Igelhelfer in der Region sind im Moment voll am Anschlag: Denn sie müssen sich um viele geschwächte und zu magere Jungtiere kümmern. Schuld an der Situation ist auch der Klimawandel.
Herbstzeit ist Igelzeit. Dann sind die kleinen stacheligen Tiere besonders aktiv. Sie suchen Nahrung, um sich den nötigen Speck für ihren Winterschlaf anzufressen. In diesem Herbst bereiten die Igel Tierschützern in der Region allerdings große Sorgen: Denn in den Pflegestationen landen viele geschwächte und magere Jungtiere – und die Helfer kommen an den Rand ihrer Kapazitäten.
Viele Igelstationen sind voll, betont Ellen Schanz, Igelhelferin aus Holzgerlingen. Sie nimmt Tiere aus dem ganzen Landkreis Böblingen bei sich auf. „Jede Station ist am Ende. Auch ich bin echt am Limit.“ Die Pflegestellen müssen sich laut ihr vor allem um kleine Igel kümmern, die zu wenig Gewicht haben. Schanz pflegt derzeit viele Tiere bei sich, die gerade einmal 100 bis 150 Gramm wiegen, erzählt sie. Sechs davon sind Intensivigel, die besonders viel Unterstützung brauchen. „Die Kleinen sind schwer über den Berg zu bekommen, oft sterben sie ganz plötzlich.“ Laut dem Verein pro Igel sollte ein gesunder Jungigel mindestens 600 Gramm erreichen, um den Winterschlaf zu überstehen, der Anfang November beginnt.
Mehr abgemagerte Igel als je zuvor
Die Igelhelferin macht sich aber auch über den Herbst hinaus Sorgen um die stacheligen Tiere:„Mittlerweile habe ich das ganze Jahr durch Igel. Das war früher nicht so.“ 2023 gibt es besonders viele abgemagerte Tiere, mehr als in den letzten Jahren, erzählt Ellen Schanz. Bei ihr kamen im ganzen Jahr rund 50 halb verhungerte Igel an. Allein aus Leonberg waren es sechs, alle sind verstorben. „Das wird jedes Jahr mehr“, sagt sie.
Als „katastrophal“ bezeichnet Birgit Kordisch, erste Vorsitzende des Tierschutzvereins Ditzingen die Situation. Dort gehen im Moment ebenfalls viele abgemagerte Igel ein. „Die Situation wird von Jahr zu Jahr schlimmer“, weiß auch sie. Erst kürzlich landeten bei den Tierschützern fünf kleine Igel mit einer toten Mutter. „Das erleben wir regelmäßig“, sagt Kordisch. Sie rechnet damit, dass die Situation noch dramatischer werden wird als im vergangenen Jahr.
„Der Igel ist Opfer des Klimawandels“
Das Tierheim Ludwigsburg kommt bereits an den Rand seiner Kapazitäten. Über 50 Igel werden dort im Moment gepflegt, sagt Leiterin Ursula Gericke. Die meisten der Jungtiere haben ihre Mutter verloren und kamen halb verhungert und geschwächt im Tierheim an. „Viele wiegen gerade einmal 150 bis 200 Gramm“, sagt Gericke. „Wir hatten früher im Herbst schon immer Igel. Aber das ist nicht normal, dass es jetzt so viele sind.“
Gründe dafür, warum immer mehr Igel in Not geraten, gibt es viele. „Der Igel ist eines der ersten Opfer des Klimawandels“, erklärt Ursula Gericke. Da es in diesem Frühjahr lange kalt war, sind laut ihr die Igel erst spät aus ihrem Winterschlaf aufgewacht. Dadurch verschob sich die Paarungszeit nach hinten. „Und auch durch den wahnsinnig warmen langen Herbst haben viele Igelmütter erst sehr spät den Nachwuchs geboren“, sagt die Tierheimleiterin. Der aktuelle Kälteeinbruch gebe den Jungigeln nun den Rest.
Keine Insekten zum Fressen für die Igel
Zu schaffen machen den Tieren aber auch die immer heißeren und trockeneren Sommer, erklärt Igelhelferin Ellen Schanz aus Holzgerlingen. Die stacheligen Zeitgenossen finden dann keine Nahrung, der Boden ist zu hart für sie, um zu graben. Die Flächenversiegelung und eingesetzte Pestizide sorgen ebenfalls dafür, dass den Igeln immer weniger Lebensraum und weniger Insekten als Futter bleiben, sagt Birgit Kordisch vom Tierschutzverein Ditzingen.
Wie kann man den Tieren helfen, genug Speck für den Winterschlaf anzusetzen? Bei relativ großen Igeln gilt laut Ursula Gericke jetzt: Zufüttern was das Zeug hält. Ellen Schanz betont, mittlerweile müsse man den Vierbeinern eigentlich das ganze Jahr über Futter in den Garten stellen. Sie beklagt, dass sich kaum jemand für den Igel im eigenen Garten einsetzt. „Die Leute haben überall Vogelhäuschen stehen, aber keine Schale mit Wasser auf dem Boden“, sagt Schanz. Dabei brauche es nicht einmal ein Igelhaus, um den Tieren zu helfen. Ellen Schanz empfiehlt, ein breites Brett auf zwei Steine zu legen und darunter ganz nach hinten eine Schale mit Futter zu stellen. „Damit die Katze nicht dran kommt.“ Eine geeignete Mahlzeit für die Tiere ist beispielsweise Katzenfutter.
So kann man einem abgemagerten Igel helfen
Stark abgemagerte Igel sind besonders auf Hilfe angewiesen. Dass ein Tier hungert, erkennt man laut Ellen Schanz daran, dass sein Körper hinten nicht rundlich, sondern schmal ist – und der Nacken eingefallen aussieht. Aber Achtung: Einem abgemagerten Tier darf man nicht sofort etwas zu fressen geben. „Das ist meistens tödlich für den Igel“, sagt die Tierschützerin. Man sollte den Vierbeiner erst einmal aufwärmen. Das geht zum Beispiel mit einer lauwarmen Wärmflasche, die man in ein Handtuch wickelt. Und dann sollte man möglichst sofort eine Pflegestelle kontaktieren.