Annalena Baerbock und Robert Habeck zeigen Geschlossenheit. Foto: dpa/Kay Nietfeld

Die Grünen haben ein paar Streitfragen zu klären bei ihrem Parteitag in Karlsruhe, etwa in Sachen Migrationspolitik. Beim Gaza-Krieg und der Solidarität mit Israel hingegen zeigen sie Geschlossenheit. Das hat auch mit der Parteitagsregie zu tun.

Die Grünen stellen sich an die Seite Israels im Kampf gegen die islamistische Hamas und betonen das Selbstverteidigungsrecht des israelischen Staates. Die Menschen in Israel würden niemals in Sicherheit leben können, „wenn dieser Terror nicht bekämpft wird“, sagte Außenministerin Annalena Baerbock. Einen Antrag des Bundesvorstands mit dem Titel „Solidarität mit Israel: Für Frieden, gegen Hass und Terror“ beschloss der Parteitag in der Nacht zu Freitag in Karlsruhe einstimmig.

Israel kämpfe gegen die Hamas und nicht gegen die Palästinenserinnen und Palästinenser und habe das Recht und die Pflicht, im Rahmen des humanitären Völkerrechts seine Bürger zu verteidigen, sagte Baerbock, die für den Antrag warb. Die Gewalt jüdischer Siedler im Westjordanland sei hingegen nicht im Sicherheitsinteresse Israels. Die Parteivorsitzende Ricarda Lang forderte die Delegierten auf, Antisemitismus auch dort zu benennen, „wo es wehtut“, also nicht nur im Rechtsextremismus, sondern beispielsweise auch „im eigenen linken Freundeskreis“.

Grüne fordern Ende des „Raketenterror“

Die palästinensische Zivilbevölkerung leide unter dem Krieg Israels gegen die Hamas, heißt es in dem verabschiedeten Antragstext. Tausende Zivilistinnen und Zivilisten, „darunter zahlreiche Kinder, sterben durch den Krieg“. Dies sei „auch Teil des zynischen Kalküls der Terroristen“, da die Hamas die Bevölkerung als menschliche Schutzschilde missbrauche und Waffen und Kämpfer in und unter ziviler Infrastruktur verstecke. Man setze sich für die Freilassung aller von der Hamas verschleppten Geiseln sowie für Feuerpausen und sichere Korridore ein, damit Hilfslieferungen bei Menschen in Not ankommen könnten. Der „Raketenterror der Hamas und anderer extremistischer Gruppen“ müsse sofort unterbunden werde.

Weiter heißt es in dem Antragstext: „Nach dem Ende des Konflikts setzen wir uns für ein Ende der Politik der Abriegelung des Gazastreifens unter Wahrung der israelischen Sicherheitsinteressen ein. Wir fordern eine koordinierte Wiederaufbauhilfe für den Gazastreifen, an der sich auch die EU beteiligen soll. Wir fordern eine aktive Rolle der Vereinten Nationen in den Bemühungen um die Schaffung und Sicherung von Frieden in der Region.“

Grüne besorgt über antisemitische Hetze

Die Grünen zeigen sich besorgt über „einen besorgniserregenden Aufschwung“ antisemitischer Hetze und Gewalt. „Dieser Antisemitismus zieht sich durch alle Teile unserer Gesellschaft und ist nicht vorrangig ein Problem der Einwanderungsgesellschaft.“

Zum Antrag des Bundesvorstands hatte es ursprünglich 28 Änderungsanträge gegeben. Nach ausgiebigen Verhandlungen der Antragsteller mit dem Parteivorstand blieb noch ein einziger übrig - der Vorstand überarbeitete im Gegenzug den eingebrachten Text. Im verbleibenden Änderungsantrag, den die Delegierten mit großer Mehrheit ablehnten, wurde die Entsendung von UN-Friedenstruppen in den Gazastreifen und ins Westjordanland gefordert, „um in enger Zusammenarbeit mit den palästinensischen Sicherheitsbehörden dauerhaft weitere Terroraktionen zu verhindern“.

Die Delegierte Zohra Mohjadeddi aus Hamburg, die für Änderungen am später verabschiedeten Antrag des Bundesvorstands warb, rief den Parteitag auf, das Leid der Bevölkerung im Gazastreifen nicht zu vergessen. „Gaza ist eine einzige Todeszone, in der ganze Familien durch Luftangriffe ausgelöscht werden“, sagte sie. Die Grünen sollten sich wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron fragen, ob das militärische Ziel Israels die hohen Todeszahlen in der Zivilbevölkerung rechtfertige. „Wir meinen nein“, sagte sie. Mohjadeddi dankte Baerbock für ihren Einsatz für eine Zweistaatenlösung. Das humanitäre Völkerrecht müsse eingehalten werden von allen Kriegsparteien in Israel, im Gazastreifen und im Westjordanland.

Wiederwahl von Ricarda Lang gilt als sicher

Anders als bei anderen Debatten wurden zu diesem Tagesordnungspunkt keine Redner ausgelost. Es sei wichtig, dass es ein „Solidaritätszeichen gibt zu Israel, auch ein klares Zeichen zum Thema Antisemitismus“, hatte die politische Geschäftsführerin der Grünen, Emily Büning, erklärt. Es war aber auch zu hören, dass die Leitung nicht das Risiko unvorhersehbarer Redebeiträge eingehen wollte.

An diesem Freitag steht beim Grünen-Parteitag unter anderem die Neuwahl des sechsköpfigen Bundesvorstands an. Die Wiederwahl der beiden Parteichefs Ricarda Lang und Omid Nouripour gilt als sicher. Daneben sollten die mehr als 800 Delegierten die Wahlen für die Plätze auf der Liste zur Europawahl beginnen. Für Platz 1 kandidiert die Fraktionschefin der Grünen im EU-Parlament, Terry Reintke.

In der Messehalle in Karlsruhe wurde ein offener Brief verteilt, in dem an die Delegierten appelliert wurde, die China-Kennerin Janka Oertel auf einen aussichtsreichen Platz der Kandidaten für die Europawahl zu wählen. Als Unterzeichner wurden unter anderem der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, und die Leiterin der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik, Claudia Major, aufgeführt.