Der Kreis blieb sein Ruhepol und Lebensmittelpunkt: Hartmut Engler Foto: dpa/Marijan Murat

Was macht den Spirit dieser Gegend aus? Tabea Alt, Horst Köhler, Claire Beyer, Günther Oettinger und andere bekannte Frauen und Männer erzählen, was sie am Landkreis Ludwigsburg fesselt.

„Schon beim ersten Besuch war für mich klar: Ludwigsburg ist es!“ Die Kalligrafie-Künstlerin Sigrid Artmann, Oberbayerin und Wahl-Ludwigsburgerin, ist nicht geizig, wenn es ums Lob-Verteilen geht: „Die Menschen und die Menge an kulturellem Leben, die die Stadt und der Landkreis bieten, stehen in Einklang mit meinen Vorstellungen von einer gelebten Heimat. Ludwigsburg inspiriert mich und lässt mich weiter wachsen.“

Dieses besondere „Wir-Gefühl“

Die Eloge hält Sigrid Artmann in dem neuen Band „Landkreis Ludwigsburg – Heimat-Verbunden“. Die Kreisbehörde hat ihn anlässlich des 50-Jahr-Kreis-Jubiläums herausgegeben. In dem Buch verraten bekannte Menschen, was sie mit dem Kreis verbinden und warum er für sie Heimat ist. Das ist umso interessanter, als etliche der Protagonisten ihre Wurzeln gar nicht dort haben. Auch nicht die Familie des „Pur“-Sängers Hartmut Engler. Er erblickte das Licht der Welt zwar „im stürmischen November 1961 im Wohnzimmer eines Siedlungshauses in der Gemeinde Großingersheim“, wie er erzählt. Doch „das Trauma der Vertreibung“, das seine Eltern mit sich trugen, habe die Bedeutung von Heimat im neuen Zuhause sehr beeinflusst.

„Eng und behütet“ sei er in seinem kleinen Ingersheim aufgewachsen, „Urlaub, Reisen und Blick über den Tellerrand waren erst einmal Fehlanzeige“, auch wegen der finanziellen Engpässe, aus denen die Eltern sich „rackernd und nimmermüde“ herausschafften. „Der Fußball, mein geliebtes Hobby, eröffnete mir die Welt. Und zwar den ganzen Landkreis“, verrät er. Was der Wechsel aufs Bietigheimer Gymnasium und sein Talent in der Schülerband bewirkten, die als „Pur“ später wirklich in der Welt unterwegs war, ist bekannt. „Sein“ Kreis Ludwigsburg, bekennt Hartmut Engler, gefalle ihm aber so sehr, dass er bis heute sein Lebensmittelpunkt sei.

In der großen Welt – und in der kleinen, die so viel bedeutet

Ein waschechtes Gewächs des Kreises ist der Nußdorfer Unternehmer, Stifter, Mäzen und Museumsbesitzer Peter Klein. Nach dem Krieg im zerstörten Ort aufgewachsen, habe er die Not, den Mut, die Zuversicht und den ausgeprägten Gemeinschaftssinn beim Wiederaufbau unterbewusst miterlebt und als Rüstzeug mitbekommen, erzählt er. Auch Klein, der viel auf der Welt herumkam, fand trotz der „unglaublichen Eindrücke und Begegnungen im Ausland“ einzig zuhause, mit Familie und Freunden, den Ort, um Kraft zu schöpfen, wie er bekennt. „In unserer schnelllebigen Zeit bleiben oft das Innehalten und die Gemeinschaft auf der Strecke“, schreibt Klein. Durch sein Engagement versuche er, dass etwas bleibe von „dieser Verbundenheit, dieser Zusammengehörigkeit – oder von diesem besonderen Wir-Gefühl“.

Carolin Klöckner, 2018/2019 Deutsche Weinkönigin, als Kind nahe Chicago aufgewachsen, mit sechs Jahren nach Vaihingen/Enz gezogen, hat als polyglotte junge Frau ebenfalls immer die guten regionalen Erinnerungen im Gepäck – „Eisdisco, Lama-Bar, Ludwigsburger Weihnachtsmarkt, Silvesterlauf in Bietigheim-Bissingen“: diese „großartigen Erinnerungen“ an Erlebnisse mit Freunden machten Heimat für sie aus, bekennt sie.

