Der Präsident des VfB Stuttgart ist fortan nicht mehr Aufsichtsratsvorsitzender? Das und andere Dinge will Claus Vogt nicht akzeptieren. Die Erklärung, die eine Eskalation im Machtkampf darstellt, im Wortlaut.
Auf dem Platz und sportlich gibt der VfB Stuttgart im Gesamten ein famoses Bild ab in dieser Saison. Platz drei in der Liga, jüngst die Vertragsverlängerung mit Erfolgscoach Sebastian Hoeneß – es läuft bei den Weiß-Roten. Neben dem Spielfeld allerdings rumort es mal wieder gewaltig.
Der VfB Stuttgart hat nun im Namen des Präsidenten und des Vereinsbeirats am Donnerstagmorgen eine Mitteilung verschickt, in der schwerste Anschuldigungen erhoben werden. Unter anderem wird die Rechtmäßigkeit der Entscheidung, dem Präsidenten Claus Vogt den Aufsichtsratsvorsitz zu entziehen, in Frage gestellt und die Frage aufgeworfen, ob die aktuellen Entwicklungen bezüglich des Investoreneinstiegs von Porsche einen Verstoß gegen die sogenannte 50+1-Regelung darstellen.
Die Erklärungen im Wortlaut:
Liebe Mitglieder des VfB Stuttgart 1893 e.V.,
der Präsident unseres Vereins wurde am Dienstag in einer außerordentlichen Sitzung als Vorsitzender des Aufsichtsrates der VfB Stuttgart 1893 AG in rechtlich fragwürdiger Weise abgewählt – ob der gefasste Beschluss Bestand haben wird, gilt es notfalls zu klären. Aufgrund der enormen Tragweite und damit verbundenen Auswirkungen der Entscheidung sehen wir uns gegenüber unseren Mitgliedern verpflichtet, in gebotener Kürze Stellung zu nehmen: Unabhängig von persönlichen Befindlichkeiten stellt sich in dieser Situation eine entscheidende Frage: Gehört der VfB wirklich noch seinen Mitgliedern? Die Ereignisse des Dienstags und die nicht mit dem Verein abgestimmte Pressemitteilung zeichnen leider ein anderes Bild.
Bindendes Versprechen?
Das unseren Mitgliedern gegenüber gegebene Ausgliederungsversprechen war und ist essentiell wie bindend. Einer Abweichung von diesem im Rahmen der Ausgliederung maßgeblichen Versprechen bedarf aus unserer Sicht zwingend einer demokratischen Legitimation durch das oberste Organ unseres Vereins: Der Mitgliederversammlung. Dies hat der Vereinsbeirat bereits am 27.02.2024 durch ein Schreiben an das Präsidium, den Vorstand und den Aufsichtsrat deutlich gemacht. Dennoch wurden nun mit der vermeintlichen Abwahl des e.V.-Präsidenten als Vorsitzender des Aufsichtsrates, des Präsidialausschusses und Leiter der AG-Hauptversammlung ohne jegliche Einbindung der Mitglieder Tatsachen geschaffen. Dies ist umso bedauerlicher, als eine solche Entscheidung nur mit Stimmen von e.V. gewählten Aufsichtsräten möglich war.
Selbstverständlich sind auch wir als e.V.-Vertreter stolz und erfreut, dass sich ein weiteres bedeutsames Unternehmen aus der Region beim VfB als Aktionär engagiert.
Grundsätzlich hat jedes wirtschaftliche und persönliche Engagement auch beim VfB Spielregeln zu folgen. Diese dienen nicht einzelnen Interessen, sondern der Sicherstellung der Lizenz der Deutschen Fußball Liga sowie dem Erhalt des VfB in seiner traditionellen Struktur und der Wahrung der Rechte der Vereinsmitglieder. Mittlerweile zweifeln wir daran, dass diese Spielregeln eingehalten wurden und werden, und sichern zu, dass wir dies detailliert prüfen werden. Dabei geht es u.a. um folgendes:
1.) „Alle Entscheidungen bleiben in der Hand des VfB Stuttgart 1893 e.V.“:
Eine maßgebliche Spielregel hat sich der VfB selbst gegeben, und zwar anlässlich der 2017 durchgeführten außerordentlichen Mitgliederversammlung, in der wir unser Herzstück – den Profi-Fußball – auf die VfB Stuttgart 1893 AG übertragen haben. Vor dieser Mitgliederversammlung hat der damalige Vereinsvorstand den Mitgliedern unter Hinweis auf das neue Zusammenspiel eingetragener Verein / Aktiengesellschaft zugesichert (Zitat): „Wir werden auch in Zukunft keine Entscheidung aus der Hand geben!“ Dies war für die Mitglieder ein wesentliches Argument zur Unterstützung des Ausgliederungsbegehrens und für die Akzeptanz der Entscheidung – für uns stellt dies eine der Grundsäulen unserer Legitimation dar, deren Einhaltung wir sicherstellen.
