Im Jahr 2015 musste alles schnell gehen, Tausende Flüchtlinge brauchten ein Dach über dem Kopf. Die Kommunen suchten händeringend nach Unterbringungsmöglichkeiten und gaben viel Geld aus – manchmal auch umsonst.
In der Hochphase der Flüchtlingswelle 2015 hat der Bodenseekreis ein Hotel für Geflüchtete angemietet - dort hat aber nie jemand gewohnt. Weil die Kommune nach dem Rückgang der Flüchtlingszahlen aber nicht mehr aus dem Mietvertrag kam, wurde jahrelang Miete gezahlt. Eine Ausstiegsklausel wurde nicht vereinbart. Das Mietverhältnis endete vorzeitig erst zum 31. Mai 2021 gegen Zahlung eines Abschlags an die Hoteleigentümerin. Bis dahin waren rund 816 000 Euro verbrannt für Miete, Nebenkosten, Abschlag und Architekten. Der Bund der Steuerzahler sagt: kein Einzelfall.
Die Vorgänge im Bodenseekreis wurden bekannt, als der „Südkurier“ eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom Februar nun bekannt machte. Die Zeitung hatte geklagt, weil sie vom Landratsamt in Friedrichshafen keine Auskunft über die Mietkosten im Fall des Hotels erhielt. Das Verwaltungsgericht gab dem „Südkurier“ recht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Landkreis kündigte aktuell an, nicht in Berufung zu gehen.
In 2015 und Anfang 2016 hatte die Zahl der Flüchtlinge, die nach Europa und nach Deutschland kamen, massiv zugenommen. Auch der Bodenseekreis suchte händeringend nach Unterkünften. „Noch nie mussten in so kurzer Zeit Unterkünfte aus dem Boden gestampft werden, weil der Platz nicht ausreichte“, sagt ein Sprecher des Landratsamtes in Friedrichshafen. Die Behörde prüfte damals 150 Gebäude und mietete in der Spitze 66 Objekte an. Darunter das Hotel Adler in Sipplingen Ende November 2015.
„Es herrschte Unsicherheit“
Um den Aufwand für einen Umbau zu einer Unterkunft für Geflüchtete abschätzen zu können, sei geprüft worden, ob sich das Gebäude eignet. Auch die möglichen Umbaukosten habe man ins Visier genommen. Für beispielsweise eine Brandmeldeanlage, Brandschutztüren und Waschräume seien im Oktober 2015 noch Kosten in Höhe von 351 000 Euro veranschlagt worden, sagte der Sprecher in Friedrichshafen. Die endgültige Summe - rund 533 000 Euro - lag allerdings erst im Mai 2017 vor. Man habe sich der Immobilie nicht schon früher entledigt, weil man nicht genau wusste, wie sich die Flüchtlingszahlen entwickeln. „Es herrschte Unsicherheit“, sagte der Sprecher.
Schließlich forderte das Land die Kommunen ab Juni 2017 auf, Unterkünfte zurückzubauen. „Zu Beginn des Jahres 2018 wird die Forderung, unwirtschaftliche Liegenschaften abzubauen, nachdrücklich wiederholt. Von da an geht der Landkreis in Verhandlungen mit dem Eigentümer des Hotels, die sich als schwierig herausstellen. Auch ein Verkauf an einen vom Landkreis vermittelten Investor wurde vom Hoteleigentümer abgelehnt“, sagt der Sprecher des Landratsamtes. Das Mietverhältnis endete schließlich zum 31. Mai 2021 gegen Zahlung eines Abschlags an den Hoteleigentümer.
Eine Ausstiegsklausel ist laut dem Landratsamt nicht vereinbart worden. „Eigentümer saßen damals schlichtweg am längeren Hebel und wussten um die Not der Verwaltung auf dem auch damals knappen Immobilienmarkt.“ In den meisten Verträgen sei eine kürzere Mietlaufzeit vereinbart worden. In Fällen mit längerer Mietlaufzeit sei eine Ausstiegsklausel häufig abgelehnt worden.
Das sagt der Bund der Steuerzahler zu dem Fall
Der Chef des Steuerzahlerbundes Baden-Württemberg, Eike Möller, erklärte, ein ähnlicher Fall von Steuerverschwendung habe sich 2016 unter anderem in Pfinztal ereignet. Der Landkreis Karlsruhe mietete einen leerstehenden Lebensmittelmarkt für viel Geld an. Genutzt hat er ihn aber nie. Vereinbart wurde eine Miete von 17 000 Euro pro Monat, mit einer Mietdauer von 15 Jahren und das, obwohl die Flüchtlingszahlen schon deutlich zurückgingen, steht im Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler aus dem Jahr 2018. Der Landkreis einigte sich zwar dann mit dem Vermieter auf ein vorzeitiges Mietende. Kosten insgesamt, ohne dass jemals ein Geflüchteter seinen Fuß in die Immobilie gesetzt hätte: 500 000 Euro. „Ziemlich viel Geld für keine Nutzung“, schreibt der Steuerzahlerbund.