Sandra Richter, Chefin des Deutschen Literaturarchivs in Marbach, fällt das lateinische Wort „industrius“ („fleißig, eifrig, beharrlich“) ein, wenn sie an den Landkreis denkt: „Hier ist alles in Bewegung, beharrlich und fleißig“, wie die zahlreichen Industrieunternehmen belegen, die sich mit besonderen kulturellen Initiativen verbinden, findet sie. Die in Sachsenheim aufgewachsene Violinistin Ursula Schoch erzählt, sie koche zwar auch noch in Amsterdam, wo sie jetzt lebe, Grießklößchensuppe und Spätzle, sie schmeckten aber nirgends so gut wie in der alten Heimat. Ihr elfjähriger Sohn träume sogar davon, später einmal die Familienapotheke in Sachsenheim zu übernehmen.

Der ehemalige Ministerpräsident Günther Oettinger schaut in die Zeiten als junger Ditzinger Kommunalpolitiker zurück, als der Kreistag mangels eigenen Sitzungssaales als „Wanderzirkus“ von Halle zu Halle tourte: „Dadurch konnte ich in jungen Jahren die Vielfalt meines Heimatkreises kennenlernen“, erzählt er. Was er besonders positiv in Erinnerung hat: die Sitzungen nach den Sitzungen. „Parteiübergreifend saß man bei Rostbraten, Schinkenbrot oder Käse bei einem guten Glas TL (Trollinger/Lemberger) zusammen und diskutierte über Gott und die Welt.“ Wie unterschiedlich die Kommunen im jungen Kreis tickten, stellt er im Vergleich von Wahlkämpfen in Korntal und Roßwag heraus: Habe man hier pünktlich anfangen, mit der Rede und in der Diskussion bestehen müssen, sei aber dann nach einem Bier um 22 Uhr fertig für den Heimweg gewesen, habe man dort nach der Veranstaltung in der Weinstube auf jeden Fall noch beim Stammtisch halt machen müssen. Habe man dann mit Ortsvorsteher, Pfarrer, Schulleiter, Feuerwehrkommandant und Vorsitzendem der Weingärtnergenossenschaft ein Viertele geschlotzt, „dann ging es richtig zur Sache“.

Der Beginn einer leisen Liebe

Die Ausnahme-Turnerin Tabea Alt, der Filmakademie-Chef Thomas Schadt, Ex-Bundespräsident Horst Köhler: Sie und viele Beteiligte mehr werfen persönliche Schlaglichter auf den Landkreis. Bei den neu Dazugekommenen war es nicht immer automatisch Liebe auf den ersten Blick: Die Markgröninger Autorin Claire Beyer, als Kind aus dem Allgäu nach Möglingen verpflanzt, kam der Wechsel hart an. „Schmale Rinnsale, schwäbische Diminutive und Fremde, wohin ich schaute“, schreibt sie. Was ein knorriger alter Wengerter damit zu tun hat, dass das anders wurde – das schildert sie berührend in „Beginn einer leisen Liebe“.

Biografien und Firmengeschichten aus dem Kreis Ludwigsburg

Halbes Jahrhundert
Den Landkreis Ludwigsburg in seinem jetzigen Zuschnitt gibt es seit 1972. Damals wurden die Kreise Leonberg und Vaihingen aufgelöst, deren Gemeinden dann teils dem neuen Großkreis Ludwigsburg zugeschlagen wurden. Auch aus den Kreisen Backnang und Heilbronn bekam der neue Riesen-Kreis Ludwigsburg – der zweitgrößte in Baden-Württemberg – damals Zuwachs.

Volle Verbundenheit
Das Buch „Landkreis Ludwigsburg: Heimat – Verbunden“ (Auflage: rund 1000) ist im Buchhandel für 28,90 Euro zu erwerben. Es enthält Beiträge vieler im Kreis und über ihn hinaus bekannter Persönlichkeiten, aber auch Porträts namhafter Unternehmen im Kreis. Über Werbeeinnahmen ihrer Paid-Content-Beiträge wurde das Buch auch finanziert.