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Tübingen (dpa) - Stocherkähne gleiten für gewöhnlich ruhig über den Neckar entlang der malerischen Tübinger Altstadt - anders ist das an Fronleichnam: Beim traditionellen Stocherkahnrennen jagen 55 Mannschaften ihren Kahn über den Fluss. Ausrichter ist in diesem Jahr die Studentenverbindung Corps Borussia. Die Kähne müssen die Neckarinsel umfahren und dabei zwei Mal eine Engstelle unter einer Brücke passieren. Die Stadtverwaltung rechnet mit 15 000 Zuschauern.
Das Spektakel wird zum 62. Mal ausgetragen. Die Tradition wurde 1956 zur Taufe des neuen Kahns der Studentenverbindung Lichtenstein erfunden, wie die Stadtverwaltung mitteilte. Lange Zeit durften nur Verbindungen Kahn-Liegeplätze im Neckar haben - somit wurde das Rennen nur unter Verbindungen ausgetragen, wie die Stocherkahnexpertin des Tübinger Bürger- und Verkehrsvereins, Angelika Thieme, erklärte. Seit diese Regelung aufgeweicht wurde, machen auch andere Mannschaften mit.
Solche Traditionen binden Menschen an eine Stadt - Teilnehmer und Zuschauer, wie die Kulturwissenschaftlerin Karin Bürkert von der Universität Tübingen der Deutschen Presse-Agentur sagte. Dabei gehe es weniger um ein Heimatgefühl, sondern eher um Unterhaltung - und um Schadenfreude, wenn jemand scheitere. „Da werden aber auch Hierarchien in der Stadt aufgebaut: Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer?“ Viele Städte versuchen ihrer Beobachtung zufolge eigens Veranstaltungen mit Wettbewerbscharakter zu erfinden.
In Tübingen ist das Stocherkahnrennen zum Selbstläufer geworden: Wer es verliert, dem droht eine eklige Strafe: Jeder aus der Verlierermannschaft muss einen halben Liter Lebertran trinken. Die Gruppe muss außerdem das Rennen im Folgejahr organisieren.
Die Polizei wird beim Rennen präsent sein, sich nach Angaben eines Sprechers aber im Hintergrund halten. „Das ist eine völlig friedliche Veranstaltung“, sagte er. Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft wird mit Rettungsbooten wie in den Vorjahren auf dem Wasser sein. Nach Angaben des Tübinger Rettungsdienstleiters Rainer Witzenmann mussten die Retter bislang noch nie eingreifen.