Wird diese Zusage aktuell tatsächlich gelebt? Wir glauben heute: Nein! Darum werden wir dies im Sinne des Vereins und deren Mitglieder prüfen und agieren.
2.) „Der Präsident des Vereins ist Aufsichtsratsvorsitzender der VfB Stuttgart 1893 AG“
Zur Absicherung der Einhaltung vorgenannter Spielregel gehört unbedingt auch die zugesagte und versprochene Personenidentität von Vereinspräsident und Aufsichtsratsvorsitzenden den Mitgliedern des Vereins von dem Vorgängerpräsidenten ausdrücklich zugesichert und wiederholt bekräftigt, was für viele gleichermaßen maßgeblich für die Entscheidung und Akzeptanz der Ausgliederung war. Dies ist auch für uns eine bindende Verpflichtung. Der Bruch dieser Regel ist für uns ein grobes Foul und kann so nicht stehen bleiben. Der zwischenzeitlich dem Präsidenten nahegelegte „Lösungsansatz“, aus vorgeschobenen persönlichen oder gesundheitlichen Gründen zurückzutreten, war und ist natürlich keine Option.
3.) „50+1“-Regel
Der deutsche Fußball funktioniert nach der Vorgabe, dass die sogenannten Muttervereine, bei uns der VfB Stuttgart 1893 e.V., wesentlich auf ihre Kapitalgesellschaften, bei uns auf die VfB Stuttgart 1893 AG, einwirken können („50+1-Regel der DFL“). Das DFL-Schiedsgericht hat das wie folgt in seiner „Hannover 96-Entscheidung“ für den gesamten deutschen Fußball übersetzt: Die 50+1-Regel ist dann gewahrt, wenn eine „aktive Gestaltung der Gesellschaft durch den Mutterverein sowie dessen aktiver Einfluss auf die Geschäfte der Spielbetriebsgesellschaft abschließend gesichert werden“.
Jedoch sind in einer Aktiengesellschaft die Vorstände gemäß geltendem Aktienrecht absolut weisungsfrei und nur dem Interesse der Gesellschaft, nicht also dem Mutterverein, verpflichtet. Einfluss auf die Führung der Geschäfte der AG kann der VfB Stuttgart 1893 e.V. deshalb nur über die Mehrheit im Aufsichtsrat nehmen.
Mit der Entscheidung vom 12. März wird der Einfluss des e.V. im Aufsichtsrat deutlich geschwächt. So führt die neue Aufsichtsratsvorsitzende nun auch automatisch den Vorsitz des Präsidialausschusses und leitet nach der Satzung die Hauptversammlungen der VfB Stuttgart 1893 AG. Der Verein verliert nach unserer Auffassung wesentlichen Einfluss in vielen wichtigen Bereichen.
Wir haben die Worte vieler Mitglieder auf der letzten Mitgliederversammlung noch im Ohr, die Ruhe im Verein und ein kollegiales Miteinander einforderten. Dass ausgerechnet in einer sportlich so erfolgreichen Phase dahingehend alle Bemühungen innerhalb der Gremien und zwischen e.V. und AG von Teilen des Aufsichtsrats ohne Not zunichte gemacht wurden, ist nicht nachvollziehbar und wird dem VfB im Gesamten in keiner Weise gerecht. Der 12. März 2024 war kein guter Tag für unseren VfB Stuttgart 1893 e.V. und seine Mitglieder.
Es ist die absolute Verpflichtung der vom Verein in den Aufsichtsrat entsandten Personen, die Interessen des Vereins und damit seiner Mitglieder zu wahren. Dazu gehört insbesondere auch die Einhaltung grundlegender Zusagen, die wir jederzeit im Interesse der Mitglieder einfordern werden.
Präsident und Vereinsbeirat des VfB Stuttgart 1893 e.V.