Susanne Jakob ist die Kuratorin des Kunstvereins Neuhausen. Foto: Ines Rudel/Ines Rudel

Einen guten Draht zur Wirtschaft und zur Kommunalpolitik pflegt Susanne Jakob vom Kunstverein Neuhausen. Sie realisiert ein erfolgreiches Konzept mit überregionalem Ruf.

Im ehemaligen Beichtstuhl reißt ein verspiegelter Raum die Betrachter in die Tiefe. Ein Objekt, das wie ein Asteroid aussieht, bewegt sich im dreidimensionalen Raum. Wenn sich die Holztür schließt, erleben die Betrachter Weite. Sie scheinen mit den Objekten im All zu schweben. „Immersive“ heißt die Medieninstallation des jungen Künstlers Jan Nicola Angermann, der an der Schnittstelle zwischen Skulptur und digitaler Technik arbeitet. Er lässt das Publikum in sein Medienkunstwerk eintauchen. Im Projektraum des Kunstvereins Neuhausen (KVN), einer entweihten Jesuitenkapelle, ist die Ausstellung „Neubesetzung“ zu sehen. Da zeigen Künstlermitglieder ihre Arbeiten. Bei der Finissage am Sonntag, 13. November, laden sie zum Rundgang ein.

„Es ist wichtig, dass wir die moderne Kunst unserem breiten Publikum in Neuhausen vermitteln“, findet Hermann Wenzler, der Vorsitzende des KVN. Deshalb legt der ehemalige Immobilien- und Logistik-Chef des Festo-Konzerns Wert darauf, dass die Kunstschaffenden Projekte mit den Menschen in der Fildergemeinde realisieren. Gemeinsam mit Rolf Haas, langjähriger stellvertretender Bürgermeister in Neuhausen, vermittelt er Kunst und Kultur. Da denkt Wenzler an das Projekt „Schöne Nacht“ mit dem Künstlerduo Jürgen Palmtag und Doris Schmid. Sie arbeiteten mit dem Chor Feuchtes Eck des Männergesangvereins Neuhausen zusammen. Kooperationen wie diese wünscht sich Wenzler mehr, „gerade mit Schulen“.

Brücken schlagen zu den Menschen

Über ihr engagiertes Vorstandsteam, zu dem auch der CDU-Gemeinderat und Architekt Andreas Edelmann und der Statiker Andreas Bewer gehören, ist die künstlerische Leiterin Susanne Jakob sehr glücklich. Brücken zu schlagen zwischen den Künstlern und den Menschen in Neuhausen, das ist ihr Ziel. Dass der Kunstverein weit über die Ortsgrenzen hinaus in der Kunstszene einen guten Ruf hat, freut die Kuratorin. Viele der Ausstellungen werden aus Bundes- und Landesmitteln gefördert.

Im Mai kam die ehemalige Berliner Kultursenatorin Adrienne Goehler zum Vortrag auf die Filder. Die bekannte Architektin Folke Köbberling realisierte im Sommer 2022 ein nachhaltiges Bauprojekt. Das Haus nach den Plänen des berühmten Architekten Jacobus Johannes Pieter Oud, der in der Stuttgarter Weißenhof-Siedlung Arbeiterhäuser realisiert hat, hat die Braunschweiger Professorin mit Studierenden der Architektur aus Stuttgart realisiert – jetzt finden darin Ausstellungen statt.

Den Nachwuchs fördern

„Wichtig ist uns die Förderung des Nachwuchses“, sagt Susanne Jakob. Deshalb arbeitet sie viel mit Studierenden der Akademie für Bildende Künste in Stuttgart. Die engagierte Kuratorin kämpft mit dem Bündnis für gerechte Kunst und Kulturarbeit in Baden-Württemberg auch auf Landesebene für bessere ökonomische Bedingungen. Das gehört für die Kuratorin zur Nachhaltigkeit.

