Freiwillige der iranischen Armee marschieren während einer Parade auf einem Militärstützpunkt im Norden Teherans. Foto: dpa/Vahid Salemi

Nach dem Angriff Teherans auf Israel liegt die Forderung nach einem härteren Kurs gegenüber dem Iran nahe. Aber: Was würde das praktisch bedeuten? Und: Brächte ein solcher Schwenk überhaupt etwas? Eine Debattenübersicht.

Seit Mittwoch sitzen die Außenministerinnen und Außenminister sieben großer Industrienationen (G7) auf der italienischen Insel Capri zusammen, um die großen Krisen dieser Welt zu beraten. Eine ist seit dem Wochenende besonders akut geworden: der Konflikt mit dem Iran. „Der Iran muss isoliert sein“, sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Donnerstag. „Und zugleich darf es zu keiner weiteren Eskalation kommen.“

Was am Wochenende passierte, bedeutet eine Zäsur. In der Nacht zu Sonntag hat der Iran Israel zum ersten Mal direkt angegriffen. Mehr als 300 Drohnen und Raketen gingen auf Israel nieder. Zwar sieht es so aus, als habe der Iran zumindest nicht bis aufs Äußerste gehen wollen. Alles deutet darauf hin, dass der Angriff wohl kalibriert war, kaum eines der Geschosse konnte Schaden anrichten, weil sie vorher abgefangen wurden. Trotzdem hat der Iran damit seine bisherigen Prinzipien aufgegeben. Direkt angegriffen hatte er Israel bisher noch nie, das überließ er seinen Verbündeten. Diese Entwicklung stellt die Bundesregierung vor neue Fragen. Muss sich ihre Iran-Politik nun ändern?

Klare Signale – aber bloß keine Eskalation

Klar ist: Die oberste Priorität für die Bundesregierung ist zunächst, eine weitere Eskalation im Nahen Osten auf jeden Fall zu verhindern. Es geht darum, dem Iran klare Signale zu geben, dass sein Vorgehen nicht akzeptiert wird. Extrem wichtig ist der deutschen Politik aber auch, gemeinsam mit den USA auf Israel so einzuwirken, dass die Reaktion auf den Angriff aus dem Iran maßvoll ausfällt. Die Frage ist, ob sich an der deutschen Iran-Politik durch die Situation grundsätzlich etwas ändert.

Stimmen, die darauf dringen, gibt es – sowohl in den Regierungsparteien als auch in der Opposition. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, geboren in Teheran, kritisiert, die deutsche Iran-Politik sei „viel zu lange schlicht naiv und zu sehr auf das Atomabkommen fokussiert“ gewesen. So seien das Raketenprogramm und die Menschenrechtsverletzungen ausgeblendet worden, fügte er hinzu. „Das ist gerade auch ein Versäumnis aus der Kanzlerschaft Angela Merkels“, sagte der FDP-Politiker im Gespräch mit unserer Redaktion. „Jetzt muss politisch entschieden gehandelt werden: Mindestens müssen die Mitglieder der islamischen Revolutionsgarde endlich auf die EU-Terrorliste“, sagte Djir-Sarai, dessen Partei in der Ampelkoalition mit SPD und Grünen regiert.

Kritik von der Union

Auch die oppositionelle Union dringt auf einen härteren Kurs – sieht aber für das, was sie als bisherige Versäumnisse kritisiert, die Ampel in der Verantwortung. Der Koalition und dem Auswärtigen Amt müssten klar werden, „dass der Iran nicht mehr zum Partner wird, egal, was passiert“, sagte der außenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Jürgen Hardt (CDU), unserer Redaktion. „Deshalb muss es strategisch darum gehen, die durch Teheran ausgehende Gefahr einzuhegen und wo immer möglich das Regime zu schwächen.“

Der Politikberater Cornelius Adebahr von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik beschäftigt sich schon lange mit dem Iran-Konflikt. Auch er fordert eine Kehrtwende in der deutschen Iran-Politik – aber denkt an eine ganz andere Richtung. „Dass jetzt sehr gezielte Maßnahmen gegen das Raketen- und Drohnenprogramm beschlossen wurden, ist zwar sinnvoll“, sagt Adebahr. „Aber man muss sich darüber im Klaren sein, dass es sich dabei eher um Symbolpolitik handelt.“ Der Iran habe zu gute Beziehungen zu Ländern wie China und Russland, als dass man ihn umfassend isolieren könnte.

Raus aus der Konfliktdynamik

Adebahr rät stattdessen zu einer langfristigen Strategie – und einer diplomatischen Lösung, die den gesamten Nahen Osten einbeziehen würde. „Wenn man Israel nun von einem Gegenschlag abhalten kann, dann könnte das der erste Schritt sein, um aus der Konfliktdynamik herauszukommen“, sagt Adebahr. „Ein Anfang wäre, dass Israel und die Hamas sich auf die Freilassung der Geiseln und einen damit verbundenen Waffenstillstand einigen.“

Man müsse sich anschauen, welche Länder in der Region welche legitimen Sicherheitsinteressen hätten – und wie man diesen am besten gerecht werden könnte, so Cornelius Adebahr weiter.

„Gerade weil die Lage nun so kritisch ist, könnte das ein Moment sein, der wieder diplomatische Lösungen ermöglicht“, sagt Adebahr. „Die Region steht am Abgrund.“ Das sei allen Akteuren bewusst. „Wir müssen nun unbedingt aus der Konfliktdynamik herauskommen.“