Der Gemeinderat hat sich dem Kompromissvorschlag von OB Frank Nopper und der SSB angeschlossen: Statt wie gefordert bis Mitternacht, soll die Zacke ihren Betrieb bis 22.45 Uhr verlängern – gegen den Widerstand aus Degerloch.
Die Stuttgarter Zahnradbahn besitzt eine wechselvolle, aber vor allem auch lange Geschichte. Bereits seit dem Jahr 1884 pendelt die im Volksmund liebevoll „Zacke“ genannte Bahn zwischen dem Marienplatz im Stuttgarter Süden und Degerloch. Damals wurde sie meist als reine Arbeiterlinie zum Transport von Feldfrüchten und Milchkannen auf den Markt sowie für Baustoffe genutzt. Bis in die 1970er Jahre verlor sie zunehmend ihre Bedeutung.
Aus wirtschaftlichen Gründen wurden die Betriebszeiten bis 20.45 Uhr verkürzt, ein Ruftaxi dafür eingerichtet. Seit dem Jahr 2021 setzt die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) am Abend angesichts der gestiegenen Fahrgastzahlen einen Kleinbus auf der 2,2 Kilometer langen Strecke ein, um die 220 Meter Höhenmeter zu überwinden. Nun wird ein weiteres Kapitel aufgeschlagen.
Pilotprojekt auf zunächst zwei Jahre angelegt
Am Dienstag hat der gemeinderätliche Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik einer Verlängerung der Betriebszeiten bis täglich 22.45 Uhr zugestimmt. Damit folgen sie einem Kompromissvorschlag von OB Frank Nopper und den SSB. Ursprünglich hatte der Gemeinderat in einem interfraktionellen Antrag – mit Ausnahme der AfD – einen probeweisen Zacke-Betrieb „bis zumindest Mitternacht“ gefordert. Der Kompromiss sollte die Einwände von Anwohnern berücksichtigen. Denn der Bezirksbeirat Degerloch hatte gemeinsam mit der Initiative „Zacke bis 21 Uhr“ einen weiteren Kompromiss vorgeschlagen: Die Zahnradbahn unter der Woche nur bis 22.15 Uhr und am Freitag und Samstag bis 22.45 Uhr fahren zu lassen. Diesen Vorschlag griff denn auch die CDU-Fraktion nochmals auf, „um die sich auftuenden Gräben zwischen den Stadtbezirken etwas auszugleichen“, erklärte der Stadtrat Jürgen Sauer.
Während die Lokalpolitiker aus dem Süden die Betriebsverlängerung begrüßen, lehnen dies die Kollegen aus Degerloch ab. Allerdings wurde der CDU-Vorschlag deutlich abgelehnt. „Eine halbe Stunde länger oder kürzer macht den Kohl auch nicht mehr Fett“, erklärte Armin Serwani (FDP).
Neue Triebwagen bis zu vier Dezibel leiser
Für eine leichtere Entscheidungsfindung trugen auch die Ausführungen von SSB-Betriebsleiter Reinhold Schröter zur Lärmbelastung bei. Vor zwei Jahren hatte der Verkehrsbetrieb für rund 20 Millionen Euro drei neue Trieb- und drei neue Fahrradwagen gekauft. Im Zuge dessen seien Lärmmessungen an mehreren Punkten der Strecke durchgeführt worden. Das Ergebnis: „Bis zu vier Dezibel weniger gegenüber den alten Zügen“, erklärte Schröter. Wichtig dabei sei zu wissen, dass bereits eine Verringerung des Schallpegels um drei Dezibel eine Halbierung der Schallintensität zur Folge habe. Allerdings verschwieg er nicht, dass durch die technischen Änderungen an den neuen Fahrzeugen auch ein anderes subjektives Empfingen möglich sei. „Wir sind in Kontakt mit Anwohnern und arbeiten an weiteren Lösungen“, versprach Schröter.
Dafür bleibt genügend Zeit. Die längeren Betriebszeiten der Zacke sollen zum Fahrplanwechsel im Dezember 2024 eingeführt werden – in einem Pilotversuch auf zwei Jahre befristet. Bei der geplanten Fahrzeitverlängerung von zwei Stunden belaufen sich die zusätzlichen Kosten auf „rund 200 000 Euro“, rechnete SSB-Planer Norbert Krause vor. Dem gegenüber stünden Einsparungen für den Zacke-Bus, der abends zwei Stunden lang unterwegs ist, von 70 000 Euro. Die prognostizierten Einnahmen durch den Fahrkartenverkauf beliefen sich schließlich auf 10 000 Euro.
SSB gehen von Steigerung der Fahrgastzahlen aus
Allerdings geht Krause von einer weiteren Steigerung der bereits jetzt starken Fahrgastzahlen am Abend und vor allem auch bei den letzten Fahrten kurz vor Betriebsschluss aus: „Es hat sicher einen positiven Effekt auf das gesamte SSB-Netz, gerade im Hinblick auf den Verkehrsknotenpunkt am Marienplatz.“ Schließlich sei die Verlängerung der Betriebszeiten der Zacke seit vielen Jahren ein Thema in der Stadt, ergänzte Björn Peterhoff (Grüne). Derzeit sei der eingesetzte Kleinbus immer wieder „eine Krücke“ im Nahverkehr, in dem zum Beispiel auch keine Fahrräder mitgenommen werden dürften.
Insofern sei der nun angedachte Kompromiss für das Pilotprojekt ein wichtiger Indikator wie weitere Verbesserungen im öffentlichen Nahverkehr in Stuttgart angenommen würden. Wenn nicht bis 24 Uhr, so doch zumindest bis 22.45 Uhr.