Den Draht zur Wirtschaft knüpft der Kunstverein mit der Personalberaterin Brigitte Pihulak aus Nürtingen. „Mit dem Innovationsclub des KVN machen wir nicht nur Vorträge und Workshops möglich“, sagt die Lehrbeauftragte der Hochschule Reutlingen. Gemeinsam mit Jakob denkt die Unternehmerin über Schnittstellen zwischen Wirtschaft und Kunst nach. Gerade in der Pandemie hat sie da Parallelen entdeckt. 2021 war es nach Pihulaks Worten das Ziel, nach langer Lethargie wieder ins Handeln zu kommen. „2022 heißt das Motto ‚Mutig weitergehen‘“, sagt die Personalberaterin, die sich mit innovativen Technologien beschäftigt.

Shuttle-Fahrservice mit Elektroautos

Da gehen Pihulak die Ideen nicht aus. Zum internationalen Ausstellungsprojekt des Kunstvereins „Connecting Cultures“ hat Pihulak einen Shuttle-Fahrservice mit Elektroautos organisiert. „Da haben sich die Kulturen bei der Fahrt vernetzt“, erinnert sich die Unternehmerin, die sich selbst hinters Steuer setzte. „Sie stritten rege über den Nutzen von Elektroautos.“ Solche Diskurse in Gang zu bringen ist ihr Ziel. Dass sich der Kunstverein mit nachhaltiger Architektur beschäftigt, hat Pihulak auch selbst inspiriert. In Eigenregie hat sie in Herzogenaurach ein Haus aus dem Jahr 1620 restauriert. „Ich könnte mir vorstellen, da auch mal gemeinsame Ausstellungsprojekte mit dem Kunstverein anzustoßen.“

Welche Pläne hat der Kunstverein fürs neue Jahr? „Wir denken die Themen Architektur und nachhaltiges Bauen weiter“, sagt Susanne Jakob. Außerdem plant der Kunstverein, im Herbst 2023 die Radikalen Töchter aus Berlin einzuladen. Die Aktionskünstlerinnen wollen in einem Workshop mit Menschen aus Neuhausen „den Mutmuskel“ trainieren. Nun freut sich die Kuratorin auf die Finissage der Ausstellung am Sonntag. Die Künstlerin Monika Drach hat es inspiriert, in der ehemaligen Kapelle die Installation „Tief unten ein Flüstern“ einzurichten. Da arbeitet sie mit Videos und Sound. Vom Band werden Traumsequenzen eingespielt. „Der Raum hat mich fasziniert“, findet Drach – sie hat ihr Projekt im sogenannten Laienkäfig realisiert – einem vergitterten Raum, in dem früher Gläubige aus Neuhausen den Gottesdiensten beiwohnten.

Jahresabschluss

Winterpause
 Mit dem Ende der Ausstellung „Neubesetzung“ verabschiedet sich der Neuhausener Kunstverein in die Winterpause. Doch zuvor ist am Sonntag, 13. November, von 14 bis 18 Uhr die Finissage. Um 15 Uhr beginnt eine Lesung mit dem Künstler und Autor Matthias Santiago Staehle. Von 16 Uhr an laden die Künstlerinnen und Künstler zu Gesprächen und zu einem Rundgang durch die Ausstellung ein.

Programm 2023
 Nach dem Saisonende tüftelt die Kuratorin Susanne Jakob mit ihrem ehrenamtlichen Team am nächsten Ausstellungsprogramm. „Da diskutieren wir auch manchmal kontrovers“, sagt der Vorsitzende Hermann Wenzler. Um die Ausstellungen möglich zu machen, braucht der Kunstverein Sponsoren und Fördermittel. Dafür stellt Jakob in der Winterpause die Anträge. Bei der Suche nach Sponsoren hilft Brigitte Pihulak, die in der Wirtschaft bestens vernetzt ist: „Gerade in der Zeit von Corona und Energiekrise ist es schwer, Fördermittel zu gewinnen“, sagt sie. Viele Firmen seien sehr zaghaft und förderten nur das Nötigste.