Foto: Screenshot Youtube

Ein neuer Popsong des türkischen Sängers Tarkan wird zur Hymne der Opposition. Anhänger Erdogans wittern eine Verschwörung.

Ankara - Wenn Tarkan singt, dann hört die ganze Türkei zu. Als der Megastar der türkischen Popmusik jetzt nach längerer Pause ein neues Lied veröffentlichte, verbuchte er innerhalb weniger Tage Millionen von Klicks auf Plattformen wie Spotify und Youtube. Doch das Lied „Geccek“ – Das geht auch vorbei – ist nicht nur in aller Munde, weil Tarkan der bekannteste Popstar des Landes ist. Er wolle den Türken mit dem Lied in der Pandemie Mut machen, sagt Tarkan. „Geccek“ ist aber mehr: Sowohl Anhänger als auch Gegner von Präsident Recep Tayyip Erdogan verstehen das Lied als Hymne gegen den türkischen Staatschef.

Sänger Tarkan feierte bereits weltweite Erfolge

Die Türkei hat viele Popstars, doch an den Ruhm des im rheinland-pfälzischen Alzey geborenen Tarkan Tevetoglu kommt kein anderer Sänger heran. Mit Liedern wie „Simarik“ war der heute 49-Jährige weltweit erfolgreich, doch seit 2017 hat er kein neues Album mehr herausgebracht.

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Vor etwa einem Jahr habe er sich wegen der Pandemie und der weltweiten Umweltzerstörung sehr niedergeschlagen gefühlt, sagte der Sänger in einer Erklärung zu seinem neuen Lied. Da seien ihm die Melodie und der Text von „Geccek“ eingefallen. Er habe das Lied geschrieben, um den Menschen neue Hoffnung zu geben. Im Video schaltet sich Tarkan von einer Kommandozentrale aus auf alle Handys, Computer und Werbeflächen, um den frustrierten Leuten im Homeoffice und im Stau die frohe Botschaft zu überbringen: „Das geht auch vorbei.“

Der Text des Liedes ist so geschickt geschrieben, dass sich die Botschaft auch politisch verstehen lässt. „Du bist schon viel zu lange hier, wir haben die Nase voll“, singt Tarkan. „Hau ab, Alter, rück‘ uns von der Pelle.“ Oppositionspolitiker freuen sich vor allem über eine Passage: „Schau, der Tag der Hoffnung kommt“, heißt es da – und: „Glaub‘ mir, die schönen Tage kommen bald.“

Die Opposition ist begeistert

„Geccek“ drückt damit aus, was Millionen Türken nicht nur über die Pandemie denken. Tarkans Lied kommt zu einer Zeit, in der die Inflation steigt und die Kaufkraft der Lira sinkt. Viele türkische Normalverbraucher sehen ihre Lebensersparnisse dahinschmelzen, weil sie mit ihrem Einkommen nicht mehr über die Runden kommen. Strom, Gas und Benzin werden ständig teurer. Wegen Problemen bei der Energieversorgung mussten kürzlich viele Industriebetriebe tagelang die Produktion einstellen.

Nur Tage vor Veröffentlichung des Liedes hatte sich die Chefs von sechs Oppositionsparteien getroffen, um eine gemeinsame Front gegen den Präsidenten zu schmieden. Zum ersten Mal seit Erdogans Machtantritt vor fast 20 Jahren liegt so etwas wie Wechselstimmung in der Luft. Knapp anderthalb Jahre vor der nächsten Wahl griff die Opposition das Lied deshalb gerne auf. „Es dauert nicht mehr lange“, schrieb Meral Aksener, Vorsitzende der oppositionellen Iyi-Partei, in einem Kommentar zu Tarkans Lied.

Beleidigender Hinweis auf Adam und Eva

Erdogan-Anhänger wittern eine Verschwörung. Es könne kein Zufall sein, dass Tarkan ausgerechnet jetzt mit „Geccek“ daherkomme, kritisierte Ahmet Mahmut Ünlü, ein regierungstreuer Islamgelehrter. „Warum hat er das nicht vor anderthalb oder zwei Jahren geschrieben?“ Hinter „Geccek“ stecke die Bewegung von Fethullah Gülen, mutmaßte die islamistische Zeitung „Yeni Akit“. Der nationalistische Kolumnist Ferhat Aydogan erklärte Tarkans Lied zur „Frage der nationalen Sicherheit“. Der regierungstreue Journalist Fuat Ugur schrieb, Tarkan werde dafür büßen, dass er mit dem Lied die Regierung ins Visier genommen habe.

Erdogan drohte erst vor wenigen Wochen, er werde der Sängerin Sezen Aksu die Zunge herausreißen. Islamistische Gruppen hatten in einem fünf Jahr alten Lied von Aksu einen angeblich beleidigenden Hinweis auf Adam und Eva entdeckt. Aksu erhielt so viel öffentliche Unterstützung, dass Erdogan seine Worte zurücknehmen musste. Trotzdem verbot die von der Regierung gelenkte Rundfunkaufsicht allen Sendern die Ausstrahlung des Liedes. So weit ist es bei „Geccek“ noch nicht. Das könne aber noch kommen, schrieb Ilhan Tasci, ein Oppositionsvertreter in der Aufsichtsbehörde RTÜK.